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VwSen-105366/17/GU/Pr

Linz, 19.08.1998

VwSen-105366/17/GU/Pr Linz, am 19. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des R. L., nachmalig vertreten durch RA Dr. E. A., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 11.2.1998, VerkR, wegen Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967, nach der am 18. August 1998 in Gegenwart der Parteien durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Hinsichtlich der Fakten 1, 2 und 3 wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Hiezu fallen keinerlei Verfahrenskosten an.

Bezüglich des Faktums 4 wird das Straferkenntnis im Schuld-, Straf- und Kosten-ausspruch bestätigt.

Diesbezüglich hat der Rechtsmittelwerber einen Beitrag von 60 S zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft hat am 11.2.1998 gegen den Rechtsmittelwerber ein Straferkenntnis erlassen, dessen Spruch lautet:

"Sie haben am 22.3.1996 um 22.55 Uhr den Pkw auf der Bundesstraße aus Richtung V. kommend in Richtung V. gelenkt und bogen in die F. Landesstraße ein Beim Abbiegen von der F.-Landesstraße in die R.straße unterließen Sie es, diese Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen.

Zwischen km 0,200 bis km 0,800 der R. Bezirksstraße überschritten Sie in Vöcklamarkt die in Ortsgebieten erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 60 km/h. Beim Linksabbiegen an der Kreuzung R. Bezirksstraße - Hauptstraße V. unterließen Sie es, diese Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen. Bei der bei der Zufahrt zur Firma A. & S. in V. durchgeführten Verkehrskontrolle wurde festgestellt, daß Sie Ihren Führerschein nicht mitführten und ihn daher über Verlangen nicht zur Überprüfung aushändigen konnten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 11 Abs.2 StVO.1960 2. § 20 Abs.2 StVO.1960 3. § 11 Abs.2 StVO.1960 4. § 102 Abs.5 lit.a KFG.1967 Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe falls diese uneinbringlich ist, gemäß § von Schilling Ersatzfreiheitsstrafe von 300,-- 12 Stunden 99 Abs.3 lit.a StVO.1960 5.000,-- 168 Stunden 99 Abs.3 lit.a StVO.1960 300,-- 12 Stunden 99 Abs.3 lit.a StVO.1960 300,-- 12 Stunden 134 Abs.1 KFG 1967 Weitere Verfügungen (z.B. Anrechnung der Vorhaft, Verfallsausspruch):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

590,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 6490,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)." In seiner dagegen erhobenen Berufung bekämpft der Rechtsmittelwerber im wesentlichen hinsichtlich des Punktes 2 des Straferkenntnisses die Beweiswürdigung. Es könne wohl nicht stimmen, daß die Übertretung auf einer Strecke von 600 m durchgehend begangen worden sein soll, obwohl die Nachfahrt im angeblich gleichbleibenden Abstand nur über eine Distanz von 200 m gedauert habe. Ferner sei es technisch undurchführbar gewesen, den Abstand des Behördenfahrzeuges einerseits konstant zu halten andererseits auf eine Größe von 30 - 40 m beschränkt zu halten.

Aufgrund der Anzeige habe zunächst der Abstand 60 m betragen, dann habe es überhaupt keinen Sichtkontakt gegeben, was auf einen beträchtlichen Abstand schließen läßt und gleich darauf hätten die Anzeiger wieder nur 30 m hinter ihm gewesen sein wollen. Angesichts der örtlichen Gegebenheit sei daher die Behauptung einer konstanten Nachfahrgeschwindigkeit zwangsläufig unmöglich.

Bezüglich des Nichtblinkens bestreitet der Rechtsmittelwerber den Tatbestand des § 11 Abs.2 StVO 1960 erfüllt zu haben. Der Gesetzestext beziehe sich auf ein vorgeschriebenes Verhalten und zwar dann, wenn dieses im Interesse anderer Verkehrsteilnehmer geboten erscheine. Er sei zur Tatzeit völlig alleine im Straßenverkehr unterwegs gewesen. Selbst das Gendarmeriefahrzeug sei weit von ihm entfernt gewesen.

Bezüglich des Nichtmitführens des Führerscheines verweist er darauf, daß er ohnedies nur unterwegs gewesen sei, um den vergessenen Führerschein aus einem von ihm vormals gelenkten LKW der Fa. A. zu holen. Es handle sich dabei im Ergebnis daher um eine bedeutungslose Tat. Aufgrund der Berufung wurde am 18. August 1998 in Gegenwart der Parteien, sowie eines Vertreters des Beschuldigten, die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen in eine Verordnung betreffend die Festlegung des Ortsgebietes im Bereich des Tatortes eingesehen, das Vorstrafenverzeichnis des Rechtsmittelwerbers zur Erörterung gestellt und ein Gutachten eines verkehrs- und Kfz-technischen Amtssachverständigen vor Ort eingeholt.

