Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-104984/20/BI/FB

Linz, 28.01.1998

VwSen-104984/20/BI/FB Linz, am 28. Jänner 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau C S, S, S, vertreten durch Rechtsanwalt M F, B, H, vom 24. September 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 4. September 1997, VerkR96-3487-1996, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 11. Dezember 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, daß im Schuldspruch eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 92 km/h dem Tatvorwurf zugrundegelegt wird. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 600 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51 i, 44a Z1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960). zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3a StVO 1960 mit einer Geldstrafe von 3.000 S (3 Tagen EFS) kostenpflichtig bestraft. Ihr wurde vorgeworfen, am 28. Mai 1996 um 13.12 Uhr den PKW, Kennzeichen (D), auf der P Bundesstraße B, Gemeinde S, Bezirk K, bei Strkm 56,000 in Richtung W gelenkt zu haben, wobei sie entgegen dem Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h überschritten habe.

2. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Berufung wurde seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 11. Dezember 1997 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters RA Dr. D, der Behördenvertreterin Frau A, der Zeugen RI P und RI S und des technischen Amtssachverständigen Ing. K durchgeführt. Im Anschluß daran wurde die Berufungsentscheidung mündlich verkündet. 3. Die Rechtsmittelwerberin beantragt unter Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen, das im Straferkenntnis nicht im geringsten gewürdigt oder angesprochen worden sei, die Aufhebung des Straferkenntnisses. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte die Rechtsmittelwerberin vorgebracht, sie bestreite nicht, mit dem PKW möglicherweise mit etwas überhöhter Geschwindigkeit gefahren zu sein, jedoch ursprünglich nicht mit der ihr vorgeworfenen Geschwindigkeit, sondern etwa mit 70 km/h. Dabei sei das Zivilfahrzeug der Polizei so dicht aufgefahren, daß sie sich von diesem Fahrzeug bedrängt gefühlt habe und schneller geworden sei. Sie habe das auch ihrem Gatten, der Beifahrer gewesen sei, gesagt, der sich umgedreht und festgestellt habe, daß tatsächlich ein Fahrzeug dicht aufgefahren sei, und auch er habe sich dadurch bedrängt und gefährdet gefühlt. Er habe dann gesagt, sie möge ein wenig schneller fahren, um von diesem "Idioten" wegzukommen. Daß es sich um ein Polizeifahrzeug gehandelt habe, habe man erst später bemerkt.

