Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106052/8/Le/Km

Linz, 06.05.1999

VwSen-106052/8/Le/Km Linz, am 6. Mai 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die auf die Strafe eingeschränkte Berufung der G K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, gegen die Spruchabschnitte 1. bis 3. des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 12.11.1998, GZ: III/S 5828/98 V1S SE, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als hinsichtlich des Tatvorwurfes 1. von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird; hinsichtlich des Tatvorwurfes 2. wird die verhänge Geldstrafe auf 1.000 S (die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage) und hinsichtlich des Tatvorwurfes 3. wird die verhängte Geldstrafe auf 700 S (die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag) herabgesetzt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf insgesamt 170 S.

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 19, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 12.11.1998 wurde über die nunmehrige Berufungswerberin

  1. wegen Übertretung des § 7 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 700 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden),
  2. wegen Übertretung des § 4 Abs.1 lit.a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von vier Tagen) und
  3. wegen Übertretung des § 4 Abs.5 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde sie zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihr vorgeworfen, sie habe am 12.2.1998 um 11.40 Uhr in der Gemeinde H an einer näher bezeichneten Stelle den Pkw mit dem Kennzeichen gelenkt und

  1. dabei dieses Fahrzeug nicht so weit rechts gelenkt, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar usw. war, da sie nach links von der Fahrbahn abgekommen sei und gegen zwei dort befindliche Gartenzäune gestoßen sei;
  2. sie habe es als Lenkerin dieses Kraftfahrzeuges unterlassen, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, ihr Fahrzeug sofort anzuhalten und
  3. sie habe es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

(Im Tatvorwurf 4. war ihr vorgeworfen worden, eine Alkomatuntersuchung verweigert zu haben. Da hiefür eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war zur Verhandlung und Entscheidung über diesen Tatvorwurf die nach der Geschäftsverteilung zuständige 11. Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates berufen, deren Entscheidung gesondert ergeht.)

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 30.11.1998, mit der hinsichtlich der Tatvorwürfe 1. bis 3. beantragt wird, die verhängten Geldstrafen auf ein schuldangemessenes Maß herabzusetzen.

Zur Begründung dazu führte die Berufungswerberin im wesentlichen aus, daß ergänzend zu den Strafmilderungsgründen, die von der Erstbehörde wahrgenommen wurden, es hätte berücksichtigt werden müssen, daß sie aufgrund des Todes ihrer Mutter zum Unfallzeitpunkt an einer Depression litt, weshalb es infolge Unachtsamkeit zum Unfall kam, wobei die Berufungswerberin nach dem Ereignis unter einem wohl durchaus verständlichen Schock gestanden sei. Diese Umstände hätten weit geringere Geldstrafen als schuldangemessen annehmen lassen. Das Verschulden der Berufungswerberin müsse aufgrund dieses Umstandes als denkbar gering qualifiziert werden. Dazu komme die geringe Höhe des Einkommens.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der unabhängige Verwaltungssenat aus Anlaß der Berufung gegen das angefochtene Straferkenntnis in allen Punkten eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, die von der 11. Kammer geleitet und an der auch das entscheidende Einzelmitglied teilgenommen hat. Dabei wurde in Anwesenheit der Berufungswerberin und ihres Rechtsvertreters der Sachverhalt erörtert und der Zeuge Herr Rev.Insp. H K einvernommen; die belangte Behörde hatte sich entschuldigt.

Hinsichtlich des Einkommens gab die Berufungswerberin an, über eine Pension in Höhe von 7.712 S monatlich zu verfügen, kein Vermögen zu besitzen und keine Sorgepflichten zu haben.

Zu ihrer psychischen Situation zum Tatzeitpunkt verwies sie darauf, daß am 13.2.1997 ihre Mutter gestorben war und sie seit diesem Zeitpunkt an Depressionen leiden würde. Sie hätte auch Medikamente eingenommen, jedoch nur am Abend, um Autofahren zu können. Am Tattag hätte sie jedoch mit dem Auto fahren müssen, da sie eine Kundschaft besuchen mußte. Wie es zu dem Unfall kam, konnte sie nicht mehr beschreiben.

Die Berufungswerberin legte eine fachärztliche Bestätigung des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. E H aus L vom 4.5.1999 vor, aus der ersichtlich ist, daß Frau K seit November 1998 wegen depressiver Beschwerden laufend in nervenärztlicher Behandlung ist.

Sie legte weiters vor den Schlußbericht der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vom 19.3.1998 über den stationären Aufenthalt der Berufungswerberin in der Zeit vom 19.3.1998 bis 19.3.1998.

Schließlich teilte sie mit, daß sie zwei Tage nach dem gegenständlichen Tattag mit Rum und Tabletten einen Selbstmordversuch unternommen hatte.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren die Berufungswerberin mit Geldstrafe in Höhe von nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Zum Tatvorwurf 1.:

§ 7 Abs.1 StVO bestimmt, daß der Lenker eines Fahrzeuges ... so weit rechts zu fahren hat, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

Zweck dieser Bestimmung ist es somit, Gefährdungen, Behinderungen oder Belästigungen anderer Straßenbenützer zu vermeiden. Die Wendung "ohne Beschädigung von Sachen" bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den vom rechten Fahrbahnrand einzuhaltenden Abstand; ein Verbot der Beschädigung von Sachen auf einem links neben der Fahrbahn gelegenen Grundstück läßt sich daraus jedoch nicht ableiten (siehe hiezu VwGH vom 10.10.1995, 95/02/0276).

Diese Bestimmung dient sohin nicht zum Schutz von links neben der Fahrbahn errichteten Gartenzäunen, die noch dazu durch einen Gehsteig von der Fahrbahn getrennt sind.

