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des Landes Oberösterreich
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VwSen-105347/6/Le/Ha

Linz, 20.04.1998

VwSen-105347/6/Le/Ha Linz, am 20. April 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Günther F, Z 4, B, vertreten durch Rechtsanwalt DDr. Hans E, I, S, gegen den Bescheid der Bezirkshaupt-mannschaft Braunau am Inn vom 19.2.1998, VerkR96-5903-1997-Kb, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und der Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 11.11.1997 als verspätet zurückgewiesen worden war, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage: §§ 66 Abs.4 und 71 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Entscheidungsgründe:

1. Mit der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 11.11.1997, VerkR96-5903-1997-Kb, wurde der nunmehrige Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen insgesamt sieben Übertretungen des Kraftfahrgesetzes mit Geldstrafen in Höhe von insgesamt 5.500 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von insgesamt 288 Stunden) bestraft.

In der Rechtsmittelbelehrung zu dieser Strafverfügung wurde auf das Recht hingewiesen, gegen diese Strafverfügung innerhalb von zwei Wochen ab ihrer Zustellung schriftlich oder mündlich bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau Einspruch zu erheben.

Die Strafverfügung wurde lt. Rückschein am 15.11.1997 dem Bestraften persönlich zugestellt.

2. Mit Schriftsatz vom 23.12.1997, zur Post gegeben am selben Tage, stellte der nunmehrige Bw einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob Einspruch gegen die Strafverfügung. In der Begründung dazu führte er aus, daß Frau Christine M am 22.11.1997 die ihm am 17.11.1997 zugestellte Strafverfügung zum Zwecke der Erhebung eines Einspruches in die Kanzlei DDr. E gebracht hätte. Die Sekretärin der Kanzlei DDr. E, Frau Katharina S, sei beauftragt worden, den Termin für die Einspruchsfrist im Terminkalender vorzutragen. Da der Bw in der gegenständlichen Strafverfügung derselben Delikte beschuldigt worden war wie Manfred M als Kraftfahrzeughalter, sei der Termin irrtümlich nicht vorgemerkt, sondern im Akt Manfred M abgelegt worden, wo er am heutigen Tage (= 23.12.1997) vorgefunden worden sei.

Angeschlossen war eine eidesstättige Erklärung von Frau Katharina S, worin diese bestätigte, den Termin irrtümlich nicht vorgemerkt, sondern im Akt Manfred M abgelegt zu haben. Sie sei seit mehr als 10 Jahren in der Rechtsanwaltskanzlei DDr. Hans E beschäftigt und sei ihr ein derartiges Versehen noch nie passiert.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.2.1998 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und den Einspruch als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung wies sie darauf hin, daß es beim Wiedereinsetzungsantrag an der näheren Darlegung fehle, daß das Ereignis (Versäumung der Einspruchsfrist) ohne Verschulden des Rechtsanwaltes selbst eingetreten sei; darüber hinaus fehle jede Ausführung darüber, in welcher Weise denn der Rechtsanwalt selbst seiner ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflicht nachgekommen sei und warum es ihm trotz grundsätzlich gehandhabter Aufsicht im Einzelfall nicht möglich gewesen sei, das Versehen seiner Kanzleiangestellten rechtzeitig zu bemerken. Es hätte dem Rechtsanwalt auffallen müssen, daß der Termin in der Fristen-vormerkung gar nicht eingetragen war. Mit dem "Vertrauen" auf ordnungs-gemäße Vormerkung und Wahrung der Rechtsmittelfristen allein komme ein Rechtsanwalt seinen Pflichten nicht nach, sodaß insoweit ein Verschulden seinerseits vorliege, das die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließe.

4. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 16.3.1998, mit der beantragt wird, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben sowie das Strafverfahren an die Behörde erster Instanz zur Durchführung der beantragten Beweise zurückzuverweisen oder das Verfahren einzustellen. In der Begründung dazu wurde ausgeführt, daß sowohl im Einspruch als auch in der eidesstättigen Erklärung ausgeführt worden sei, daß Frau Christine M die gegenständliche Strafverfügung für Herrn Günther F zum Zwecke der Erhebung eines Einspruches in die Kanzlei DDr. E gebracht habe. Herr DDr. E habe hierauf Frau Katharina S beauftragt, den Termin für die Einbringung des Einspruches in das Fristenbuch einzutragen. Das Datum der persönlichen Zustellung wäre von Frau Christine M aufgrund der Angaben des Herrn Günther F mit 17.11.1997 mitgeteilt worden. Herr DDr. E hätte darauf vertrauen können, daß Frau S, eine äußerst zuverlässige, erfahrene Anwaltssekretärin, welche seit Jahren Fristvormerkungen ohne Beanstandung vornehme, dieser Weisung Folge leiste. Die Eintragungen ins Fristenbuch würden von Rechtsanwalt DDr. E wöchentlich zumindest einmal stichprobenweise überprüft.

