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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106252/3/Ga/La

Linz, 13.06.2000

VwSen-106252/3/Ga/La Linz, am 13. Juni 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Grof, dem Berichter Mag. Gallnbrunner und dem Beisitzer Dr. Schön über die Berufung des M K, vertreten durch Dr. G B, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 1. März 1999, Zl. III/S 27235/97 V1P SE, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 1. März 1999 wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 5 Abs.2 Z2 StVO für schuldig befunden. Näherhin wurde ihm vorgeworfen, er habe sich am 2. August 1997 04.45 Uhr als Fußgänger, der zufolge bestimmter Symptome verdächtig gewesen sei, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall am selben Tag gegen 02.30 Uhr ("in Bez. A, G, auf d. A Bez.Str") verursacht zu haben, in E im dortigen Landeskrankenhaus, nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde ermächtigtes Organ geweigert, sich einer Atemluftuntersuchung zu unterziehen.

Über ihn wurde gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO eine Geldstrafe von 18.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Wochen) kostenpflichtig verhängt.

Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat, nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt, erwogen:

Strittig ist der Berufungsfall nicht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht. Denn auch das abschließende Vorbringen in der Berufungsschrift, dass nämlich seitens der Strafbehörde nicht geklärt worden sei, ob eine derart deutliche Aufforderung zur Abgabe einer Atemluftuntersuchung, sodass diese der Berufungswerber habe verstehen können, überhaupt vorgelegen sei, bestärkt in Wahrheit nur die schuldseitige Bestreitung. Diese nämlich stellte der Berufungswerber in den Mittelpunkt seines gesamten Vorbringens. Indem er näher ausführte, dass, wie er im strafbehördlichen Ermittlungsverfahren mit der Äußerung vom 18. Juni 1998 erstmals eingewendet und in der Folge zweifach ergänzt hatte, zum Vorfallszeitpunkt eine durch Einnahme bestimmter Antidepressiva (Seroxat und Xanor) bewirkt gewesene Beeinträchtigung seiner allgemeinen Orientierung vorgelegen sei, die im besonderen durch eigenmächtige Überdosierung des Medikaments Xanor in Verbindung mit der Einwirkung der Unfallverletzungen sich akut dahin ausgewirkt habe, dass er nicht mit der nötigen Klarsichtigkeit habe wahrnehmen können, noch im Zuge seiner ambulanten Erstversorgung im A.ö. Krankenhaus E zur Vornahme der Alkomatuntersuchung aufgefordert worden zu sein.

Zwar hat die belangte Behörde im Berufungsfall zutreffend die Rechtsfigur eines sogen. Ungehorsamsdeliktes zugrunde gelegt, dabei jedoch ist sie schuldseitig in Verkennung der Rechtslage von einer (seit der mit 1.7.1988 in Kraft getretenen VStG-Novelle 1987) nicht mehr gegebenen strikten, den Beschuldigten beschwerenden Beweislastumkehr ausgegangen. Entgegen der in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wiedergegebenen Darstellung hat jedoch der Beschuldigte bei, wie hier, gegebenem Ungehorsamsdelikt seine Schuldlosigkeit nicht zu beweisen, sondern gemäß § 5 Abs.1 VStG nur begründet glaubhaft zu machen. Davon ausgehend, hat die Strafvollzugsbehörde stets dann jedenfalls, wenn es dem Beschuldigten gelungen ist, im Zuge seines Bemühens um die Glaubhaftmachung Anhaltspunkte für Zweifel an seinem Verschulden zu unterbreiten, den Nachweis der Erfüllung (auch) der Schuldseite amtswegig zu führen (so grundlegend VfGH 24.6.1994, B 1908/ 93 uwZ; zur Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs.2 MRK).

Solche Zweifel an der Vorwerfbarkeit seines Verweigerungsverhaltens hat der Berufungswerber jedoch zu wecken vermocht.

