Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106081/2/BI/FB

Linz, 02.02.1999

VwSen-106081/2/BI/FB Linz, am 2. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau Dr. R S, M, K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E A, S, V vom 30. Juli 1997 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11. Juni 1997, VerkR96-17737-1996, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, daß die Wortfolge "auf der A in Richtung W" zu entfallen hat, die Geldstrafe wird jedoch auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden herabgesetzt.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 50 S; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967). Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 700 S (36 Stunden EFS) verhängt, weil sie als Zulassungsbesitzerin des PKW (D) der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (zugestellt am 26. März 1997) nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Auskunft darüber gegeben habe, wer den PKW (D) am 27. September 1996 um 11.22 Uhr auf der A in Richtung W gelenkt habe. Sie habe durch ihren Anwalt lediglich mitgeteilt, daß der PKW gelegentlich an Freunde verliehen werde und die Ermittlung des Lenkers jetzt nicht mehr möglich sei. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 70 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG). 3. Die Rechtsmittelwerberin beantragt die Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, sie habe mit Schreiben vom 15. April 1997 dargelegt, daß sie selbst den genannten PKW zum angefragten Zeitpunkt nicht gelenkt, sondern sich in Deutschland aufgehalten habe. Sie sei deutsche Staatsbürgerin und habe, solange sie sich in Deutschland aufhalte, die deutschen Gesetze zu beachten. Dort existiere keine Verpflichtung eines Zulassungsbesitzers zu einer derartigen Auskunftserteilung. Auch wenn sie das Fahrzeug an Freunde verleihe, ohne entsprechende Aufzeichnungen zu führen, verhalte sie sich gesetzeskonform. Eine Verpflichtung zur Beachtung des österreichischen § 103 Abs.2 KFG treffe nur einen Zulassungsbesitzer, der nach Österreich eingereist sei und sich dort aufhalte. Sie sei auch nicht verpflichtet, sich bei der Übergabe des Fahrzeuges zu erkundigen, in welches Land der Lenker wann einzureisen gedenke. § 103 Abs.2 KFG sei daher für sie nicht anwendbar. Außerdem habe sie erst mit der Zustellung am 19. Februar 1997, sohin nach fünf Monaten, erfahren, daß ihr Fahrzeug in Österreich gelenkt worden sei. Es sei ihr aber nicht zumutbar, sich erinnern zu können, wer zum Vorfallszeitpunkt ihren PKW gelenkt habe. Außerdem sei die Unkenntnis der österreichischen Verwaltungsvorschrift unverschuldet und sie habe nicht erkennen können, daß sie Auskunft zu erteilen oder Aufzeichnungen zu führen hätte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Folgender Sachverhalt ist wesentlich: Laut Anzeige wurde am 27. September 1996 um 11.22 Uhr der deutsche PKW, Kz. , auf der W A bei km 237,900, Gemeinde S, in Richtung W fahrend mit einer Geschwindigkeit von 159 km/h gemessen, obwohl dort die auf österreichischen Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gilt. Nach Vornahme der in den Verwendungsbestimmungen für Radargeräte der Marke Multanova 6F - im gegenständlichen Fall wurde jenes mit der Nr. 511 verwendet - vorgesehenen Toleranzabzüge wurde eine Geschwindigkeit von 151 km/h der Anzeige zugrundegelegt. Laut Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg ist das Fahrzeug auf die Rechtsmittelwerberin zugelassen. An diese erging daraufhin die Strafverfügung der Erstinstanz vom 22. November 1996, VerkR96-17737-1996, wegen Übertretung der StVO 1960, die fristgerecht beeinsprucht wurde.

Mit Schreiben vom 24. März 1997 erging seitens der Erstinstanz eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967, wobei die Rechtsmittelwerberin als Zulassungsbesitzerin gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 ersucht wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Erstinstanz mitzuteilen, wer das Kraftfahrzeug KA-DE 675 (D) am 27. September 1996 um 11.22 Uhr gelenkt habe. Als Grund für die Anfrage wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf der A im Gemeindegebiet von S in Fahrtrichtung W angegeben. Das Schreiben beinhaltete außerdem den genauen Wortlaut der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 und den Hinweis, daß eine fehlerhafte oder unvollständige Auskunft sowie das Nichterteilen oder unrichtige Erteilen der Lenkerauskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei, wobei ausdrücklich auf die Anwendung österreichischen Rechts auch für in Deutschland wohnhafte Beschuldigte und das Nichtbestehen eines Zeugnisverweigerungsrechtes auch gegenüber Angehörigen hingewiesen wurde. Laut Rückschein wurde das Schreiben am 26. März 1997 der Rechtsmittelwerberin zugestellt. Als Reaktion auf die Lenkeranfrage erfolgte zunächst eine Vollmachtsanzeige des nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters und mit Schreiben vom 15. April 1997 die Mitteilung über einen deutschen Rechtsanwalt, daß die Rechtsmittelwerberin den PKW zum angefragten Zeitpunkt nicht selbst gelenkt habe und daß sie nicht mehr nachvollziehen könne, wer der Lenker gewesen sei, weil sie diesen gelegentlich auch an Freunde und Bekannte verleihe. Gleichzeitig wurde die Einstellung des Verfahrens beantragt.

