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des Landes Oberösterreich
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VwSen-104998/2/WEG/Ri

Linz, 31.08.1998

VwSen-104998/2/WEG/Ri Linz, am 31. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung der D K, vertreten durch Rechtsanwalt T G, vom 25. September 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft K vom 9. September 1997, VerkR96-4384-1997 Sö, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Zusätzlich zu den Verfahrenskosten vor der ersten Instanz hat die Berufungswerberin als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 120 S (20% der verhängten Geldstrafe) zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm. § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 und § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft K hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs.2 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 600 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil diese als Zulassungsbesitzerin des Pkws mit dem Kennzeichen R der Behörde auf deren schriftliches Verlangen vom 24. April 1997 nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt hat, wer dieses Kraftfahrzeug am 16. Jänner 1997 um 12.10 Uhr in W, Pautobahn A, km, in Fahrtrichtung K gelenkt hat. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 60 S in Vorschreibung gebracht.

Dagegen wendet die rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin rechtzeitig und auch zulässig sinngemäß ein, sie sei weder nach deutschem noch nach österreichischem Recht verpflichtet ein Fahrtenbuch zu führen und es sei einem gewöhnlichen Menschen ohne besondere Erinnerungsbrücken nicht möglich, sich über so lange Zeiträume zurückzuerinnern. Im übrigen habe für die Berufungswerberin die Unmöglichkeit einer Auskunftserteilung auch darin bestanden, daß es sich beim verfahrensgegenständlichen Fahrzeug um ein Firmenfahrzeug gehandelt habe, welches von zahlreichen Benutzern gefahren werde. Die Berufungswerberin betreibe eine Arbeitsvermittlungsfirma, wobei den wechselnden Mitarbeitern dieses Fahrzeug jeweils zur Verfügung gestanden habe. Es wäre allenfalls zufällig rekonstruierbar, wer das Fahrzeug benutzt hat. Hiezu komme, daß nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der Berufungswerberin das Fahrzeug überhaupt nicht in Österreich war und die Berufungswerberin bei der Nichtbeantwortung der Anfrage davon ausgegangen sei, daß ein Ablesefehler oder Irrtum vorliege. Dies sei auch jetzt immer noch nicht ausgeschlossen. Für das Nichtbefolgen eines unmöglichen Verlangens könne aber keine Strafe ausgesprochen werden. Im übrigen sei die Berufungswerberin nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten, was aber nicht bedeute, daß sie selbst das Fahrzeug gesteuert habe. Die Berufungswerberin brauche vielmehr überhaupt keine Angaben über die Art und Weise der Fahrzeugnutzung machen. Dies müsse sie nur als Zeugin in einem förmlichen Verfahren, wenn die jeweilige gesetzmäßige Verfahrensordnung dies so vorsehe. Das Straferkenntnis verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Schon im Einspruch gegen die Strafverfügung wurde vorgebracht, daß das Fahrzeug seit der Zulassung nicht in Österreich gewesen sei. Es liege höchstwahrscheinlich ein Ablesefehler beim Kennzeichen vor. Dabei wurde ersucht, etwaige Beweisdokumente (Fotos etc.) zur Kenntnis zu bringen. Die Beschuldigte müßte nämlich dann der Frage nachgehen, ob einer der bei ihr beschäftigten Arbeiter sich womöglich unerlaubt im Ausland befunden hat. Der Tatvorwurf, nämlich als Zulassungsbesitzerin der Behörde auf Verlangen nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt zu haben, wer das genannte Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt bzw abgestellt hat, sei nach deutschem Recht nicht strafbar. Eine Vorschrift, die einen Beschuldigten zwingen kann, sich selbst zu belasten, widerspreche auch elementarsten Grundsätzen rechtsstaatlicher Prinzipien oder anders formuliert rechtsstaatlicher Minimalanforderungen. Wenn dies in der Republik Österreich anders geregelt sein sollte, dürfte eine entsprechende Vorgehensweise vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht die geringste Chance auf Bestand haben.

Zur Aktenlage:

Es ist sicher und diesbezüglich geben die nunmehr beigeschlossenen Lichtbilder Aufschluß, daß das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am 16. Jänner 1997 um 12.10 Uhr auf der Pautobahn A unterwegs war und bei Kilometer die dort verordnete Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (nach Abzug der Verkehrsfehlergrenze) um 20 km/h überschritten wurde.