Die Rechtsansicht der erstinstanzlichen Behörde, daß die Vornahme der stichprobenartigen Kontrolle für die ordentliche Verwaltung der Angestellten nicht ausreiche, sei unrichtig, da eine Kontrolle jeder Eintragung im Fristenbuch nicht erforderlich und eine stichprobenweise Überprüfung der Eintragungen im Regelfall ausreichend sei. Das Verschulden einer geeigneten langjährigen Angestellten eines Rechtsanwaltes stelle regelmäßig einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar. Im vorliegenden Fall stelle das weisungswidrige Verhalten einen Wiedereinsetzungsgrund dar, zumal keine geeigneten organisatorischen Maßnahmen unterlassen worden wären, um derartige Fehlleistungen tunlichst zu vermeiden.

Frau S hätte im gegenständlichen Fall ausdrücklich den Auftrag erhalten, diese Frist einzutragen und sie hätte die Eintragung weisungswidrig nicht durchgeführt, weil sie irriger Weise vermeinte, diese Eintragung ohnedies schon durchgeführt zu haben. Es handle sich sohin nicht um einen Organisationsfehler des Rechtsanwaltes, sondern um ein menschliches Versagen der Kanzleikraft im Einzelfalle.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

In der gegenständlichen Angelegenheit wurde festgestellt, daß die Strafverfügung vom 11.11.1997 dem nunmehrigen Bw am 15.11.1997 persönlich zugestellt wurde. Innerhalb der offenen Einspruchsfrist wurde kein Einspruch eingebracht.

Da es sich beim 15.11.1997 um einen Samstag handelte, erkundigte sich die Erstbehörde bei der Post B danach, ob RSa-Briefe auch an Samstagen zugestellt würden. Nach einem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Braunau werden RSa-Briefe in B auch samstags zugestellt. Das auf dem Rückschein angegebene Datum der Übernahme des RSa-Briefes durch Herrn F ist sohin richtigerweise der 15.11.1997.

5.2. Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist ... auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn: 1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, ...

Nach Abs.2 leg.cit. muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses ... gestellt werden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die Partei.

Nach der eingangs zitierten Gesetzesstelle des § 71 Abs.1 Z1 AVG muß die Partei glaubhaft machen, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Eine "Glaubhaftmachung" bezweckt lediglich, die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich zu machen.

Diese Glaubhaftmachung ist dem Bw bzw. seinem Rechtsvertreter im vorliegenden Fall nicht gelungen, wobei folgende Überlegungen dafür maßgebend sind:

Der Rechtsvertreter des Bw hat in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung angegeben, daß ihm Frau Christine M am 22.11.1997 die am 17.11.1997 zugestellte Strafverfügung zum Zwecke der Erhebung eines Einspruches in die Kanzlei gebracht hätte und die Sekretärin der Kanzlei DDr. E, Frau Katharina S, beauftragt worden sei, den Termin für die Einspruchsfrist im Terminkalender vorzutragen.

Der 22.11.1997 war jedoch ein Samstag! An Samstagen aber haben nach allgemeiner Lebenserfahrung Rechtsanwaltskanzleien geschlossen. Selbst dann, wenn ein Rechtsanwalt ausnahmsweise einen Termin mit einem Klienten an einem Samstag vereinbart hat, so ist regelmäßig keine Angestellte zu dieser Zeit im Büro. Daß auch Herr DDr. E an Samstagen keinen regelmäßigen Bürodienst versieht, konnte das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenates durch mehrere telefonische Anrufe am 4. April 1998 und am 18. April 1998 feststellen: Obwohl jeweils beide am Briefpapier angegebenen Telefonnummern angerufen wurden, hob niemand ab.

Wenn sich eine Partei bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung einer Begründung bedient, die mit der allgemeinen Lebenserfahrung (hier: Anwaltskanzleien sind an Samstagen nicht besetzt) nicht in Einklang steht, so hat sie einen erhöhten Erklärungsbedarf, um ihre Behauptungen glaubhaft zu machen. Wenn sie diese Begründung innerhalb der Frist des § 71 Abs.2 AVG jedoch verabsäumt, so ist es ihr nicht gelungen, die Gründe der Fristversäumung glaubhaft zu machen. Herr DDr. E hat jedoch mit keinem Wort dargetan, daß er an diesem Samstag, dem 22.11.1997, ausnahmsweise mit seiner Sekretärin Katharina S gearbeitet hat. Dazu kommt, daß im Antrag auf Wiedereinsetzung auch das Datum der Zustellung der Strafverfügung unrichtig angegeben wurde. Auch dieser Umstand schwächt die Glaubwürdigkeit der Angaben.

Es ist damit festzustellen, daß dem Bw es nicht gelungen ist, die Gründe für die Fristversäumung zur Erhebung des Einspruches gegen die Strafverfügung vom 11.11.1997 glaubhaft zu machen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Ergeht an: Beilage Dr. Leitgeb Beschlagwortung: Glaubhaftmachen; unglaubwürdiger Wiedereinsetzungsantrag

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