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. April 1997 wurde ein Verfahren wegen Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 eingeleitet und das Verfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung wegen mangelnder Erweisbarkeit der Begehung durch die Rechtsmittelwerberin eingestellt. In der Stellungnahme vom 30. Mai 1997 deponierte die Rechtsmittelwerberin die auch in der Berufung dargelegte Auffassung, worauf das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erging.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer... zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben der Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (vgl Erk v 31. Jänner 1996, 93/03/0156 ua). Daraus folgt, daß derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Verwaltungsübertretung begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er seinen Wohnsitz im Ausland hat.

Im übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991 Nr.23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf die Rechtsmittelwerberin zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095 ua).

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294 ua). Dieser Rechtsprechung hat sich auch der unabhängige Verwaltungssenat anzuschließen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung - dh auch ausländischer KFZ - zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend gewährleistet wäre.

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung der gewünschten Auskunft war unmißverständlich. Es ist der Rechtsmittelwerberin auch nicht gelungen, darzutun, daß sie an der Nichterteilung der Lenkerauskunft kein Verschulden trifft, zumal sie mit dem Schreiben der Erstinstanz, das die Lenkeranfrage enthielt ausführlich über die von ihr zu beachtenden Rechtsvorschriften informiert wurde. Richtig ist, daß sie erstmals mit der Zustellung der Strafverfügung am 19. Februar 1997 von der Geschwindigkeitsüberschreitung am 27. September 1996 erfuhr. Allerdings sieht § 103 Abs.2 KFG keine Frist vor, nach deren Verstreichen eine Lenkerauskunft durch die Behörde nicht mehr verlangt werden dürfte, sodaß das Auskunftsbegehren dadurch nicht rechtswidrig wurde. Die Rechtsmittelwerberin hätte, wenn sie aus dem Gedächtnis heraus nicht imstande ist, den damaligen Lenker zu benennen, entsprechende Aufzeichnungen zumindest für die Fahrt in Österreich, wenn ihr dies in Deutschland nicht auferlegt ist, zu führen gehabt, die ihr eine Auskunftserteilung ermöglicht hätten. Sie hätte sich zu diesem Zweck eben bei den von ihr erwählten Lenkern zumindest im nachhinein erkundigen müssen, wohin diese gefahren sind, was nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch allgemein üblich ist, wenn nicht schon das Fahrzeug - wenn überhaupt - für einen gewissen Zweck, der dem Zulassungsbesitzer normalerweise schon nach den Regeln des Anstandes mitgeteilt wird, verborgt bzw ausgeliehen wird. Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist die Verantwortung dahingehend, die Rechtsmittelwerberin habe gar nicht mitbekommen, daß ein Freund/Bekannter mit ihrem PKW nach Österreich gefahren sei, geradezu lebensfremd und deshalb unglaubwürdig. Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt auf dieser Grundlage die Auffassung, daß die Rechtsmittelwerberin bei der Nichterteilung der Lenkerauskunft schuldhaft gehandelt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Die Spruchkorrektur erfolgte, weil sich die Lenkeranfrage - gemäß dem Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG 1967 - nicht auf den Ort des Lenkens, nämlich die A Richtung W, bezogen hat und daher diesbezüglich ein vorwerfbares Verhalten nicht vorliegt, gemäß der zitierten Gesetzesbestimmung.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, daß die Erstinstanz zu Recht die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin als strafmildernd gewertet hat. Hingegen ist das als erschwerend gewertete "Vereiteln der Ahndung der Geschwindigkeitsüberschreitung" deshalb nicht zu ihrem Nachteil zu berücksichtigen, weil dies als eine dem § 103 Abs.2 KFG 1967 immanente Konsequenz der Nichterteilung der Lenkerauskunft und vom Unrechtsgehalt miterfaßt ist. Die Strafe war wegen des Wegfalls des straferschwerenden Umstandes - ein anderer solcher war nicht zu finden - herabzusetzen. Ihre finanziellen Verhältnisse hat die Rechtsmittelwerberin trotz entsprechender Aufforderung nicht bekanntgegeben und auch die Erstinstanz hat solche weder erhoben noch eine ziffernmäßige Schätzung vorgenommen.

Die nunmehr verhängte Strafe ist unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl als dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung entsprechend als auch den finanziellen Verhältnissen der Rechtsmittelwerberin als angemessen anzusehen. Die Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens - § 134 Abs.1 KFG sieht Geldstrafen bis zu 30.000 S bzw Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 6 Wochen vor - hält sowohl general- wie auch vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand und ist nicht geeignet, den Unterhalt der Rechtsmittelwerberin oder von Personen, denen sie zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist, zu gefährden.

Selbst wenn diese Verwaltungsstrafe in Deutschland nicht vollstreckt werden sollte, rechtfertigt dies keineswegs eine Einstellung des Verfahrens allein aus dieser Überlegung heraus und ändert das auch nichts an ihrer Vollstreckbarkeit in Österreich. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung:

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