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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106338/20/Br/Bk

Linz, 28.09.1999

VwSen - 106338/20/Br/Bk Linz, am 28. September 1999

DVR. 0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Langeder sowie den Berichter Dr. Bleier und den Beisitzer Dr. Fragner über die Berufung des Herrn J gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 21. April 1999, Zl. VerkR96-16009-1997 Pue, nach den am 6. Juli und 21. September 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlungen zu Recht:

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 3 Abs.1, § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998- VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wegen der Übertretung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.4 StVO 1960 eine Geldstrafe von 11.000 S und im Nichteinbringungsfall neun Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 09.10.1997 gegen 23.30 Uhr in L, von der H kommend, auf dem Schotterparkplatz neben dem Haus H den Pkw, KZ.: , gelenkt habe, wobei er sich in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und entgegen der von einem Straßenaufsichtsorgan an ihn am 10.10.1997 um 00.05 Uhr in Linz, Schotterparkplatz neben dem Haus H gerichteten Aufforderung, seine Vorführung zur nächstgelegenen mit einem Alkomaten ausgerüstete Dienststelle zwecks Feststellung des Atemalkoholgehaltes verweigert habe.

Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung im Ergebnis auf die Aussagen der Meldungsleger, wonach im Zuge der Amtshandlung vom Berufungswerber die Verweigerung auf die Behauptung, ein Fahrzeug nicht gelenkt zu haben, gestützt wurde. Der Berufungswerber habe gegenüber den einschreitenden Beamten keine Hinweise über eine Verletzung gemacht. Auch sei nicht erkennbar gewesen, dass bei ihm ein Wahrnehmungsmangel vorgelegen wäre. Die Erstbehörde stützte sich diesbezüglich auch auf die Aussage des Zeugen H. Der bereits im Zuge des erstbehördlichen Verfahrens umfassend vorgetragenen "Schockverantwortung" wurde bei umfassender Beweiswürdigung unter Hinweis auf Judikatur (etwa VwGH v.1.4.1987, 86/03/0243) nicht gefolgt.

Die Erstbehörde ging mangels Angaben offenkundig von einem durchschnittlichen Monatseinkommen, keiner unverschuldeten drückenden Notlage und weder mildernden noch erschwerenden Strafzumessungsgründen aus.

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung beruft sich der Berufungswerber im Ergebnis auf eine zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung bestehende Einschränkung der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit bzw. das Vorliegen eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes. In der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens erblickt er einen Verfahrensfehler. Insbesondere erblickt der Berufungswerber in seinem Vorbringen, nicht gefahren zu sein, obwohl er tatsächlich den Pkw auf dem Parkplatz abstellte, ein Indiz einer fehlenden zeitlichen und örtlichen Orientierung. Schließlich sei in der Folge auch eine Gehirnerschütterung diagnostiziert worden. Durch die fehlende Ergänzung des Gutachtens von Dr. S sei er in seinen Verteidigungsrechten verletzt worden.

Der Bw beantragt abschließend die Aufhebung des Straferkenntnisses.

3. Da eine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 2. Kammer zu erkennen. Eine Berufungsverhandlung war gesetzlich bedingt durchzuführen (§ 51 Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme und Erörterung des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Ferner durch Vernehmung der Zeugen RevInsp. R, RevInsp. R, D, B und Dr. med. F. Zusätzlich wurde Beweis erhoben durch sachverständige Erörterung des Beweisergebnisses seitens der med. Amtssachverständigen Dr. med. S. H. Der Berufungswerber wurde im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung als Beschuldigter zum Sachverhalt vernommen.

5. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Berufungswerber wollte in der H seinen Pkw einparken, wobei er seinen gemieteten Parkplatz verparkt vorfand. Nach Ausforschung der den Parkplatz widerrechtlich in Anspruch nehmenden Person im dort gelegenen Lokal gelangten am 9. Juli 1997 um ca. 23.30 Uhr der Berufungswerber und der Zeuge M in eine Streithandlung, im Verlaufe derer beide tätlich angegriffen wurden. Sowohl der Zeuge M als auch der Berufungswerber wurde im Verlaufe dieser Auseinandersetzung verletzt, wobei der Berufungswerber durch einen Schlag auf den Kopf eine Schwellung an der linken Schläfe und eine Gehirnerschütterung erlitt.

Ein Streitgegner wurde diesbezüglich durch Urteil des vom BG Linz vom 29. April 1999, GZ 17U 88/98a, wegen des Vergehens nach § 83 Abs.1 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagsätzen a´30 S rechtskräftig verurteilt.

