Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106034/19/Fra/Ka

Linz, 13.09.1999

VwSen-106034/19/Fra/Ka Linz, am 13. September 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung der Frau B, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. vom 9.12.1998, VerkR96-1339-1998, betreffend Übertretungen des § 4 Abs.1 lit.c und des § 4 Abs.5 1. Satz StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 8.9.1999, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; die Bw hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/I. hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) 1.) wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.2 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 1.000 S (EFS 24 Stunden) und 2.) wegen Übertretung des § 4 Abs.5 erster Satz StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 500 S (EFS 12 Stunden) verhängt, weil sie

am 1.2.1998 um ca. 8.15 Uhr als Lenkerin des PKW, in Tumeltsham auf der Haager Straße in Rabenberg nächst der Brücke über den Ottenbach an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt war und es unterlassen hat,

1.) nach diesem Verkehrsunfall an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil sie mit dem von ihr gelenkten Kraftfahrzeug die Unfallsstelle verließ;

2. ) nach diesem Verkehrsunfall die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/I. - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c VStG).

3. Die Bw ficht das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach an und bringt als Berufungsgründe Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vor. Sie führt im Näheren dazu aus, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, in vorweggenommener Beweiswürdigung die von ihr beantragten Zeugen und die Ergänzung des Amtssachverständigengutachtens aufzunehmen. Die Erstbehörde führe nach einer Zeugenaussage des Gr.Insp. R an, sie (die Bw) hätte die Berührung der beiden Fahrzeuge und die dadurch entstandenen Schäden nie bestritten. Dazu halte sie fest, dass ein Nichtbestreiten noch kein Eingeständnis ist, dass sie tatsächlich zum Zeitpunkt des Vorfalles bemerkt habe, dass es zu einer Berührung der beiden Außenspiegel gekommen ist. Insp. R habe selber ausgeführt, dass sie erst gegen 19.00 Uhr am 1.2.1998 bei ihm vorgesprochen habe und sich der gegenständliche Vorfall etwa um 08.15 Uhr am Morgen ereignete. Dieser sei somit nicht Unfallszeuge und habe mit ihr auch nicht unmittelbar nach dem Unfall gesprochen. Der Zeuge sei aufgrund der von ihm abgelegten Aussage auch voreingenommen, zumal er behauptet, sie hätte trotz mehrmaligen Läutens die Wohnungstür in der Früh nach dem Unfall nicht geöffnet. Ob sie überhaupt zu Hause war, sei für diesen Zeugen wohl ohne Bedeutung. Anlässlich der Besprechung mit dem Zeugen R sei nicht der Umstand von Bedeutung gewesen, ob es zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen ist, sondern lediglich die Frage, wer über die Fahrbahnmitte gekommen ist, nämlich Josef B oder sie. Entscheidend für das gegenständliche Strafverfahren könne jedoch nur sein, ob es bei dem vorliegenden Vorfall zu einer Berührung der Außenspiegel gekommen ist und gegebenenfalls ob sie diese Berührung bemerkt habe bzw bemerken hätte müssen. Zu diesem Zwecke habe sie sohin die Einholung des ergänzenden Sachverständigengutachtens durch Befundaufnahme an ihrem Fahrzeug gestellt. Der Sachverständige hätte durch Befundaufnahme feststellen müssen, ob tatsächlich mangels vorhandener Lack- oder sonstiger Kratzspuren eine Kontaktierung mit einem anderen Spiegel denkbar ist und ob es im konkreten Fall möglich ist, dass dann nur der Außenspiegel am Fahrzeug des Josef B total beschädigt ist, derjenige ihres Fahrzeuges jedoch nicht. Sie habe die Einvernahme des Josef B und die Einvernahme des Zeugen S insbesondere zum Beweis dafür beantragt, dass es zu einer Kontaktierung ihrer Fahrzeuge nicht gekommen ist bzw sie von einer derartigen Berührung nichts mitbekommen habe. Da die Behörde die beantragten Beweise nicht aufgenommen hat, sei das Strafverfahren mangelhaft geblieben. Die Erstbehörde habe auch ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht richtig dargestellt, indem sie ein viel zu hohes Einkommen und die vorhandenen Verbindlichkeiten nicht berücksichtigt habe. Die verhängten Strafen wurden deshalb zu hoch bemessen. Sie sei nicht einmal aufgefordert worden, ihre Vermögensverhältnisse offen zu legen. Darüber hinaus hätte die Bestimmung des § 21 VStG Anwendung finden müssen, da der Unfallsgegner B über die Fahrbahnmitte gekommen ist und es zu einer intensiven verbalen Auseinandersetzung kam. Es sei verständlich, dass sie die Vorfallsstelle verlassen habe. Somit sei das Verschulden sehr gering zu bewerten, sodass mit einer Ermahnung das Auslangen hätte gefunden werden müssen.

