Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105400/2/BI/FB

Linz, 12.01.1999

VwSen-105400/2/BI/FB Linz, am 12. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau M S, S, K, vom 5. April 1998 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 23. März 1998, VerkR96-7687-1997-Kb, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch und hinsichtlich der Geldstrafe vollinhaltlich bestätigt, die Ersatzfreiheitsstrafe jedoch auf 18 Stunden herabgesetzt wird.

Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz bleibt unverändert; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960. zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 erster Satz iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 S (24 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 19. November 1997 um 18.15 Uhr den Kombi mit dem Kennzeichen auf der S in Richtung P, ca. bei Strkm 5,5, Gemeinde P, gelenkt und es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, unterblieben sei. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 50 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG). 3. Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, eine Fahrerflucht liege deshalb nicht vor, weil sie unmittelbar nach dem Unfall von einem hilfreichen Gemeindebürger nach Hause gebracht worden sei, sich auf die Aussage des ÖAMTC-Helfers verlassen habe und ohne unnötigen Aufschub sowohl die Gemeinde K als auch ihr Gatte die Gemeinde P verständigt habe. Sie hätten außerdem mit ihren Möglichkeiten den Geschädigten ausgeforscht und der Behörde sei dies nicht gelungen, sondern es sei eine völlig unbeteiligte Person als Geschädigter angeführt worden. Da die Länge der Zeitspanne bei dem Begriff "ohne unnötigen Aufschub" nicht exakt bestimmbar und nach der Lage des Einzelfalles zu beurteilen sei, wobei im gegenständlichen Fall nur eine Fichte beschädigt wurde, weise sie nochmals darauf hin, daß der Unfall der Gemeinde bekannt war, sie selbst in der Gemeinde K wohne und sich gegen die Anschuldigung der Fahrerflucht entschieden verwehre, da sie als Lenker einen sehr guten Ruf zu verteidigen habe. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Aus der Anzeige geht hervor, daß am 21. November 1997 um 10.35 Uhr dem Meldungsleger BI K des GP P gemeldet wurde, daß die Rechtsmittelwerberin am 19. November 1997 um 18.15 Uhr als Lenkerin des PKW insofern in einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verwickelt war, als auf der Fahrt auf der S in Richtung P bei km 5,5 ein Reh auf die Fahrbahn gesprungen sei, sodaß sie den PKW verrissen habe, nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und in den angrenzenden Wald gefahren sei, wo sich der Kombi überschlagen habe. Dabei sei eine 10 cm starke Fichte abgerissen worden. In der Anzeige ist als Geschädigte hinsichtlich des Fichtenbaumes eine M M angeführt und der Meldungsleger hat erklärt, daß der Gatte der Rechtsmittelwerberin, den er gefragt habe, ob er wisse, wem der Baum gehöre, dies verneint und ihn an die Gemeinde verwiesen habe. Eine Nachfrage beim Gemeindeamt habe dann ergeben, daß ein Herr J E, E, P, der Eigentümer des Baumes sei. Bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 16. Februar 1998 hat der Meldungsleger ausgeführt, bei der Anzeigeerstattung habe sich der Gatte der Rechtsmittelwerberin nach dem Eigentümer des beschädigten Baumes erkundigt und er selbst habe dem Ehepaar S geraten, sich mit der Gemeinde K oder P, da der Unfallort an der Gemeindegrenze gewesen sei, nach dem Eigentümer zu erkundigen. Die irrtümlich als Geschädigte bezeichnete Frau habe er bei der Gemeinde P anhand der Katastermappe eruiert, was sich aber als falsch herausgestellt