Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106359/18/Br/Bk

Linz, 31.05.2000

VwSen - 106359/18/Br/Bk Linz, am 31. Mai 2000

DVR. 0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 17. März 1999, Zl. VerkR96-16563-1997 Pue, nach der am 22. Juni 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wegen der Übertretung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 8.000 S und im Nichteinbringungsfall sieben Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 29.7.1997 gegen 16.30 Uhr in H bei der Kreuzung Kremstalerstraße B 139 - Fasangasse auf dem Geh- und Radweg der Kremstalbundesstraße von Traun kommend in Richtung Ortszentrum Haid ein Fahrrad gelenkt habe, wobei vermutet werden konnte, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und entgegen der am 29.7.1997 um 17.56 Uhr in Ansfelden am Gendarmerieposten von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Straßenaufsichtsorgan an ihn gerichteten Aufforderung zur Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt, diese verweigert habe.

1.1. Die Erstbehörde stützte ihre Entscheidung auf die Anzeige des Gendarmeriepostens und die zeugenschaftlichen Angaben der Meldungsleger.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber die Absicht den Alkotest zu verweigern, sondern vermeinte sinngemäß, dass er immer wieder vertröstet worden sei, ehe er schließlich den Gendarmerieposten verließ.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Ferner durch Vernehmung der Zeugen Insp. H und R, sowie durch die Vernehmung des Berufungswerbers anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

4. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine Berufungsverhandlung war hier gesetzlich bedingt durchzuführen (§ 51 Abs.1 VStG).

5. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

5.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber mit einer Geldstrafe von 8.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen bestraft, weil er am 29. Juli 1997 um 16.30 Uhr in Haid/Ansfelden bei der Kreuzung Kremstalbundesstraße B 139 - Fasangasse auf dem Geh- und Radweg der Kremstalbundesstraße von Traun kommend in Richtung Ortszentrum Haid ein Fahrrad gelenkt habe, wobei er sich vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und entgegen der von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Straßenaufsichtsorgan an ihn am 29. Juli 1997 um 17.56 Uhr am Gendarmerieposten in Ansfelden gerichteten Aufforderung eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomaten verweigert habe.

5.2. Auf Grund des in der am 22. Juni 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gewonnenen Beweisergebnisses stellt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt so dar, dass der Berufungswerber an der im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Zeit und Örtlichkeit als Lenker eines Fahrrades, bedingt durch ein wegen eines abbiegenden Pkw's veranlassten Ausweichmanövers zu Sturz kam. Nach kurzer und emotionaler Konfrontation mit dem Pkw-Lenker fühlte sich der Berufungswerber vorerst nicht verletzt und setzte sich folglich in einen Park, wo er mehrere (drei oder vier) Flaschen Bier konsumierte. Von einer schon bestehenden Alkoholbeeinträchtigung zum Lenkzeitpunkt bzw. vor dem Bierkonsum im Park konnte nicht ausgegangen werden.

Wegen sich während des Verweilens im Park einstellender Schmerzen begab sich der Berufungswerber zu einem Arzt und meldete letztlich den Vorfall auch beim GP Ansfelden. Dort wurden an seiner Person Alkoholisierungssymptome festgestellt und wurde die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung ausgesprochen.

Da diese insbesondere wegen der einzuhaltenden Wartezeit nicht unverzüglich erfolgen konnte, wurde dem Berufungswerber befohlen, bis zur Zuführung zum Atemlufttest auf der Gendarmeriedienststelle zu warten. Zwecks der Untersuchung mit dem Alkomat sollte er zur nächstgelegenen über ein Atemluftmessgerät verfügenden Gendarmeriedienststelle - die Autobahngendarmerie Haid - verbracht werden. Der Berufungswerber verließ jedoch wegen mehrmaliger Verzögerungen und den Hinweisen, "man würde ihn nach fünf Minuten zum Test bringen", die Dienststelle und verweigerte damit die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt. Er wurde von den Gendarmeriebeamten, ob seiner angekündigten Absicht nicht länger warten zu wollen, über die Folgen eines sich von der Dienststelle

Entfernens - den Verweigerungstatbestand - noch aufgeklärt. Der Berufungswerber ist vermögensloser Sozialhilfeempfänger mit einem Monatseinkommen von 7.500 S. Er hat keine Sorgepflichten und ist auch nach diesem Vorfall nicht mehr einschlägig in Erscheinung getreten.

