Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105146/14/Sch/Rd

Linz, 18.09.1998

VwSen-105146/14/Sch/Rd Linz, am 18. September 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Ing. H vom 4. Dezember 1997, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 18. November 1997, VerkR96-1909-1997/Mr, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsver-handlung am 8. Juli 1998 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 2 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren eingestellt. Im übrigen (Faktum 1) wird die Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis bestätigt.

II. Hinsichtlich des stattgebenden Teils der Berufungsentscheidung entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge. Bezüglich Faktum 1 ist als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren der Betrag von 400 S (20 % der Geldstrafe) zu leisten. Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 19 und 45 Abs.1 Z1 VStG. zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Straferkenntnis vom 18. November 1997, VerkR96-1909-1997/Mr, über Herrn Ing. H, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 4 Abs.5 StVO 1960 und 2) § 5 Abs.1 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 2.000 S und 2) 10.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) drei Tagen und 2) neun Tagen verhängt, weil er am 2. Februar 1997 gegen 12.20 Uhr im Ortsgebiet von Leonding auf der Gaumbergstraße nächst Haus Nr. von Linz-Keferfeld kommend in Richtung Leonding Stadtmitte den PKW mit dem Kennzeichen gelenkt habe, wobei er 1) nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, es unterlassen habe, ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben sei, und 2) sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 1.200 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Zu Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses (Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960): Einleitend ist zu der vom Berufungswerber wiederholt vorgebrachten angeblichen Schocksituation, in der er sich nach dem Verkehrsunfall befunden habe, zu bemerken, daß zu dieser Frage eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Ein sogenannter "Unfallschock" kann nur in besonders gelagerten Fällen und bei einer gravierenden psychischen Ausnahmesituation das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen. Einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallbeteiligten ist trotz eines sogenannten "Unfallschocks" (manchmal auch als "Unfallschreck" zitiert) in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, zumal von einem Kraftfahrer, welcher die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schock (Schreck) über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (VwGH 29.1.1987, 86/02/0132 uva).

Ohne Zweifel kann dem Berufungswerber zugebilligt werden, daß er nach dem Verkehrsunfall erschrocken und betroffen war. Das von ihm anschließend gesetzte Handeln läßt aber einen "Schockzustand" im medizinischen Sinne nicht annehmen. Immerhin hat er sich nach dem Unfall zu Fuß nach Hause begeben, nach eigenen Angaben ist dafür ein Zeitraum von etwa 8 Minuten erforderlich. Dort habe er seine Gattin vom Vorfall informiert und zur Beruhigung Bier und Grappa konsumiert. Danach sei er mit seiner Gattin an die Unfallstelle zurückgekehrt. Ein solches zielgerichtetes Handeln kann nach Ansicht der Berufungsbehörde von einer Person, die sich in einem Schockzustand befindet - ein solcher ist nach in ähnlichen Verfahren abgegebenen gutachtlichen Stellungnahmen von medizinischen Sachverständigen lebensbedrohlich - nicht an den Tag gelegt werden. Von einer Unzurechnungsfähigkeit des Berufungswerbers im Sinne des § 3 Abs.1 VStG konnte daher nicht ausgegangen werden.

Ausgehend von dieser Sachlage war es dem Berufungswerber zuzumuten, die nächstgelegene Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Unter "ohne unnötigen Aufschub" kann nur verstanden werden, daß die Meldung über einen Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, nach Durchführung der am Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw nach vergeblichem Versuch des Identitätsnachweises zu erfolgen hat (VwGH 12.11.1970, 1771/79).

Der Berufungswerber hat nach der Beweislage nach dem Verkehrsunfall keine Initiativen gesetzt, eine Verständigung der nächstgelegenen Gendarmeriedienststelle herbeizuführen. Sein primäres Bestreben war, sich nach Hause zu begeben. Wenngleich zwischenzeitig durch eine dritte Person die Verständigung der Exekutive erfolgt ist, so kann dieser Umstand nicht auf das Bestreben des Berufungswerbers zurückgeführt werden, kann ihm also nicht im Sinne der Einschaltung eines Boten zugutegehalten werden.

