Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105235/13/Sch/Rd

Linz, 19.05.1998

VwSen-105235/13/Sch/Rd Linz, am 19. Mai 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des L vom 2. Februar 1998, vertreten durch die Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 19. Jänner 1998, VerkR96-1617-1996-Mg/Atz, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 15. Mai 1998 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, dieses in diesem Punkt behoben und das Verfahren eingestellt. Die zu Faktum 1 verhängte Geldstrafe wird auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt; im übrigen wird die Berufung abgewiesen. II. Insoweit der Berufung gänzlich Folge gegeben wird (Faktum 2), entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge. Der Kostenbeitrag erster Instanz hinsichtlich Faktum 1 des Straferkenntnisses ermäßigt sich auf 100 S.

Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 19 und 45 Abs.1 Z2 VStG. zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit Straferkenntnis vom 19. Jänner 1998, VerkR96-1617-1996-Mg/Atz, über Herrn L, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 und 2) § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.500 S und 2) 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 50 Stunden und 2) 102 Stunden verhängt, weil er am 8. Mai 1996 um ca. 11.20 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen in Eferding auf der Bundesstraße 129 im Bereich Ledererstraße 5 bis 7 Richtung stadteinwärts gelenkt habe, und 1) dabei ein in gleicher Richtung langsam fahrendes mehrspuriges Straßenreinigungsgerät vor einer unübersichtlichen Rechtskurve überholt habe und 2) nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 450 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Zum stattgebenden Teil der Berufung (Faktum 2): Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Anläßlich der oa Berufungsverhandlung wurde der Geschehnisablauf iZm dem dem Berufungswerber gleichfalls zur Last gelegten Überholdelikt, dem verursachten Verkehrsunfall und dem anschließenden Verhalten des Genannten ermittelt. Dabei gab es widersprüchliche Aussagen zwischen dem Berufungswerber und dem als Zeugen vernommenen damaligen zweitbeteiligten Unfallenker. Während Letztgenannter angab, der Berufungswerber habe nach dem Zusammenstoß im wesentlichen nicht reagiert, sondern habe sich in einer langsam fahrenden Kolonne von der Unfallstelle wegbewegt, hat der Berufungswerber angegeben, sofort nach dem Verkehrsunfall angehalten zu haben. In der Folge sei er ausgestiegen und habe mit dem Zweitbeteiligten die Unfallfolgen bzw die Notwendigkeit der Verständigung der Gendarmerie erörtert. Dann habe er sein Fahrzeug eine kurze Strecke von der Unfallstelle weggelenkt, um noch weitergehende Verkehrsbehinderungen, als sie ohnedies schon eingetreten waren, hintanzuhalten. Es sei klargewesen, daß dies mit Einverständnis des Zeugen erfolgte und er sich dann sofort zu Fuß wieder zur Unfallstelle zurückbegeben würde.

Der Berufungswerber hat mit seinen Schilderungen einen glaubwürdigeren Eindruck hinterlassen, als der erwähnte Zeuge. Dies insbesondere deshalb, da der Berufungswerber anläßlich der oa Verhandlung seine schon im erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren getätigten Aussagen wiederholte, während die Angaben des Zeugen diesbezüglich nicht widerspruchsfrei waren. Angesichts der mit ihm vom GPK Eferding aufgenommenen Niederschrift vom 8. Mai 1996 hat er angegeben, der Berufungswerber sei vorerst ohne anzuhalten weitergefahren, dann jedoch stehengeblieben und habe sich nach dem Vorfall erkundigt. Auch bei der Berufungsverhandlung hat der Zeuge in etwa diese Schilderung des Verhaltens des Berufungswerbers nach dem Unfall abgegeben, wobei der Anhalteort als wenige Meter nach dem Unfallort geschildert wurde. Demgegenüber enthält die erstbehördliche Niederschrift vom 22. Oktober 1996 allerdings die Angaben des Zeugen, der Berufungswerber sei etwa 100 m weiter bis zu einer ampelgeregelten Kreuzung gefahren, wo er aufgrund des Rotlichtes zum Anhalten gezwungen gewesen sei. Dort habe ihn der Zeuge "zur Rede gestellt".

Die Berufungsbehörde ist unter Bedachtnahme auf die widersprüchlichen Angaben des Zeugen, den von Anfang an gleichlautenden Schilderungen des Berufungswerbers und nicht zuletzt aufgrund des bei der Verhandlung entstandenen Eindrucks seiner Glaubwürdigkeit zu dem Schluß gekommen, daß er sofort nach dem Verkehrsunfall angehalten hat und auch mit dem unfallbeteiligten Lenker in Kontakt getreten ist. Damit hat er seiner Verpflichtung gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 genüge getan. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, 88/18/0036, ausgesprochen, daß ein Unfallbeteiligter seinem Anhaltegebot selbst dann noch nachgekommen ist, wenn er das KFZ anhält, aussteigt, um nachzusehen, ob es beschädigt ist, und den zweitbeteiligten Lenker auffordert, bei seinem Fahrzeug ebenfalls nach Unfallschäden Nachschau zu halten, aber danach, ohne das Ergebnis dieser Nachschau abzuwarten, den Unfallort verläßt. Er hat dadurch die für die Einleitung der weiteren im § 4 StVO 1960 vorgesehenen Maßnahmen erforderlichen Schritte gesetzt.