Daraufhin verzichteten die Parteien auf weitere Beweisaufnahmen.

Unbestritten ist, daß der Rechtsmittelwerber anläßlich seiner Anhaltung am 22.3.1996 durch Gendarmerieorgane nach einer Fahrt zur Fa. A. & S. in V. auf der Zufahrt zur letztgenannten Firma den Führerschein nicht mitführte und nach Verlangen zunächst nicht aushändigen konnte, sondern diesen erst aus einem auf dem Firmengelände befindlichen LKW holen mußte.

Damit hat er aber die im § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967 gebotene (Sorgfalts-) Pflicht nicht erfüllt. Mangel an Fahrlässigkeit in Sinne des § 5 Abs.1 VStG konnte er nicht dartun. Nachdem somit dieser Tatbestand erfüllt war und die erste Instanz nur eine Strafe an der untersten Grenze des bis zu 30.000 S bestehenden Geldstrafrahmens ausgesprochen hat, die Tat, weder was den Unrechtsgehalt anlangt noch was das Verschulden anlangt, gegenüber dem im Gesetz beschriebenen tatbestandsmäßigen Verhalten völlig atypisch war, durfte die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG nicht erfolgen. Im übrigen hat die erste Instanz auf die persönlichen und Einkommensverhältnisse ohnedies Bedacht genommen und bei diesem Faktum keine erschwerenden und keine mildernden Umstände in Anschlag gebracht.

Was die Fakten 1 und 3 anlangt, so war zu bedenken: Gemäß § 11 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf seinen angezeigten Vorgang einstellen können. Demnach besteht nach der geltenden Fassung der StVO 1960 nur dann eine Pflicht zum Blinken, wenn andere Straßenbenützer vorhanden sind, die ihr Fahrverhalten auf eine die Fahrtrichtung änderndes oder den Fahrstreifen wechselndes Fahrzeug einstellen können müssen.

Somit bildet der zweite Halbsatz des § 11 Abs.2 (nach der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes) ein negatives Tatbestandselement, welches im Sachverhalt bei der Anlastung ein wesentliches Spruchelement darstellt und daher sowohl bei der Verfolgungshandlung als auch im Spruch des Straferkenntnisses aufzuscheinen hat.

Da es daran fehlte, waren die Schuldsprüche bez. der Fakten 1 und 3 des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben und das Verfahren wegen Mangel am Tatbestand gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Bezüglich der angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung in Faktum 2 hat der zugezogene technische Amtssachverständige gutachterlich ausgeführt, daß für eine dem Stand der Technik entsprechende verläßliche Feststellung der Fahrgeschwindigkeit eines voranfahrenden Fahrzeuges durch Nachfahren erforderlich ist, daß bei gleichbleibendem Abstand eine Meßstrecke mit Blick auf den Geschwindigkeitsmesser durchfahren wird, die das fünffache der angezeigten Geschwindigkeit beträgt. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben und ließen dies auch die örtlichen Verhältnisse der im Spruch beschriebenen Fahrtroute nicht zu. Bei einer vorgeworfenen Geschwindigkeit von 110 km/h hätte die Meßstrecke (das Nachfahren im gleichbleibenden Abstand zum Fahrzeug des Beschuldigten) 550 m betragen müssen. Sie hat aber nach den Angaben des Meldungslegers nur ca. 200 m betragen. Nachdem von keiner gesicherten Grundlage ausgegangen werden konnte, war das Verfahren zu Faktum 2 des angefochtenen Straferkenntnisses mangels Erwiesenseins der Tat gemäß § 45 Abs.1 Z1 1. Sachverhalt VStG einzustellen.

Bezüglich des Erfolges der Berufung zu den Fakten 1, 2 und 3 traf den Beschuldigten für das Berufungsverfahren keine Kostenlast. Da der Berufung zu Faktum 4 ein Erfolg versagt bleiben mußte, trifft den Rechtsmittelwerber gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG die gesetzliche Pflicht, zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Berufungsverfahren im Ausmaß von 20 % der bestätigten Geldstrafe. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

D r . G u s c h l b a u e r Beschlagwortung: Imitationsmöglichkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers ist bei § 11 Abs. 2 StVO Tatbestandselement

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