Die Geldbuße halte sie für weit überhöht. Sie habe ein normales Gehalt und weder ein solches von 100.000 DM im Monat noch im Jahr, noch verfüge sie über annähernde Beträge. Sie verfüge weder über ein Schloß noch über Ländereien, nur über eine hoch beliehene Eigentumswohnung in einem schloßähnlichen Gebäude. Sie beantrage daher, die Geldbuße entweder vollständig zu erlassen oder bedeutsam zu reduzieren.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört, die beiden Gendarmeriebeamten zeugenschaftlich einvernommen, der bei der Nachfahrt aufgenommene Videofilm eingesehen und auf dieser Grundlage ein technisches Sachverständigengutachten durch den Amtssachverständigen Ing. K erstellt wurde.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich: Die Rechtsmittelwerberin lenkte am 28. Mai 1996, dem Dienstag nach Pfingsten, um 13.12 Uhr den PKW, Kennzeichen , auf der P Bundesstraße B aus Richtung K kommend in Richtung W. Im PKW befand sich auch ihr Ehegatte A S. Zur selben Zeit waren die beiden Zeugen, Beamte der Autobahngendarmerie K, mit dem Zivilstreifenfahrzeug (mit Deckkennzeichen), das nach außen hin nicht als Polizeifahrzeug erkennbar war und in das der geeichte Geschwindigkeitsmesser der Bauart ProViDa mit der Fabrikationsnummer 30418-9060-93 (laut Eichschein letzte Eichung 16. Februar 1996, Nacheichfrist bis 31. Dezember 1999) eingebaut war, ebenfalls auf der B Richtung W unterwegs. Das Gendarmeriefahrzeug wurde von RI P gelenkt; die auf der Beifahrerseite eingebaute ProViDa-Anlage, die mit einer Videokamera ausgerüstet ist, wurde von RI S betätigt. Beide Beamte sind für die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen mit Meßgeräten dieser Bauart besonders geschult und auf Grund ihrer Tätigkeit bei der Autobahngendarmerie geübt. Laut Aussage von RI P ist ihm in der sogenannten Kerbelkurve im Rückspiegel aufgefallen, daß in der hinter dem Fahrzeug fahrenden Kolonne ein PKW überholte und dieser von der Rechtsmittelwerberin gelenkte PKW überholte dann auch das Gendarmeriefahrzeug mit den beiden Zeugen. Dieser Vorgang ist auf dem bei der Verhandlung vorgelegten Videofilm ersichtlich. Weiters ist daraus ersichtlich, daß beide Fahrzeuge nacheinander, kurz nach der Zufahrt nach S, einen PKW überholten, was ohne jede Verzögerung in einem Zug möglich war. Der Nachfahrabstand wurde von RI P mit annähernd gleichbleibend etwa 40 m angegeben. Beide Zeugen konnten aufgrund der inzwischen verstrichenen Zeit keine Aussagen darüber machen, ob bei der Aufnahme dieses Films mit Zoom gearbeitet wurde und auch der technische Sachverständige konnte aus dem Videofilm den Nachfahrabstand der beiden Fahrzeuge nicht ableiten. Aus dem Videofilm ist ersichlich, daß rechtsseitig in Fahrtrichtung der Rechtsmittelwerberin ca bei km 55,9 das Verkehrszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h" in Verbindung mit dem Gefahrenzeichen "Baustelle" angebracht war und kurz vor km 56,000 das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 50 km/h" in Verbindung mit dem Vorschriftszeichen "Überholen verboten" aufgestellt war. Rechtsseitig der B ist in diesem Bereich eine Großbaustelle erkennbar, wobei eine geschotterte Zufahrt zur B bestand. Kurz nach km 56,0 befand sich zum damaligen Zeitpunkt noch ein Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung 50 km/h", das allerdings von der Fahrbahn der B weggedreht war. Unmittelbar nach der darauffolgenden Einmündung der Baustellenzufahrt führt die B über die S, auf der kurz nach ihrem Beginn rechtsseitig das Vorschriftszeichen "Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen" zu erkennen ist. Aus dem Film ist zweifelsfrei ersichtlich, daß die Rechtsmittelwerberin bei annähernd gleichbleibendem Nachfahrabstand des Gendarmeriefahrzeuges eine Geschwindigkeit von etwa 110 km/h einhielt, am Beginn des Beschränkungsbereiches etwas langsamer wurde und unmittelbar nach Passieren des Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung 50 km/h" die Bremslichter aufleuchteten, wobei die Geschwindigkeit leicht vermindert wurde. Beim Passieren der blauen Kilometrierung 56,0 in weiterhin annähernd gleichbleibendem Nachfahrabstand des Gendarmeriefahrzeuges hatte das Beschuldigtenfahrzeug auf der im Film eingeblendeten ProViDa-Anzeige eine Geschwindigkeit von 94 km/h inne. Beide Zeugen haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgesagt, der Nachfahrabstand habe sich sicher nicht über den normalen Sicherheitsabstand verringert und sie hätten aufgrund ihrer Feststellung der überhöhten Geschwindigkeit im Bereich der 50-km/h-Beschränkung beschlossen, den Lenker anzuhalten. Das Beschuldigtenfahrzeug sei mit eingeschaltetem Handblaulicht und Folgetonhorn überholt und in der Folge angehalten worden. Dieser Vorgang ist auf dem Videofilm nicht mehr enthalten. Es ist darauf lediglich zu sehen, daß die Fahrt über die Brücke fortgesetzt