Die Berufungswerberin hat diese ihr angelastete Verwaltungsübertretung somit nicht begangen.

Dadurch aber, daß die Berufungswerberin diese Bestrafung dem Grunde nach nicht angefochten hat, sondern lediglich die Höhe der dazu verhängten Strafe, ist Teilrechtskraft hinsichtlich der Schuld eingetreten, sodaß der Tatvorwurf nicht mehr behoben werden konnte. In Anbetracht der an sich gebotenen Aufhebung des Tatvorwurfes sollte jedoch die Berufungswerberin nicht schlechter gestellt werden, weshalb der Strafausspruch aufzuheben war.

4.3. Zum Tarvorwurf 2.:

§ 4 Abs.1 StVO bestimmt, daß alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

  1. wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten haben.

Es ist unbestritten, daß Frau Koch von der Straße abgekommen ist und die zwei Gartenzäune umgestoßen hat. Sie hat damit einen Verkehrsunfall verursacht und wäre verpflichtet gewesen, sofort anzuhalten.

Dadurch, daß sie dieser Verpflichtung nicht entsprochen hat, hat sie die ihr angelastete Verwaltungsübertretung begangen.

4.4. Zum Tatvorwurf 3.:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO haben die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die in Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Es steht aus dem von der Erstbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahren eindeutig fest, daß bei dem Verkehrsunfall vom 12.2.1998 um 11.40 Uhr ein Sachschaden entstanden ist, nämlich zwei Gartenzäune beschädigt wurden. Die Berufungswerberin als verursachende Lenkerin hätte somit entweder stehenbleiben und die Geschädigten auffinden müssen, um die Personalien auszutauschen, oder sie hätte die nächste Gendarmeriedienststelle verständigen müssen. Es steht fest, daß sie keine dieser Verpflichtungen erfüllt hat, weshalb sie die ihr angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht begangen hat.

4.4. Hinsichtlich der subjektiven Zurechenbarkeit dieser Verwaltungsübertretungen nach § 4 StVO bestimmt § 5 Abs.1 VStG, daß dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Bei den angelasteten Delikten des § 4 StVO handelt es sich um sogenannte Ungehorsamsdelikte, bei denen die Nichtbefolgung der Gebote, nach einem Verkehrsunfall anzuhalten und die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen, bereits zur Strafbarkeit genügt; der Eintritt eines Schadens ist nicht erforderlich.

Es ist der Berufungswerberin nicht gelungen glaubhaft zu machen, daß sie an diesen Übertretungen kein Verschulden trifft. Sie hat zwar glaubhaft gemacht, daß sie zur Tatzeit unter einer besonders starken seelischen Belastung stand, die vor allem durch den ersten Jahrestag des Todes ihrer Mutter entstanden war, doch kann daraus keine Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 3 Abs.1 VStG abgeleitet werden. Immerhin war sie in der Lage, später die Gendarmerie Hörsching anzurufen und nach 16.00 Uhr mit den Polizeibeamten zu reden, auf die an sie gestellten Fragen bzw. Aufforderungen logisch zu reagieren und diesen mit Beschwerden an den Polizeidirektor sowie an Bundeskanzler Vranitzky zu drohen; schließlich war sie auch in der Lage, das Haus zu verlassen. Hinsichtlich dieses letztgenannten Umstandes schenkt der unabhängige Verwaltungssenat der Aussage des Zeugen Rev.Insp. Kaiser Glauben, der bei seiner Vernehmung insgesamt einen sehr sicheren und glaubwürdigen Eindruck hinterließ, wogegen die Berufungswerberin selbst einräumte, sich an den Unfall und die nachfolgende Amtshandlung nur vage erinnern zu können.

Somit steht fest, daß die Berufungswerberin an den angelasteten Verwaltungsübertretungen auch ein Verschulden in Form von zumindest der Fahrlässigkeit trifft.

4.5. Allerdings ist der Berufungswerberin zuzugestehen, daß sie sich aus den oben erwähnten Umständen (Depressionen wegen des Todes der Mutter, erster Jahrestag dieses Todesfalles sowie Schock über den erlittenen Verkehrsunfall) in einem psychischen Ausnahmezustand befand, der ihre Zurechnungsfähigkeit in hohem Grad verminderte. Dieser Umstand ist auch durch den Krankenhausbericht des Wagner-Jauregg-Krankenhauses vom 19.3.1998 und durch den zwei Tage nach dem Vorfall unternommenen Selbstmordversuch dokumentiert.

Darüber hinaus ist festzustellen, daß die Berufungswerberin lediglich eine geringfügige Vorstrafe (wegen Übertretung des § 3 Abs.1 Oö. PolStG) aufzuweisen hat, jedoch keine einschlägige Vorstrafe. Zumindest in den letzten fünf Jahren war somit die Berufungswerberin im Zusammenhang mit Alkohol im Straßenverkehr und Verkehrsunfällen nicht auffällig geworden.

Bei der Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse war davon auszugehen, daß die Berufungswerberin geschieden ist und keine Sorgepflichten hat sowie über kein Vermögen verfügt. Ihr Einkommen besteht nach ihrer eigenen Darstellung derzeit aus einer Pension in Höhe von 7.712 S.

In Anbetracht der verminderten Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 3 Abs.2 VStG überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, weshalb eine Strafmilderung vorgenommen werden konnte.

Dies auch unter Berücksichtigung des sehr niedrigen Einkommens.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß die Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafen zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängten Strafen herabgesetzt wurden, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG der Berufungswerberin nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung:

Rechtsfahrgebot; Strafmilderung; Depressionen

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