Als Ergebnis des h. durchgeführten Beweisverfahrens ist festzuhalten, dass sich der Berufungswerber im Zuge der Amtshandlung gegenüber den vorerst im Dienste der Strafjustiz einschreitenden Meldungslegern teilnahmslos verhielt. In der Folge ergab sich beim Berufungswerber der Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung. Deretwegen wurde er nach etwa fünfzehn Minuten nach dem Eintreffen der Meldungsleger zum Atemlufttest aufgefordert. Diesen verweigerte er sinngemäß mit der Behauptung er wäre ja gar nicht mit dem Auto zu diesem Parkplatz gefahren. Die Zeugin R gab diesbezüglich an, dass diese Aufforderung durch den Kollegen RevInsp. R mehrfach ausgesprochen worden sei, damit sicher gestellt sei, dass der Berufungswerber - den die Zeugin etwas verlangsamt in Erinnerung zu haben glaubte - die Aufforderung auch mitbekam. Die Zeugin habe den subjektiven Eindruck gewonnen, dass der Berufungswerber die Aufforderung tatsächlich verstanden hatte.

Der Berufungswerber führte in seiner ständig gleichbleibenden Verantwortung aus, sich an eine Aufforderung, einen Alkotest durchführen zu müssen, nicht erinnern zu können. Er habe den Atemlufttest keinesfalls bewusst verweigert. Vor allem hätte er keinen positiven Ausgang zu befürchten gehabt. Diesbezüglich wurde vom Zeugen M der bloße Konsum eines Glases Sturm kurz vor diesem Vorfall bestätigt. Diese Verweigerung könne daher nur auf seine durch die Verletzungsfolge eingeschränkte Dispositions- und Diskretionsfähigkeit zurückgeführt ihm somit nicht schuldhaft vorgeworfen werden. Das Faktum der Verweigerung sei ihm in weiterer Folge erst von seiner Frau mitgeteilt worden. In den folgenden Tagen sei er arbeitsunfähig gewesen. Er habe sich nicht wohl gefühlt und habe an Kopfschmerzen und Übelkeit gelitten. Auf Anregung seiner Frau habe er sich nach dem Wochenende zum Hausarzt Dr. med. F begeben, welcher eine Gehirnerschütterung (commotio cerebri) diagnostizierte. Seine zeugenschaftlich einvernommene Ehefrau bestätigte den Zustand ihres Gatten ebenfalls mit Kopfschmerzen und Übelkeit, wobei er sich schließlich auf ihr Drängen zum Hausarzt begab.

Im Ergebnis wurde diese Diagnose von dem zeugenschaftlich einvernommenen Hausarzt bestätigt und ergänzend ausgeführt, dass hiedurch sehr wohl eine Einschränkung der Dispositionsfähigkeit kurz nach Eintritt der Verletzung die Folge gewesen sein könnte. Der Zeuge erklärte nachvollziehbar, dass ein Betroffener in diesem Zustand durchaus einen in den Sinnen geordneten Eindruck hinterlassen mag, trotzdem sich seines Handelns aber nicht vollumfänglich bewusst sein muss. Diesbezüglich vermochte die der Verhandlung beigezogene Amtssachverständige eine zum Vorfallszeitpunkt die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Beeinträchtigung nicht schlüssig verneinen, auch wenn sie diese im Ergebnis als unwahrscheinlich bezeichnete. Letztlich wies die Sachverständige darauf hin, den Befund der Beweiswürdigung überlassen zu müssen. Auch der dem erstinstanzlichen Verfahren beigezogene Amtsarzt vermochte letztlich einen die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand nicht mit Sicherheit zu verneinen.

Aus diesen Gründen ist im vorliegenden Fall die Verantwortung des Beschuldigten, dass eine bewusste und somit eine strafrechtlich zurechenbare Verweigerung der Atemluftuntersuchung nicht vorlag, nicht mit der für ein Strafverfahren nötigen Sicherheit zu widerlegen. Da hier jedenfalls eine verletzungsbedingte Gehirnerschütterung als erwiesen anzunehmen ist und damit aus medizinischer Sicht eine Beeinträchtigung der Dispositionsfähigkeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, war zumindest im Zweifel vom Vorliegen einer Bewusstseinsstörung (§ 3 Abs.1 VStG) und die Strafbarkeit ausschließenden Zustandes auszugehen.

6. Rechtlich folgt demnach, dass auch für die Frage der bestehenden Schuldfähigkeit bereits bei bloßem Zweifel von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist, weshalb hier spruchgemäß zu entscheiden war (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. L a n g e d e r

Beschlagwortung:

Commotio cerebri, Gehirnerschütterung, Zurechnungsfähigkeit, Diskretionsfähigkeit,

Schuldfähigkeit

 

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