wurde, wobei im nachfolgenden, etwas ansteigenden und kurvigen Straßenabschnitt beide PKW auf eine mit etwas über 30 km/h fahrende Kolonne aufschlossen, wobei eine Verminderung des Nachfahrabstandes, die sich vom Abstand im sonstigen Verlauf der Nachfahrt deutlich unterscheidet, zu erkennen ist. Hier endet die Videoaufzeichnung. Die Amtshandlung wurde nach eigenen Aussagen von RI P von ihm selbst geführt, RI S sei im Gendarmeriefahrzeug geblieben. Nach seiner Schilderung hat RI P von der ihm unbekannten Lenkerin zwecks Lenker- und Fahrzeugkontrolle die Papiere verlangt und habe sie mit dem Vorwurf konfrontiert, zu schnell gefahren zu sein. Da das Fahrzeug nicht auf den Namen der Lenkerin zugelassen gewesen sei, habe er diese nach dem Wohnsitz gefragt, worauf sie den Zeugen gefragt habe, ob er denn nicht wüßte, wer sie sei und wo sie wohne. Die Amtshandlung ist nach den Schilderungen von RI P dann insofern eskaliert, als schließlich der Beifahrer ausgestiegen sei und behauptet habe, beide Gendarmeriebeamte, nämlich auch der im Gendarmeriefahrzeug sitzende, mit dem er keinen Kontakt gehabt habe, seien alkoholisiert. Die Rechtsmittelwerberin und ihr Beifahrer bestanden darauf, zur Außenstelle Klaus zur Durchführung einer Atemluftalkoholuntersuchung beider Gendarmeriebeamten mitzufahren. Eine solche wurde nach Rücksprache mit dem Landesgendarmeriekommando in Linz bei den Zeugen durchgeführt und ergab jeweils Werte von 0,0 mg/l AAG. Die Rechtsmittelwerberin und ihr Beifahrer behaupteten weiterhin, daß beide Gendarmeriebeamte trotz des eindeutigen Blasergebnisses alkoholisiert seien und beschwerten sich bei deren Vorgesetzten. Die Rechtsmittelwerberin verantwortete sich im erstinstanzlichen Verfahren dahingehend, gegen die Beamten sei Strafanzeige erstattet worden wegen Nötigung und Lebensgefährdung, weil diese sie mit einem Zivilfahrzeug durch sehr dichtes Auffahren bedrängt und genötigt hätten, schneller zu fahren und durch unvorschriftsmäßiges Überholen am Berg in einer unübersichtlichen Kurve in Lebensgefahr gebracht hätten. Bei Vorführung des durch Nötigung erwirkten Videobandes hätten sie Alkoholgeruch im Wagen bemerkt, was durchaus der Fahrweise entsprochen habe und hätten über Autotelefon einen Streifenwagen zur Blutprobe der Beamten angefordert. Diese sei dann unter Ausschluß aller in den Räumen der Dienststelle angeblich durchgeführt worden. Der Alkoholgeruch habe angeblich von der Wischanlage des Wagens hergerührt, es sei aber trocken und ein Wasserbedarf nicht erklärbar gewesen. Daraufhin sei von den Beamten gegen A S Verleumdungsklage erhoben worden. Diese wurde, wie sich aus dem Verfahrensakt ergibt, von der Staatsanwaltschaft Steyr zurückgelegt, weil keine genügenden Gründe gefunden wurden, die gerichtliche Verfolgung zu verlangen. In der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Behördenvertreterin dargelegt, bei der auf dem Videofilm rechtsseitig der B erkennbaren Großbaustelle habe es sich um eine solche im Verlauf der Neuerrichtung eines weiteren Abschnittes der P gehandelt, nämlich für den "L Nord". Dabei seien von verschiedenen Unternehmen die beim Tunnelbau angefallenen Erd- und Aushubmaterialien mit LKW über die im Film erkennbare Zufahrt weggebracht worden. Auf der Baustelle sei, um den Eröffnungstermin für den Autobahnabschnitt einhalten zu können, über die Pfingstfeiertage und Wochenenden nicht nur von den mit der Sprengung befaßten Unternehmen sondern auch von den bei den verschiedenen Transportunternehmen Beschäftigten durchgearbeitet worden. Die Behördenvertreterin verwies dazu auf die im Akt befindliche Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 29. April 1996, VerkR10-139-1996/Ba/WP. Sie führte weiter aus, daß im selben Zeitraum die nach der Baustellenzufahrt gelegene S im Rahmen von Bauarbeiten zeitweise angehoben werden mußte, wobei für diese Fälle eine weitere Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h verordnet und kundgemacht gewesen sei. Dieses Vorschriftszeichen sei zum Zeitpunkt des Befahrens des Abschnittes durch die Rechtsmittelwerberin, wie im Film ersichtlich, deshalb weggedreht gewesen, weil eine Anhebung der Brücke zu dieser Zeit nicht durchgeführt wurde und daher auch die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht relevant war. Laut Mitteilung der Behördenvertreterin befährt sie selbst die Strecke regelmäßig und hat dabei selbst festgestellt, daß tatsächlich an dieser Baustelle durchgehend gearbeitet wurde. Beide Zeugen haben unabhängig voneinander bestätigt, daß an der Baustelle über Feiertage und Wochenenden durchgearbeitet wurde und daß die Strecke sogar in der Nacht beleuchtet gewesen sei, weil LKW Aushubmaterial und Erde über die Zufahrt herausgefahren und zwecks Aufschüttung über die S zum anderen Tunnelende gebracht hätten. Die LKW seien damals mit Ausnahmegenehmigungen gefahren.