habe. Der Meldungsleger hat weiters ausgeführt, daß sich der Unfall um 18.15 Uhr ereignet habe und die Gemeindeämter spätestens um 18.00 Uhr schließen, sodaß eine sofortige Meldung des Verkehrsunfalls dort schwer vorstellbar sei. Er könne sich erinnern, daß er das Ehepaar S bei der Anzeigeerstattung aufmerksam gemacht habe, daß sie eine Strafe wegen verspäteter Meldung des Unfalles zu erwarten hätten. Die Rechtsmittelwerberin hat ausgeführt, der ÖAMTC-Helfer, der das Fahrzeug wegtransportiert habe, habe ihnen auf die Frage, ob die Gendarmerie benachrichtigt werden müsse, geantwortet, es sei keine Person zu Schaden gekommen und wegen des Flurschadens solle sie sich mit dem Besitzer in Verbindung setzen, sodaß eine Meldung an die Gendarmerie nicht erforderlich sei. Sie hätte sich sofort mit der Gemeinde K bzw P in Verbindung gesetzt, wo der Besitzer des Waldes ausgeforscht wurde. Ihr Gatte habe sich mit diesem in Verbindung gesetzt und den Unfall bei der Versicherung gemeldet. Der Versicherungsberater habe ihnen eine Meldung bei der Gendarmerie zur Sicherheit geraten und deshalb seien sie zum Posten P gekommen. Der Beamte hat das aufgenommene Protokoll an die Versicherung gefaxt und ihnen mitgeteilt, es sei alles erledigt. Eine Meldung des Unfalls an die Gemeinden am Unfalltag sei nicht möglich gewesen, aber sie habe dies am 20. November 1997 gemacht. Der Beamte habe sie keineswegs darauf aufmerksam gemacht, daß sie eine Strafe zu erwarten hätte. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei dem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Person oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. Daß durch das Abreißen einer Fichte mit etwa 10 cm Stammdicke für den Eigentümer des Baumes ein Vermögensschaden entsteht, ist unbestritten, wobei die Verpflichtung zur Meldung eines Verkehrsunfalls grundsätzlich und nicht erst ab einer gewissen Schadenshöhe besteht (vgl VwGH v 25. September 1991, 90/02/0217). Nach Mitteilung der Rechtsmittelwerberin ereignete sich der gegenständliche Verkehrsunfall am 19. November 1997 um ca 18.15 Uhr. Da beim gegenständlichen Unfall keine Ermittlungen im Hinblick auf das Verschulden am Verkehrsunfall durchzuführen waren, war Zweck der genannten gesetzlichen Bestimmung, dem Geschädigten Kenntnis darüber zu verschaffen, mit wem er sich hinsichtlich etwaiger Schadenersatzforderungen auseinanderzusetzen haben werde. Die Rechtsmittelwerberin hat zunächst die Abschleppung ihres Fahrzeuges veranlaßt und nach ihren Angaben am nächsten Tag bei den Gemeinden K und P versucht, den Eigentümer des abgerissenen Baumes in Erfahrung zu bringen. Die Meldepflicht des § 4 Abs.5 StVO 1960 besteht dann, wenn ein Nachweis der Identität dem Geschädigten gegenüber nicht erfolgt ist, weil zB dieser nicht eruierbar ist, in der Weise, daß "ohne unnötigen Aufschub" Meldung an die nächste Sicherheitsdienststelle vom gegenständlichen Verkehrsunfall zu erstatten ist. Eine Verpflichtung zum Identitätsnachweis besteht nicht, wohl aber eine Verpflichtung zur Meldung des Verkehrsunfalls mit Sachschaden an die nächste Sicherheitsdienststelle, wenn der Identitätsnachweis nicht möglich ist oder aus irgendwelchen Gründen nicht erfolgt. Der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" ist einer exakten Bestimmung nicht zugänglich und wird diesbezüglich auf den Einzelfall abzustellen sein, jedoch ist dieser Begriff auch nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eng auszulegen, wobei die nach einem während der Nacht erfolgten Verkehrsunfall am darauffolgenden Tag vorgenommene Verständigung der Polizei nicht mehr als ohne unnötigen Aufschub angesehen werden kann (vgl Erk v 4. März 1968, 503/67, uva).