So stellte sich die Behauptung des Berufungswerbers, in der fraglichen Zeit über ärztliche Verordnung laufend zwei bestimmte Medikamente, nämlich die oben schon genannten Psychopharmaka, eingenommen zu haben, als der Wahrheit entsprechend heraus (vgl den mit der Stellungnahme vom 14.1.1999 vom Berufungswerber vorgelegten "nervenärztlichen Befund" vom 13.1.1999 des bezeichneten Facharztes; OZ 89/90). Dass der Berufungswerber dieses Vorbringen nicht sogleich, das heißt, noch im Zuge des Verweigerungsgeschehens machte, begründete er mit dem Umstand, dass ihm die Angabe dieser Tatsachen äußerst unangenehm sei. Diese Begründung entbehrt nicht - insbesondere in Verbindung mit dem fachärztlich bestätigten Krankheitsbild - einer gewissen Plausibilität und ist nicht von vornherein unglaubwürdig. Entscheidend ist jedoch, dass der Berufungswerber für den Vorfallszeitraum eine eigenmächtige Übermedikation durch Einnahme einer höheren (als verordnet gewesenen) Dosis von Xanor "auf Grund seiner privaten Belastungen im damaligen Zeitpunkt" behauptete (Stellungnahme vom 14.1. 1999; OZ 88). Diese Behauptung ist aus der Aktenlage nicht widerlegbar, sie ist auch objektiv nicht gänzlich lebensfern (und hat daher auch der den Berufungswerber betreuende Facharzt im Nachhinein die Möglichkeit einer Überdosierung zwar nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeschlossen). Dass bei einer Überdosierung von Xanor ua Verwirrtheit auftreten kann, ist vorliegend aktenkundig und unstrittig. Durchaus negative Nebenwirkungen in Verbindung mit der Einnahme von Alkohol - hier gleichfalls unstrittig vorgelegen; der Berufungswerber selbst gab einige Krügel Bier im Verlaufe des Waldfestes an (OZ 37) - weisen die Gebrauchsinformationen für beide Medikamente aus (OZ 79 und 80). Darauf allerdings geht der Amtsarzt der BPD Linz in seinem, von der belangten Behörde in der Beurteilung der Schuldfrage jedoch als maßgeblich herangezogenen "Gutachten" vom 9. November 1998 (OZ 84) nicht ein.

In das für die Beweiswürdigung zur Frage der in Rede stehenden Wahrneh-

mungsfähigkeit des Berufungswerbers in Betracht zu ziehende Gesamtbild seiner Befindlichkeit ist weiters einzufügen, dass der Berufungswerber (als Opfer des den Vorfall auslösenden Unfalles) - unstrittig - mit keineswegs vernachlässigbaren Verletzungsfolgen auch und insbesondere im Zusammenhang mit Kopfverletzungen geschädigt war (Liegenbleiben des Berufungswerbers auf der Straße in bewusstlosem Zustand nach dem Anprall, blutende Wunde am Kopf, nach dem Aufwachen Klage über Kopfschmerzen - Zeugenaussage des Unfalllenkers am 2.8.1997; Ambulanz-Aufnahmeärztin konnte Gehirnerschütterung nicht ausschließen - deren Zeugenaussage am 6.3.1998; Amtsarzt im Gutachten vom 31.3.1998 bestätigt - nachbeobachtend - einen immerhin geringen Grad des Schädel-Hirn-Traumas).

Und schließlich kommt zu diesen festzustellen gewesenen Zweifeln an der Vorwerfbarkeit des inkriminierten Verweigerungsverhaltens verstärkend noch hinzu, dass, wie der Berufungswerber einwirft, eine im Vollbesitz seiner Zurechnungsfähigkeit stattgefundene Verweigerung dann nicht plausibel erscheine, wenn bedacht werde, dass er gar keinen Grund gehabt hätte, die Atemluftüberprüfung zu verweigern, sei er doch selbst Unfallopfer gewesen und habe den Unfall nicht verursacht; es sei nämlich weder ein gerichtliches Verfahren noch ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. Diesem Vorbringen hat die belangten Behörde nicht widersprochen.

Zusammenfassend verbleiben aus allen diesen Gründen nach der Würdigung der von der Strafvollzugsbehörde aufgenommenen, im Verfahrensakt dokumentier-

ten Beweise iVm der - zuletzt in der Berufungsschrift bekräftigten - Verantwortung des Berufungswerbers solche begründeten Zweifel an der Vorwerfbarkeit des in Rede stehenden Verweigerungsverhaltens, dass im Ergebnis der Nachweis des Verschuldens des Berufungswerbers in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als nicht gelungen festzustellen und wie im Spruch zu entscheiden war.

Dieses Verfahrensergebnis befreit den Berufungswerber auch von seiner Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. G r o f

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