Anläßlich der eingangs erwähnten Berufungsverhandlung wurde der Zeitraum zwischen Unfallzeitpunkt und dem Wiedereinlangen des Rechtsmittelwerbers an der Unfallstelle mit etwa 25 Minuten ermittelt. In diesem Zeitraum hat er keinen Versuch zur Verständigung der Gendarmerie unternommen; die Aufforderung an die Gattin, das Handy mitzunehmen, kann nicht in diesem Sinne umgedeutet werden. Zusammenfassend ergibt sich daher in diesem Punkt, daß es dem Berufungswerber nicht gelungen ist, den diesbezüglichen Tatvorwurf zu entkräften.

Zu Faktum 2 (Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960): Die Berufungsbehörde geht nach dem abgeführten Beweisverfahren davon aus, daß der Berufungswerber nach dem Verkehrsunfall tatsächlich einen Nachtrunk getätigt hat. Dafür spricht zum einen die Tatsache, daß er bereits gegenüber der erhebenden Gendarmerie entsprechende Angaben gemacht hat, die ihn in diesem Punkt weitgehend glaubwürdig erscheinen lassen. Auch wurden seine Angaben von seiner zeugenschaftlich einvernommenen Gattin im großen und ganzen bestätigt.

Zur Trinkverantwortung des Berufungswerbers als Gesamtes ist auszuführen:

Vor dem Vorfallszeitpunkt hat der Berufungswerber nach seinen Angaben eine Halbe und ein Seidel Bier getrunken. Der Unfall ereignete sich etwa um 12.20 Uhr, der Bierkonsum erstreckte sich nach seinen Angaben bei der Berufungsverhandlung auf einen Zeitraum von etwa 10.00 Uhr bis 11.30 Uhr. Um 13.13 Uhr wurde beim Berufungswerber eine Atemluftalkoholkonzentration von 0,48 mg/l gemessen. Es kann ohne weiteres die Aussage getroffen werden, daß die dadurch aufgenommene Alkoholmenge zum Meßzeitpunkt faktisch abgebaut und damit für das Meßergebnis unerheblich war. Dieses, wie bereits angeführt, im Ausmaß von 0,48 mg/l müßte daher alleine durch den Nachtrunk bewirkt worden sein, was nicht schlüssig ist. Die Verantwortung des Berufungswerbers ist im übrigen nicht durchgehend gleich. Die konsumierte Nachtrunk-Biermenge variiert etwa, da bisweilen von einer verschütteten Menge die Rede ist, auch hinsichtlich des Grappa sind die Angaben des Berufungswerbers nicht sehr genau. Geht man im Hinblick auf den Nachtrunk von seinen Angaben bei der Berufungsverhandlung aus, so hat er von einer Bierflasche mindestens 2/3 des Inhaltes konsumiert und einen Mundvoll Grappa mit einem Alkoholgehalt von etwa 40 bis 50 %. Er hat die konsumierte Grappamenge als "geringfügig" bezeichnet, der von ihm aus der Flasche genossene Zug sei wesentlich weniger als landläufig unter einem Zug aus einer Bierflasche zu verstehen sei. Er hat diese Menge mit jener, die etwa ein "Stamperl" enthält, verglichen. Diese Alkoholmenge vermag jedoch bei weitem nicht die letztlich gemessene Atemluftalkoholkonzentration zu erklären. Diese Ansicht wurde im übrigen auch vom Berufungswerber bei der Verhandlung zum Ausdruck gebracht, wo er sich das Meßergebnis mit Restalkohol im Mund zu erklären versucht hat. Für die Annahme einer Fehlmessung des verwendeten Alkomaten liegen aber keinerlei Anhaltspunkte vor. Der Konsum des Nachtrunks war nach der Beweislage etwa um 12.45 Uhr beendet, die Messung erfolgte um 13.13 Uhr bzw 13.14 Uhr. Der Zeitraum zwischen Abschluß des Alkoholkonsums und Messung ist daher bei weitem hinreichend, um ein verläßliches Meßergebnis zu bewirken. Abgesehen davon liegt ein absolut nachvollziehbarer Ausdruck des Alkomaten vor, wonach im Abstand von einer Minute zwei Meßergebnisse zustandegekommen sind, die nur äußerst geringfügig differieren. Hinweise auf Fehlmessungen bzw Erroranzeigen - eine solche hätte es bei Restalkohol im Mund gegeben - liegen nicht vor. Das Gerät hat die Messungen mit dem Vermerk "verwertbar" ausgedruckt.