Das Auskunftsbegehren der Bezirkshauptmannschaft K war rechtmäßig und zwar nach den österreichischen Rechtsvorschriften, da es sich bei der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 um eine solche handelt, die im Verfassungsrang steht. Daß eine derart unbedeutende Gesetzesbestimmung in den Verfassungsrang gehoben wird, liegt in den auch vom Berufungswerber vorgebrachten Gründen betreffend Selbstbezichtigung oder Bezichtigung naher Familienangehöriger. Eine Verfassungsbestimmung kann nämlich nicht verfassungswidrig sein.

Das Lenkerauskunftsbegehren wurde damit beantwortet, daß ein Frontfoto des Autos mit Fahrer begehrt wurde, da die Zulassungsbesitzerin selbst gerne wissen wollte, wer mit diesem Auto in Österreich gewesen ist. In der Folge erging sofort die Strafverfügung wegen Verletzung dieser Auskunftspflicht, ohne der Berufungswerberin etwa ein Foto zugesendet zu haben.

Diese Strafverfügung wurde mit dem schon oben angeführten Einspruch außer Kraft gesetzt und in diesem Einspruch noch einmal begehrt, Beweismaterial über die Anwesenheit des Fahrzeuges in Österreich zur Kenntnis zu bringen. Die Behörde hat jedoch diesen Antrag negiert und im Rechtshilfeweg versucht, den Gatten der Beschuldigten als Zeuge zu vernehmen. Eine Vernehmung allerdings erfolgte nicht, weil der Zeuge vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte.

Das Straferkenntnis selbst ist nicht anders begründet wie viele andere dieser Art auch, daß nämlich kein Recht besteht, die von der Behörde verlangte Auskunft nicht zu beantworten. Wenn bei der Strafbemessung auf die Bestimmungen des § 9 VStG Rücksicht genommen wurde, so liegt hinsichtlich der Zitierung der Gesetzesstelle ein offensichtlicher Irrtum vor, handelt es sich doch bei der diesbezüglichen Bestimmung um die des § 19 VStG.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat über das Berufungsvorbringen wie folgt erwogen:

Es sei vorweggenommen, die Rechtslage in Österreich ist restriktiv und darauf aufbauend auch die Vollzugspraxis. Die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 mußte - wie erwähnt - deshalb in den Verfassungsrang erhoben werden, weil die Verpflichtung zur Selbstbezichtigung der österreichischen Verfassungslage widersprach, sodaß - um eine Überprüfung auf die Verfassungsmäßigkeit hintanzuhalten - eben diese Bestimmung auch in den Verfassungsrang gehoben wurde. Ob dieser gesetzgeberische Kniff (im übrigen einer von vielen ähnlichen) den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention standhält, ist noch nicht endgültig beantwortet.

Während vor dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156, Verfahren wie das gegenständliche kaum geführt wurden, weil entsprechend der bis dahin bestehenden Tatortfiktion Tatort jener Ort war, an welchem die falsche Auskunft erteilt wurde oder wo sie hätte erteilt werden müssen, womit letztlich nach dem Territorialitätsprinzip deutsches Recht zur Anwendung gelangte, ist seither österreichisches Recht anzuwenden, weil in diesem Erkenntnis klargestellt wurde, daß der Tatort im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft K liegt.

Die seither ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes haben die Auskunftspflicht auch für ausländische Staatsbürger noch verstärkt und es wurde ausgeformt, daß das Einbringen eines PKWs (offenbar von wem auch immer) als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des österreichischen Rechtes ausreicht. Dieser höchstgerichtlichen Meinung müssen sich letztlich die Vollzugsbehörden (auch der unabhängige Verwaltungssenat gehört dazu) beugen.

Daß in den meisten deutschen Ländern die von österreichischen Behörden wegen Verletzung des § 103 Abs.2 KFG 1967 verhängten Strafen nicht exekutiert werden, mag die Antwort auf die in Deutschland nicht verstandene österreichische Rechtslage sein. Es ist bekannt, daß in der Bundesrepublik Deutschland eine ähnliche Bestimmung nicht existiert und es dort nicht die Verpflichtung gibt, sich selbst oder nahe Angehörige einer strafbaren Tat zu bezichtigen.

Dessen ungeachtet mußte in diesem Erkenntnis - weil der Oö. Verwaltungssenat die österreichischen Gesetze anzuwenden hat - der von der Bezirkshauptmannschaft K angelastete Tatvorwurf samt dem Strafausspruch bestätigt werden, wobei zusätzlich noch ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren (20% der verhängten Geldstrafe) vorzuschreiben war.

Ob die gegenständliche Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskonvention zuwiderläuft oder nicht, kann nur durch eine Anrufung der Straßburger Instanzen geklärt werden.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Wegschaider

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