5.2.1. Im Beweisverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat haben sich keinerlei Anhaltspunkte hinsichtlich einer dem Berufungswerber nicht mehr zumutbaren Hinauszögerung zur Zuführung zum Atemlufttest ergeben. Der Berufungswerber selbst spricht bloß von einer halbstündigen Wartezeit, während dem gegenüber der Zeuge Insp. T. K diese mit maximal zwanzig Minuten benannte. Der Zeuge Insp. H wies auch noch darauf hin, dass der Berufungswerber zwecks Vornahme der Atemluftuntersuchung mangels Verfügbarkeit eines Alkomaten am GP Ansfelden zur nächsten Gendarmeriedienststelle, die Autobahngendarmerie Haid, verbracht werden hätte sollen. Wenn andererseits der Zeuge S der Verantwortung des Berufungswerbers zum Vorfallszeitpunkt nicht alkoholisiert gewesen zu sein, mit seinen Eindrücken vom Berufungswerber am Unfallsort im Ergebnis nicht entgegentrat, ist hinsichtlich des gegenständlichen Tatvorwurfes dem Berufungswerber aber nicht gedient. Er räumt einen nicht unerheblichen Alkoholkonsum nach dem Unfall doch ausdrücklich selbst ein. Damit lässt sich logisch besehen auf Alkoholisierungsmerkmale als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung schließen.

Der Zeuge ergänzte diesbezüglich, dass er, nachdem sich der Berufungswerber aus dem Wachzimmer entfernt hatte, aus dem straßenseitig gelegenen Fenster des Gendarmeriepostens blickte und dabei den Berufungswerber mit dem Fahrrad wegfahren sah. Letztlich konnte auf die Anhörung des unentschuldigt zur Berufungsverhandlung nicht erschienen Zeugen E verzichtet werden. Dessen Aussage vor der Erstbehörde, wonach der Berufungswerber die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung am GP Ansfelden mit dem Hinweis "das (gemeint der Alkotest) interessiere ihn nicht" verweigert habe, geht selbst über die vom Berufungswerber eingeräumte Variante der Verweigerung noch hinaus. Auf Anhörung des letztgenannten Zeugen wurde nach Erörterung in der Berufungsverhandlung auch vom Berufungswerber verzichtet. Gefolgt konnte dem Berufungswerber aber darin werden, dass er zum Zeitpunkt des Unfalles nicht alkoholisiert war, sondern erst während des Zeitraumes von einer Stunde nach dem Unfall und bis zum Arztbesuch in einem Park drei oder vier Bier konsumierte. Diese Verantwortung ist durchaus schlüssig und wurde vom Berufungswerber bereits von Anfang an gleichlautend aufrecht erhalten. Bestätigt wurde diese Darstellung letztlich auch vom Zeugen RevInsp. K in dessen Aussage vor der Behörde erster Instanz am 2.2.1998 und von E am 22.1.1998 ebenfalls dahingehend, dass der Berufungswerber den Alkoholkonsum nach dem Unfall im Park ihm gegenüber so dargestellt habe, bzw. bestätigte Leitner diese Trinkverantwortung von seiner unmittelbaren Wahrnehmung als damaliger Begleiter des Berufungswerbers. An diesen Angaben vermag daher nicht gezweifelt werden.

Vorerst bestand grundsätzlich auch die Bereitschaft sich der Atemluftuntersuchung zu unterziehen. Erst das sich mehrfach ankündigende weitere Zuwarten ließ diese Bereitschaft letztlich schwinden.

6. Rechtlich hat der Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Der § 5 Abs.2 StVO (i.d.F der 19. Novelle) lautet:

"Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder ....."

Die Verpflichtung dieser Personen sich der Untersuchung zu unterziehen, ist im § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 normiert.

Die Untersuchung ist grundsätzlich mittels Alkomat vorzunehmen.

Mit der Entfernung des Berufungswerbers aus dem Wachzimmer nach einer Wartezeit von höchstens einer halben Stunde hat er objektiv gegen die obzit. gesetzliche Verpflichtung verstoßen.