Der technische Amtssachverständige Ing. K hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage des Parteienvorbringens, der Zeugenaussagen und des eingesehenen Videofilms zur Frage der Nachvollziehbarkeit des Tatvorwurfs gutachtlich ausgeführt, aus den beiden dem Videofilm entnommenen und der Anzeige angeschlossenen Lichtbildern, bei denen die ProViDa-Anlage aktiviert und eine gefahrene Strecke sowie die dafür benötigte Zeit angezeigt wurden, ergebe sich für die gefahrene Strecke von 39 m eine Zeit von 1,44 sec und daraus eine Geschwindigkeit von 27 m/sec, sohin 97,5 km/h. Unter Berücksichtigung eines Toleranzabzuges von 5 km/h ergibt sich sohin eine Geschwindigkeit von 92,5 im Bereich von km 56,0 der B. Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt in freier Beweiswürdigung zu der Auffassung, daß nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens, insbesondere aus dem Videofilm in Verbindung mit dem Sachverständigengutachten kein Anhaltspunkt für eine eventuelle Nichtverwertbarkeit oder Unschlüssigkeit der von der geeichten ProViDa-Anlage gemessenen Geschwindigkeit besteht. Nach Toleranzabzug ergibt sich damit ein nachvollziehbarer und schlüssiger Geschwindigkeitswert von abgerundet 92 km/h, der dem Verwaltungsstrafverfahren zugrundezulegen ist, wobei zu betonen ist, daß sich aus dem Videofilm auch keinerlei Anhaltspunkte für irgendeine Bedrängung, Nötigung oder Gefährdung der Insassen des BeschuldigtenPKW ersehen lassen. Der Nachfahrabstand konnte zwar wegen der Nichterkennbarkeit der Zoomeinstellung nicht exakt bestimmt werden, jedoch ist zweifelsfrei erkennbar, daß im Bereich dieser Geschwindigkeitsbeschränkungen kein Auflaufen des Gendarmeriefahrzeuges erfolgte, sondern immer ein durchaus mit den Zeugenaussagen im Einklang stehender Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen bestand. Da Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens der der Rechtsmittelwerberin zur Last gelegte Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung ist, hatte sich der unabhängige Verwaltungssenat mit dem weiteren, die Anhaltung und die Geschehnisse danach betreffenden Beschuldigtenvorbringen nicht zu befassen. Die Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen ist durch das Beschuldigtenvorbringen insofern nicht in Zweifel gezogen, als sich deren unter der Wahrheitspflicht des § 298 StGB sowie unter Diensteid gemachten zeugenschaftlichen Aussagen im Lichte des Videofilms als schlüssig und nachvollziehbar und damit glaubwürdig erwiesen. Nicht nachvollzogen werden konnte hingegen die Behauptung der Rechtsmittelwerberin, sie sei "ursprünglich" mit etwa 70 km/h gefahren, dann aber unter Lebensgefahr zum Beschleunigen "genötigt" worden. Der Videofilm läßt eindeutig erkennen, daß durch den BeschuldigtenPKW ab dem Überholen des Gendarmeriefahrzeuges eine Beschleunigung erfolgte, die erst durch die Geschwindigkeitsbeschränkung eine geringfügige, wenn auch bei weitem nicht ausreichende Abschwächung erfuhr. Eine Geschwindigkeit von 70 km/h wurde auf dem relevanten Abschnitt der B vom BeschuldigtenPKW nie eingehalten; allerdings hat die Rechtsmittelwerberin die von ihr dem Wort "ursprünglich" beigemessene Bedeutung nicht dargelegt. Ebensowenig konnte eine Besonderheit in der Fahrweise des Zeugen RI P festgestellt werden, die auf eine behauptete Alkoholbeeinträchtigung hingedeutet hätte. Am Rande ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß die Verwendung eines Reinigungsmittels im Wasser der Scheibenwaschanlage eines Gendarmeriefahrzeuges, das bei allen Wetterbedingungen unterwegs ist, durchaus nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des täglichen Lebens steht, wobei üblicherweise solche Mittel mit Alkohol versetzten Salmiak enthalten, der dann auch im Fahrzeuginneren übelriechend aber nachhaltig in Erscheinung treten kann. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Gemäß § 52a Z10a StVO 1960 zeigt das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, daß das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Grundlage für die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung ist die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 29. April 1996, VerkR-139-1996/Ba/WP. Laut dieser wurden auf Grund des Ergebnisses eines am 25. April 1996 durchgeführten Ortsaugenscheins aus Gründen der Verkehrssicherheit im Bereich der Zufahrt zur Autobahnbaustelle "L Nord" bis zum Abschluß der Bauarbeiten für die P-Bundesstraße B im Gemeindegebiet S gemäß §§ 43 Abs.1 lit.b und 44 Abs.1 StVO 1960 vorübergehende Verkehrsbeschränkungen verfügt, und zwar für den Verkehr im Sinn der Kilometrierung von Strkm 55,914 bis 55,966 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h, von Strkm 55,966 bis 56,172 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h, von Strkm 55,966 bis 56,172 ein Überholverbot und für den Verkehr entgegen der Kilometrierung von Strkm 56,344 bis 56,265 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h, von Strkm 56,344 bis 56,966 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h, von Strkm 56,25 bis 55,966 ein Überholverbot. Ausdrücklich wurde die Geltung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h und der Überholverbote für jene Zeiten verordnet, in denen ein Zulieferbetrieb von Baumaterial zur Baustelle erfolgt. Aus dem Videofilm läßt sich ersehen, daß im gegenständlichen Fall von der Rechtsmittelwerberin die Straßenstelle im Sinne der Kilometrierung befahren wurde, sodaß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von Strkm 55,914 bis 55,966 70 km/h und von Strkm 55,966 bis 56,172 50 km/h betrug. Aus dem Videofilm ergeben sich keine Hinweise auf eine eventuelle fehlerhafte Kundmachung und wurde eine solche nicht behauptet. Der Beschuldigtenvertreter hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsfeststellung des BeschuldigtenPKW sei die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h nicht in Kraft gewesen, weil konkret kein Zulieferbetrieb von Baumaterial zur Baustelle erfolgt sei. Es hätte daher auch das bei Strkm 55,966 ersichtliche Vorschriftszeichen gemäß § 52a Z10a StVO 1960 entfernt bzw weggedreht bzw erkennbar außer Geltung gesetzt sein müssen. Vonseiten des unabhängigen Verwaltungssenates ist zunächst festzuhalten, daß auf dem Videofilm ersichtlich ist, daß zum Zeitpunkt, als der BeschuldigtenPKW die Baustellenzufahrt passierte, kein der Baustelle zuzurechnender LKW diese befuhr. Allerdings ist am Beginn der Brücke im Gegenverkehr ein den Beschuldigten-PKW abwartender, (in seiner Fahrtrichtung) nach links blinkender LKW mit der Aufschrift "K" an der Frontseite erkennbar, der offensichtlich Richtung Baustelle fuhr. Eine Ladung ist nicht zu erkennen, allerdings ist aufgrund der Bauart des LKW, insbesondere den hohen Bordwänden, davon auszugehen, daß dieser für den Transport von Aushubmaterial eingesetzt wurde. Im Film ist auch ersichtlich, daß nach dem Ende der Brücke der Rechtsmittelwerberin ein weiterer solcher LKW eines anderen Unternehmens in gleicher Bauart entgegenkam. Damit ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates zweifelsfrei davon auszugehen, daß zum Übertretungszeitpunkt an der Baustelle gearbeitet wurde und Transporte von Aushubmaterial stattfanden. Dem Argument des Parteienvertreters, der Vorfall habe sich nicht zu einer Zeit ereignet, zu der "ein Zulieferbetrieb von Baumaterial zur Baustelle" erfolgt sei, weil hier höchstens Aushub- und nicht Baumaterial transportiert worden sei und außerdem das Wegbringen von Erde nicht als "Zulieferbetrieb" angesehen werden könne, vermag der unabhängige Verwaltungssenat nicht beizutreten, weil die vorliegende Verordnung in erster Linie die Regelung des üblicherweise auf einer Baustelle zu erwartenden LKW-Verkehrs zum Ziel hatte und nicht die penible Aufzählung von einzelnen Arbeitsgängen im Zuge der Errichtung des Autobahntunnels. Unter "Zulieferbetrieb von Baumaterial zur Baustelle" ist daher sowohl die Anlieferung von Beton, Geräten uä zu verstehen wie auch das Abtransportieren von beim Tunnelbau anfallenden Erd- und Gesteinsmassen; abgesehen davon wurde das Aushubmaterial für die Aufschüttung am anderen Tunnelende, also ebenfalls auf derselben Baustelle, verwendet und kann daher als "Baumaterial" angesehen werden. Aus diesen Überlegungen vermag der unabhängige Verwaltungssenat die Ansicht des Parteienvertreters, die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h sei zum Vorfallszeitpunkt nicht in Geltung gestanden, nicht zu teilen.