Diese Erwägungen vermochten letztlich dennoch nicht zu einem Schuldspruch zu führen. Nach der Bestimmung des § 5 Abs.1 StVO 1960 gilt eine Person bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt. Die entscheidungsrelevante Frage ist daher, ob dem Berufungswerber ein solcher Alkoholwert bezogen auf den Lenkzeitpunkt nachzuweisen war oder nicht. Die Berufungsbehörde hatte nach der ihr sich darstellenden Beweislage, insbesondere nach den Angaben des Berufungswerbers und seiner Gattin anläßlich der eingangs erwähnten Berufungsverhandlung, davon auszugehen, daß der - grundsätzlich schon ab der Amtshandlung immer behauptete - Nachtrunk auch stattgefunden hat. Selbst wenn bei Zeugenaussagen von Familienangehörigen eines Beschuldigten häufig der Verdacht von "Gefälligkeitsangaben" gerechtfertigt ist, so hatte die Berufungsbehörde im vorliegenden Fall mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht davon auszugehen, daß solche vorliegen. Die Gattin des Berufungswerbers hat bei ihrer Einvernahme im großen und ganzen einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen, sodaß die Annahme, sie hätte aus Gefälligkeit die gerichtlichen Folgen einer falschen Zeugenaussage vor einer Verwaltungsbehörde auf sich genommen, letztlich nicht hinreichend gerechtfertigt ist.

Bringt man also ausgehend von einem auf Blutalkoholkonzentration umgerechneten Atemluftalkoholwert von 0,48 mg/l den Nachtrunk in Abzug, so errechnet sich ein Wert unter 0,8 Promille bzw ist das Erreichen oder Überschreiten dieses gesetzlichen Wertes nicht mit einer ein verurteilendes Erkenntnis rechtfertigenden Sicherheit nachweisbar (die entsprechenden Rückrechnungen wurden im Rahmen des Berufungsverfahrens unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Berufungsverhandlung von einer medizinischen Amtssachverständigen durchgeführt und in Form eines Aktengutachtens festgehalten). Zur Strafzumessung zu Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses ist zu bemerken:

Der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 ist ein mehrfacher. Insbesondere sollen hiedurch mögliche weitergehende Folgen eines Verkehrsunfalles hintangehalten, die Ursachen eines solchen möglichst umgehend ermittelt werden können, aber auch soll ein Unfallgeschädigter in die Lage versetzt werden, ohne unverhältnismäßigen Aufwand davon Kenntnis zu erlangen, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregulierung auseinanderzusetzen haben wird. Der Unrechtsgehalt von Übertretungen des § 4 StVO 1960 muß daher als erheblich angesehen werden, worauf bei der Strafbemessung anhand der Kriterien des § 19 Abs.1 VStG Bedacht zu nehmen ist. Die von der Erstbehörde festgesetzte Geldstrafe kann angesichts der obigen Erwägungen keinesfalls als überhöht angesehen werden. Auch wurde der Milderungsgrund der Unbescholtenheit des Berufungswerbers berücksichtigt.

Seine persönlichen Verhältnisse lassen erwarten, daß er zur Bezahlung der Geldstrafe ohne weiteres in der Lage sein wird, wobei, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis verwiesen wird. Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

S c h ö n

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