Die dem Berufungswerber abverlangte Wartezeit von 20 Minuten war ihm auch zuzumuten, sodass ihm - ungeachtet der fehlenden Lenkeigenschaft im alkoholisierten Zustand - die Verweigerung der Atemluftuntersuchung als schuldhaft und rechtswidrig zuzurechnen ist (wenn auch, ob der Umstände nur in minderem Grad). Obwohl sich der Verdacht der Alkoholbeeinträchtigung bei der Lenkertätigkeit hier nicht erhärtete, ändert dies nichts am objektiven Tatbestand nach § 5 Abs.2 StVO 1960 (VwGH 23. Februar 1996, ZI. 95/02/0567 u.a.). Die diesbezüglich vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsansicht zielt lediglich auf das Verweigerungsfaktum, nicht jedoch auf das Faktum einer Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt des Lenkens, dessen Verdacht schon die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung bildet (vgl. Messiner, StVO, 9. Auflage Seite 160, E9 u E316). Da hier die Verweigerung der Atemluftuntersuchung bei Vorliegen der aus einer ex-ante-Sicht zu beurteilenden gesetzlichen Voraussetzung (es genügt der bloße Verdacht) als tatbestandsmäßiges Verhalten bestehen, hatte eine Verfahrenseinstellung außer Betracht zu bleiben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits auch in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 1990, Zl. 89/03/0240, ausgesprochen hat, ist zwischen der Aufforderung zur Vorführung und dem Zeitpunkt der klinischen Untersuchung eine Wartezeit von 70 Minuten jedenfalls auch noch zumutbar. Keine Rechtspflicht der Aufforderung zur Vorführung Folge zu leisten, wurde erst für den Fall festgestellt, wenn dem Fahrzeuglenker das Eintreffen des Arztes lediglich zu ganz unbestimmter Zeit in Aussicht gestellt wird (in VwGH 12.4.1996, 96/02/0025). Wurde hier die sich aus der Verwendungsrichtlinie des Alkomaten ergebende Wartezeit von 15 Minuten um maximal 15 Minuten überschritten, berechtigte diese Frist den Berufungswerber im Lichte obiger Rechtsprechung noch nicht das Wachzimmer vor Vornahme der Atemluftuntersuchung zu verlassen.

6.2. Da hier jedoch von einer Alkoholisierung zum Lenkzeitpunkt nicht auszugehen ist, verbleibt letztlich nur der bloße Ungehorsam als Substanz für das tatbildlich strafbare Verhalten.

Durch § 100 Abs.5 StVO ist bei Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs.1, 2 oder 2a die Anwendung des § 21 VStG ausgeschlossen.

Aus diesem Grunde stellte der Oö. Verwaltungssenat den Antrag an den Verfassungsgerichtshof die Wortfolge im § 100 Abs.5 StVO "§ 21 und" als verfassungswidrig aufzuheben. Mit dem Erkenntnis des VfGH v. 15. März 2000, G 108/99-7, hob der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig auf, sodass für den nunmehr verfahrensgegenständlichen Anlassfall der § 21 VStG zur Anwendung gelangen kann und auf Grund der antragsspezifischen Sachverhaltsbeurteilung auch anzuwenden ist.

Die Behörde kann (und hat) demnach ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Wie oben schon dargelegt und insbesondere auch im Antrag an den Verfassungsgerichtshof bereits ausgeführt, erachtet hier der Oö. Verwaltungssenat die Tatschuld an der Verweigerung insofern als geringfügig, als diese vor dem Hintergrund im Wissen erst nach seiner Fahrt mit dem Fahrrad Alkohol konsumiert zu haben, erfolgte. Aus der Sicht des Betroffenen ist es daher durchaus nachvollziehbar, dass er angesichts einer nicht vordergründig einleuchtenden Grundlage für einen Alkotest nicht länger zu warten geneigt gewesen sein mag. Es konnten somit objektiv besehen mit der Verweigerung in Wahrheit auch keine nachteiligen Folgen verbunden gewesen sein. Da die Atemluftuntersuchung nicht als Selbstzweck, sondern letztlich im Kontext mit einem 'aufzuklärenden Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand' in Beziehung zu setzen ist, fällt dieses Beziehungsgefüge im Falle des Nachweises einer fehlenden Lenkeigenschaft in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand weg. Das Absehen von einer Bestrafung scheint hier im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit geboten. In dem im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellten geringen Verschulden und wegen der offenkundig fehlenden Alkoholisierung fehlenden nachteiligen Tatfolgen, besteht auf die Anwendung des § 21 VStG letztlich ein Rechtsanspruch der im Sinne der nunmehr anzuwendenden Rechtslage nicht vorenthalten werden durfte (VwGH 13.12.1990 90/09/0141 und VwGH 27.2.1992, 92/02/0033).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Absehen von Bestrafung, nachteilige Folgen, unbedeutende Folgen, Tatschuld, § 21 VStG

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