Im gegenständlichen Fall wurde die Identität des Geschädigten offenbar erst durch eine Anfrage an die Gemeinde am 20. November 1997 festgestellt und die Unfallmeldung bei der Gendarmerie erfolgte erst am 21. November 1997. Zum Zeitpunkt der Unfallmeldung konnte die Rechtsmittelwerberin dem Meldungsleger gegenüber den Namen des Geschädigten nicht angeben. Aus diesem Grund war davon auszugehen, daß der Name des Geschädigten der Rechtsmittelwerberin zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war. Ein Identitätsnachweis, dh ein persönlicher Kontakt unter Klarstellung der wesentlichen Daten, innerhalb der im § 4 Abs.5 genannten Frist ist daher mit Sicherheit auszuschließen, sodaß die Verpflichtung bestanden hätte, den Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub bei der nächsten Sicherheitsdienststelle zu melden. Die am 21. November 1997 beim GP P erfolgte Unfallmeldung ist zweifelsohne nicht mehr als "ohne unnötigen Aufschub" erfolgt anzusehen. Wenn sich die Rechtsmittelwerberin nunmehr damit verantwortet, der Pannenhelfer des ÖAMTC habe ihr gesagt, sie solle den Eigentümer des Baumes eruieren und eine Meldung bei der Gendarmerie müsse nicht unbedingt erstattet werden, so ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die Rechtsmittelwerberin als Inhaberin einer Lenkerberechtigung wohl verpflichtet ist, die ihr nach einem Verkehrsunfall vom Gesetz auferlegten Verpflichtungen zu kennen. Sie kann sich daher nicht mit Erfolg auf eine Auskunft eines Pannenhelfers berufen, die sogar möglicherweise dem Gesetz entsprochen hat, aber von ihr möglicherweise unrichtig verstanden wurde. Unter "Fahrerflucht" ist nicht zu verstehen, daß sich ein Unfallenker bei Nacht und Nebel davonschleicht, sodaß es auch nicht von Bedeutung ist, ob die Rechtsmittelwerberin vom Pannenhelfer nach Hause gebracht wurde oder wie sie sonst dort hingekommen ist. Im übrigen enthält die Bestimmung des § 4 StVO 1960 keineswegs den Begriff "Fahrerflucht", den die Rechtsmittelwerberin offenbar als rufschädigend empfindet, sondern nur die Verpflichtung, bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, wenn kein Identitätsnachweis dem Geschädigten gegenüber erfolgt ist, ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen.

Eine Meldung eines Verkehrsunfalls bei der Gemeinde ist im § 4 Abs.5 StVO 1960 nicht vorgesehen, sodaß eine solche die Rechtsmittelwerberin auch nicht zu entlasten vermag. Aus diesen Überlegungen gelangt der unabhängige Verwaltungssenat daher zu der Auffassung, daß die Rechtsmittelwerberin den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S Geldstrafe bzw für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht. Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht hervor, daß die Erstinstanz zu Recht die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin als strafmildernd und keinen Umstand als straferschwerend gewertet hat. Die finanziellen Verhältnisse wurden mangels entsprechender Mitteilung geschätzt (14.000 S netto monatlich, kein Vermögen, Sorgepflichten). In der Berufung wurde diese Schätzung nicht angezweifelt, sodaß sie auch der Rechtsmittelentscheidung zugrunde zu legen war.

Der unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, daß die Erstinstanz bei der Strafbemessung den ihr zustehenden Ermessensspielraum überschritten hätte, zumal eine an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens liegende Geldstrafe verhängt wurde, die den Kriterien des § 19 VStG entspricht und auch general- sowie spezialpräventiven Überlegungen standhält. Hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe erfolgte lediglich eine Anpassung an den gesetzlichen Strafrahmen im Verhältnis zur Geldstrafe. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Unfallmeldung 2 Tage nach Unfall entspricht nicht § 4 Abs.5 StVO, Meldung bei der Gemeinde entlastet nicht; 500 S Geldstrafe entspricht nach dem Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO (aufgerundet) 18 Stunden, nicht 24 (Mindeststrafe nach § 99 Abs.2 StVO).

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