Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105978/2/BI/FB

Linz, 16.12.1998

VwSen-105978/2/BI/FB Linz, am 16. Dezember 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J S, K, W, vertreten durch Rechtsanwalt H K, H, W, vom 9. November 1998 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14. Oktober 1998, VerkR96-3750-1998, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, daß die Wortfolge "auf der A im Gemeindegebiet von S in Richtung W" zu entfallen hat, die Geldstrafe jedoch auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden herabgesetzt werden.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich daher auf 100 S; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt. Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967).

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 3.000 S (96 Stunden EFS) verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer des PKW (D) der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über Aufforderung (zugestellt am 24. März 1998) nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Auskunft darüber erteilt habe, wer den PKW (D) am 19. November 1997 um 17.05 Uhr auf der A im Gemeindegebiet von S in Richtung W gelenkt hat. Er habe auch die Person nicht benannt, die die gewünschte Auskunft erteilen hätte können. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 300 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 VStG). 3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, es sei zutreffend, daß er auf die Lenkeranfrage nicht reagiert habe. Er habe aber schon im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, daß zwischen dem Vorfallstag und der Strafverfügung so viel Zeit vergangen sei, wobei die Rechtspflicht der Offenbarung des Lenkers desto einfacher zu erfüllen sei, je zeitnäher die Nachbegehung einer Ordnungswidrigkeit gestellt werde. Wenn im Rahmen einer Ferienreise sich ein Ehepaar beim Lenken des PKW durch Österreich abwechsle, könne schon nach wenigen Tagen bei bestem Wissen und Gewissen nicht mehr festgestellt werden, welcher Ehepartner das Fahrzeug gelenkt habe. Die in Österreich bestehende Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen sei Ausländern naturgemäß nicht bekannt. Er werde auch im Wiederholungsfall solche Aufzeichnungen fertigen. Er sei bislang völlig unbescholten und der Grad der Fahrlässigkeit lasse nach seiner Überzeugung die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung vertretbar erscheinen. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Laut Anzeige wurde am 19. November 1997 um 17.05 Uhr der deutsche PKW, Kz. , auf der Westautobahn A bei km 237.900, Gemeinde S, in Richtung W fahrend mit einer Geschwindigkeit von 182 km/h gemessen, obwohl dort die auf österreichischen Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gilt. Nach Vornahme der in den Verwendungsbestimmungen für Radargeräte der Marke Multanova VR 6 FM - im gegenständlichen Fall wurde jenes mit der Nr. 02-90-511 verwendet - vorgesehenen Toleranzabzüge wurde eine Geschwindigkeit von 173 km/h der Anzeige zugrundegelegt. Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg nannte als Halter des genannten PKW den Rechtsmittelwerber. Die an diesen gerichtete Strafverfügung wegen § 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde fristgerecht beeinsprucht, wobei die Lenkereigenschaft bestritten wurde. Mit Schreiben vom 13. März 1998 erging seitens der Erstinstanz eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967, wobei der Rechtsmittelwerber als Zulassungsbesitzer des PKW ersucht wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mitzuteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 19. November 1997 um 17.05 Uhr gelenkt/ verwendet habe. Als Grund für die Anfrage wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf der A W, S Richtung W, Km 237.900 (erlaubt: 130 km/h, gefahren: 173 km/h) angeführt. Das Schreiben enthielt außerdem den Hinweis, daß das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei. Das für die Lenkerauskunft vorgesehene Formular enthielt außer den gesetzlich vorgesehenen Antwortvarianten den genauen Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG 1967, den Hinweis, daß ein Zeugnisverweigerungsrecht auch gegenüber Angehörigen nicht bestehe und daß österreichisches und nicht deutsches Recht zur Anwendung gelange, auch wenn der Beschuldigte eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen § 103 Abs.2 KFG 1967 in Deutschland wohnhaft sei. Laut Rückschein wurde das Schreiben am 24. März 1998 dem Beschuldigtenvertreter zugestellt. Mit Schreiben vom 3. April teilte der Rechtsmittelwerber mit, das Fahrzeug sei als Geschäftswagen zu betrachten, der von mehreren Lenkern benutzt werde. Wegen der verstrichenen Zeit zwischen Vorfallstag und Zustellung der Strafverfügung könne nicht sicher angegeben werden, wer als Fahrer in Betracht komme.