Wenn also, wie im vorliegenden Fall, ein Fahrzeuglenker anhält, aus dem Fahrzeug aussteigt und mit dem Zweitbeteiligten die Unfallfolgen erörtert, so hat er damit die erforderlichen Schritte für die weiteren Maßnahmen gesetzt. Es kann ihm daher nicht zum Nachteil gereichen, wenn er, um schon eingetretene Verkehrsbeeinträchtigungen nicht noch weiter zu vergrößern, sein Fahrzeug ein relativ kurzes Stück von der Unfallstelle weglenkt, um dann sofort wieder dorthin zurückzukehren.

Zur Übertretung des § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 ist auszuführen, daß der Berufungswerber selbst - im Gegensatz zum Zeugen bei der Berufungsverhandlung - ausgeführt hat, daß er an der Tatörtlichkeit zwei Fahrzeuge, eines davon ein Straßenreinigungsfahrzeug, überholen wollte. Der Zeuge hat nämlich angegeben, diese beiden Fahrzeuge seien stillgestanden. Wäre von diesem Sachverhalt auszugehen gewesen, so könnte von einem übertretenen Überholverbot nicht die Rede sein (vgl. den Begriff des "Überholens" gemäß § 2 Abs.1 Z29 StVO 1960). Da aber der Berufungswerber auch in diesem Punkt schon im erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren abgegebene Sachverhaltsschilderung vor der Berufungsbehörde wiederholt hat, konnte - und hier wird auf die obigen Ausführungen verwiesen - von diesem Sachverhalt ausgegangen werden.

Der Überholvorgang konnte vom Berufungswerber allerdings nicht abgeschlossen werden, da der erwähnte Zeuge ihn mit seinem Motorrad seinerseits überholen wollte und es dadurch zu einem Anstoß des Motorrades am Fahrzeug des Berufungswerbers kam. Das Überholmanöver des Berufungswerbers hatte für sich betrachtet aber mit jenem des Zeugen nichts zu tun, weshalb in Anbetracht der Verletzung der Beifahrerin des Zeugen zwar hiefür eine Gerichtszuständigkeit gegeben war, welche aber nicht den Überholvorgang des Berufungswerbers betreffen konnte. Ihm war nämlich von der Erstbehörde das Überholen vor einer unübersichtlichen Rechtskurve zur Last gelegt worden, welcher Umstand daher aber keinen Anwendungsfall des § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960 begründen konnte. Die Tatörtlichkeit wurde von einem verkehrstechnischen Amtssachverständigen im Hinblick auf die Übersichtlichkeit iZm einem Überholvorgang begutachtet, wobei dieser schlüssig zu dem Ergebnis gekommen ist, daß von einer unübersichtlichen Rechtskurve auszugehen ist. Insbesondere wurde vom Sachverständigen darauf verwiesen, daß in Fahrtrichtung des Berufungswerbers neben dem rechtskurvigen Straßenverlauf noch beim Anwesen Ledererstraße 9 eine Gebäudekante dazukommt, die eine Sichtbeeinträchtigung auf den weiter vorne befindlichen rechten Fahrstreifen ergibt. Der Berufungswerber konnte sohin zu Beginn seines Überholmanövers den benötigten Überholweg auch unter den günstigsten Prämissen nur zu einem geringen Teil einsehen. Dieser Umstand begründet eine Übertretung des § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 (vgl. hiezu die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere VwGH 10.7.1981, 81/02/0017).

Zur Strafzumessung ist zu bemerken: Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Es kann als allgemein vorausgesetzt werden, daß vorschriftswidrige Überholmanöver in der Regel eine zumindest abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellen. Schwerste Verkehrsunfälle haben häufig die Ursache hierin. Die festgesetzte Geldstrafe in der Höhe von 1.500 S würde einer Überprüfung anhand dieser Erwägungen ohne weiteres standhalten.

Die Erstbehörde ist aber aktenwidrigerweise vom Nichtvorliegen von Milderungsgründen ausgegangen, obwohl der im Akt einliegende Ausdruck über allfällige Vormerkungen des Berufungswerbers den Vermerk "keine Vorstrafen vorhanden" aufweist. Die Unbescholtenheit eines Beschuldigten stellt einen sehr beträchtlichen Milderungsgrund dar, der in spezialpräventiver Hinsicht bei der Strafbemessung Eingang zu finden hat. Die Berufungsbehörde vertritt die Ansicht, daß angesichts dessen die Herabsetzung der Geldstrafe auf 1.000 S angebracht ist. Dem Berufungswerber wird die Bezahlung der Geldstrafe auch dann zugemutet werden können, wenn er, wie bei der Berufungsverhandlung behauptet, über ein monatliches Nettoeinkommen von 9.000 S (im erstbehördlichen Verfahren wurden keine Angaben gemacht, sodaß eine Schätzung auf 12.000 S erfolgt ist) verfügt. Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

S c h ö n

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