Die Bw beantragt daher, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das gegen sie eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; in eventu von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 VStG abzusehen; in eventu die verhängte Strafe gemäß § 19 Abs.2 VStG herabzusetzen.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung in Verbindung mit einem Lokalaugenschein am 8.9.1999 erwogen:

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens konnte der Oö. Verwaltungssenat nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit davon überzeugt werden, dass das von der Bw gelenkte Fahrzeug am Tatort zur Tatzeit mit dem von Herrn B gelenkten Fahrzeug kollidiert ist.

Belastet wird die Bw von Herrn B. Diese führte bei der Berufungsverhandlung zeugenschaftlich an, dass das von ihm gelenkte Fahrzeug mit dem von der Bw gelenkten Fahrzeug an der Vorfallsstelle kollidiert ist und dabei sein Spiegel beschädigt wurde. Sowohl er als auch die Bw hielten ihre Fahrzeuge an. Er konnte auch eine Beschädigung am linken Außenspiegel des von der Bw gelenkten Fahrzeuges feststellen. Beschreiben konnte er diesen Schaden allerdings nicht. Er wisse nicht mehr, ob er der Bw vom Schaden seines Spiegels eine Mitteilung machte. Anschließend habe er diesen Unfall beim Gendarmerieposten Ried/I. gemeldet. Die Gendarmeriebeamten hätten den Schaden an seinem Spiegel nicht besichtigt. Die Haftpflichtversicherung habe noch keine Ansprüche an die Bw bezüglich des Schadens am Spiegel gestellt.

Zu dieser Aussage stellt der Oö. Verwaltungssenat fest, dass erstmals bei der Berufungsverhandlung seitens dieses Zeugen die Rede davon war, auch einen Schaden am Spiegel des von der Bw gelenkten Fahrzeuges festgestellt zu haben. Beschreiben konnte er diesen Schaden allerdings nicht. Diese Aussage ist insofern zu relativieren, als der Oö. Verwaltungssenat den Eindruck gewann, dass sowohl der Zeuge B als auch die Bw sehr emotional reagiert haben, weil offenbar eines dieser Fahrzeuge (Anmerkung: die Verschuldsfrage ist gegenständlich nicht zu klären) entgegen der Rechtsfahrordnung gelenkt wurde.

Entlastet wird die Bw eindeutig vom Zeugen S. Dieser saß zum Vorfallszeitpunkt am Beifahrersitz des von der Bw gelenkten Fahrzeuges. Er konnte sich erinnern, dass die Fahrzeuge aufgrund eines Fehlverhaltens eines der beteiligten Fahrzeuglenker angehalten wurden, im Anschluss beide Fahrzeuglenker aus den Fahrzeugen ausstiegen und sich gegenseitig "beschimpften". Worum es genau ging, konnte er sich nicht erinnern. Er habe auch keinerlei Kollision bemerkt und kein Geräusch wahrgenommen, wie es typischerweise, wenn sich die Kollision mittels Spiegelberührung ereignet, auftritt.

Auch die Bw legte bei der Berufungsverhandlung dar, dass es zu keiner Kollision mit dem von Herrn B gelenkten Fahrzeug gekommen ist. Sie meinte, dass das von Herrn B gelenkte Fahrzeug über die Fahrbahnmitte gekommen ist, weshalb sie sehr erschrocken war. Sie habe ihr Fahrzeug angehalten, genauso wie Herr B und diesen im Anschluss "beschimpft". Die Bw räumte ein, oft etwas emotionell zu reagieren, dies entspreche ihrem Naturell. Der Oö. Verwaltungssenat gewann den Eindruck, dass die Bw ihre Version durchaus glaubhaft vorbrachte. Für ihre Glaubwürdigkeit spricht auch der Umstand, dass sie rund 5 Monate nach diesem Vorfall einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursachte und die daraus resultierenden verwaltungsstrafrechtlichen Konsequenzen auch sofort anerkannte. Sie meinte, "was es wiegt, das hat es". Der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Ried/I., der auch an der Berufungsverhandlung teilnahm, bestätigte, dass diesbezüglich verhängte Verwaltungsstrafen rechtskräftig sind. Die Bw konnte aufgrund dieses Umstandes auch glaubhaft darlegen, dass der Schaden am linken Außenrückblickspiegel, wie er in dem vom Oö. Verwaltungssenat eingeholten kfz-technischen Gutachten beschrieben ist, nämlich Kratzspuren und eine Druckstelle in Form eines mit der Spitze nach unten gerichteten Dreiecks, von diesem Vorfall stammen.

Der Oö. Verwaltungssenat konnte somit aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme und anschließender Beweiswürdigung, wofür gemäß § 51i VStG der Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt, nicht ausreichend davon überzeugt werden, dass beim gegenständlichen Vorfall der Spiegel des von Herrn B gelenkten Fahrzeuges beschädigt wurde. Daraus resultiert in rechtlicher Hinsicht, dass die Bw nicht tatbildlich gehandelt hat, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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