Das Radarphoto wurde seitens der Erstinstanz bei der Autobahngendarmerie Seewalchen angefordert und dem Rechtsmittelwerber im Rechtshilfeweg zur Kenntnis gebracht. Dieser machte mit Schriftsatz vom 1. September 1998 geltend, das Foto sichere nur das Kennzeichen; die sichere Feststellung des Fahrers sei daraus nicht möglich. Daraufhin erging das nunmehr angefochtene Straferkennntis. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer... zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben der Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (vgl Erk v 31. Jänner 1996, 93/03/0156 ua). Daraus folgt, daß derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Verwaltungsübertretung begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er seinen Wohnsitz im Ausland hat. Im übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991 Nr.23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf den Rechtsmittelwerber zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095 ua).

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294 ua). Dieser Rechtsprechung hat sich auch der unabhängige Verwaltungssenat anzuschließen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung - dh auch ausländischer KFZ - zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend gewährleistet wäre.

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung der gewünschten Auskunft war unmißverständlich. Wenn der PKW von mehreren Personen im Rahmen des Geschäftsbetriebes oder auch von beiden Ehepartnern während einer Ferienfahrt - auf genaues vermochte sich der Rechtsmittelwerber nicht festzulegen - gelenkt wird und der Zulassungsbesitzer, der sich selbstverständlich über die von ihm im Ausland zu beachtenden Rechtsvorschriften vorher informieren muß, allein aus dem Gedächtnis außerstande ist, Lenkerauskunft zu erteilen, hat er - zumindest in Österreich, wenn ihm in Deutschland solches nicht auferlegt ist - entsprechende Aufzeichnungen zu führen. Der Rechtsmittelwerber hat daher bei Nichterteilung der Auskunft schuldhaft gehandelt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten. Ein geringfügiges Verschulden wegen der zwischen dem Vorfallstag und der Zustellung der Strafverfügung wegen Übertretung der StVO - immerhin vermeinte der Rechtsmittelwerber laut Einspruch sich zu erinnern, doch nicht selbst der Lenker des PKW gewesen zu sein, weshalb unglaubwürdig ist, daß er den tatsächlichen Lenker wegen der verstrichenen Zeit nicht mehr zu benennen imstande war - vermag der unabhängige Verwaltungssenat nicht zu erkennen. Die Spruchänderung ist eher kosmetischer Natur. Zur Strafbemessung ist auszuführen: Die Erstinstanz hat bei der Strafbemessung - zutreffend - als Milderungsgrund die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers berücksichtigt, keine straferschwerenden Umstände gefunden und mangels entsprechender Mitteilungen ein fiktives Nettoeinkommen von etwa 2.200 DM (umgerechnet etwa 15.000 S) und das Nichtbestehen von Vermögen und Sorgepflichten angenommen. Da diese Schätzung nicht angefochten wurde, war sie auch der Berufungsentscheidung zugrundezulegen.

Die Strafe war jedoch insofern überhöht, als der Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 ein anderer ist als der einer Übertretung gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960, insbesondere bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um immerhin 43 km/h. Gerade wenn der tatsächliche Lenker nicht mit dem Zulassungsbesitzer ident ist, ist die Verhängung der gleich hohen Strafe wegen der KFG- und der StVO-Übertretung nicht gerechtfertigt.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, als auch ist sie den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers angemessen. Die Strafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens - § 134 Abs.1 KFG 1967 sieht Geldstrafen bis zu 30.000 S bzw bis zu 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vor - und hält auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Selbst wenn diese Verwaltungsstrafe in Deutschland nicht vollstreckt werden sollte, rechtfertigt dies keineswegs eine Einstellung des Verfahrens allein aus dieser Überlegung heraus und ändert das auch nichts an ihrer Vollstreckbarkeit in Österreich. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung:

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