Auf der Grundlage des Beweisverfahrens ist daher als erwiesen anzunehmen, daß die Rechtsmittelwerberin bei Strkm 56,000 der B, der innerhalb des Bereichs der Geschwindigkeitsbeschränkung 50 km/h liegt, eine Geschwindigkeit von 92 km/h eingehalten hat. Sie hat daher den ihr in nunmehr gemäß § 44a Z1 VStG abgeänderter Form umschriebenen Tatbestand erfüllt. Es ist ihr auch nicht gelungen, im Sinne des § 5 Abs.1 VStG glaubhaft zu machen, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf, sodaß sie ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. Zur Strafbemessung ist auszuführen: Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 reicht bis 10.000 S Geldstrafe bzw im Nichteinbringungsfall bis zu 2 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Aus der Begründung des Straferkenntnisses geht hervor, daß die Erstinstanz keinen Umstand als mildernd, jedoch das Ausmaß des Verschuldens als straferschwerend gewertet hat. Aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt lassen sich jedoch keine Vormerkungen ersehen, sodaß im Zweifel von der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin auszugehen ist, die als strafmildernder Umstand zu berücksichtigen ist. Erschwerend hingegen ist das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, nämlich immerhin 42 km/h. Eine derartige Mißachtung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit läßt darauf schließen, daß die - gut sichtbar angebrachten - Verkehrszeichen nicht einfach übersehen wurden, und deutet eher auf eine Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit der Rechtsmittelwerberin im Hinblick auf die Einhaltung solcher Beschränkungen hin. In diesem Zusammenhang ist daher bereits dolus eventualis, dh vorsätzliche Begehung - gemäß § 5 Abs.1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet - anzunehmen. Aber auch die Uneinsichtigkeit der Rechtsmittelwerberin, die darin gipfelte, daß in Ermangelung anderer Möglichkeiten sofort beide Gendarmeriebeamte der Alkoholisierung bezichtigt wurden, sei es, um ihre speziellen Fähigkeiten zur Bedienung technischer Geräte, ihre generelle Dispositionsfähigkeit oder sogar ihre gesellschaftliche Stellung ins Lächerliche zu ziehen oder um eine vermeintliche Überlegenheit einer Angehörigen des Adels zu dokumentieren, ist als straferschwerender Umstand zu berücksichtigen. Die festgesetzte Strafe ist unter Bedachtnahme auf den erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung sowie die oben angeführten Milderungs- und Erschwerungsgründe sehr niedrig bemessen, wobei auch die geringfügige Einschränkung des Tatvorwurfs ebenso wie die behaupteten, im übrigen jedoch unglaubwürdigen und durch nichts belegten Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine Herabsetzung der Strafe nicht zu rechtfertigen vermögen. Außerdem ist anzunehmen, daß die Bezahlung einer Strafe in dieser Höhe weder den Unterhalt der Rechtsmittelwerberin noch eventueller von dieser abhängiger Personen zu gefährden imstande ist. Die verhängte Strafe hält auch generalpräventiven Überlegungen stand und soll die Rechtsmittelwerberin dazu anhalten, zumindest die auf österreichischen Straßen geltenden Geschwindigkeitsbestimmungen in Hinkunft genau einzuhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Die Vollmacht an den österreichischen Beschuldigtenvertreter bestand für das Berufungsverfahren und wurde die von ihm beantragte Zusendung der Berufungsentscheidung bereits vorgenommen. Gleichzeitig wird die beiliegende Videokassette mit dem Ersuchen um Rückgabe an die Autobahngendarmerie Klaus übermittelt.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung: Beweisverfahren (Video und Sachverständigengutachten) ergab Schlüssigkeit des Tatvorwurfs mit Toleranzabzug (Geschwindigkeitsüberschreitung); Einhaltung von 92 statt erlaubten 50 km/h rechtfertigt Strafe von 3.000 S (Unbescholtenheit, aber Ausmaß der Übertretung mit Uneinsichtigkeit, vorsätzliche Begehung, günstiges Einkommen).

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VfGH vom 25.09.2000, Zl.: B 931/99.

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VwGH vom 15.12.2000, Zl.: 2000/02/0290

 

 

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