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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106384/2/BI/FB

Linz, 14.06.1999

VwSen-106384/2/BI/FB Linz, am 14. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn R S, H, M, vertreten durch P S, S, S, vom 26. Mai 1999 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 7. Mai 1999, VerkR96-13512-1998-Ro, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Schuld und Strafe bestätigt.

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 200 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG, §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S (48 Stunden EFS) verhängt, weil er am 13. August 1998 um 16.45 Uhr den Kombinationskraftwagen mit dem behördlichen Kennzeichen in M im Kreisverkehr an der B Bundesstraße nächst der Shell-Tankstelle von der U kommend in Richtung M gelenkt und es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er sein Fahrzeug vor der amtlichen Tatbestandsaufnahme von der Unfallstelle entfernt habe. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber wendet ein, es sei nicht richtig, daß der andere Unfallbeteiligte mit der Verständigung der Gendarmerie durch ihn nicht einverstanden gewesen sei, sondern er habe sich vielmehr ausdrücklich damit einverstanden erklärt. Seine Gattin M S habe diese Aussage mitverfolgt und könne diese Tatsache notfalls vor Gericht belegen. Er könne sich aber nicht erinnern, daß der Zeuge ihm angeboten hätte, die Gendarmerie zu verständigen, was er selbstverständlich angenommen hätte. Da er nachweislich schon jahrelang ein Beinleiden habe, wäre ihm eine Verständigung zu Fuß weder möglich noch zumutbar gewesen. Beantragt wird die Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber als Lenker eines Kombi am 13. August 1998 um 16.45 Uhr an einem Verkehrsunfall in M, nämlich beim Kreisverkehr B - R - U Straße, insofern beteiligt war, als er von der U Straße kommend im Kreisverkehr mit dem Motorrad des Zeugen J S, der von der R gekommen war, zusammenstieß. Der Zeuge S war nicht mehr in der Lage, das Motorrad zu halten, sodaß es auf die rechte Seite kippte, wobei sich der Zeuge leicht verletzte. Hinter dem Motorrad fuhr der Zeuge P mit seinem PKW und beobachtete den Vorfall.

Der Zeuge S erklärte bei der Unfallaufnahme, er spüre leichte Schmerzen im rechten Ellbogen, an der rechten Hüftseite und an beiden Knien, habe aber nicht vor, zum Arzt zu gehen. Er habe das Motorrad nicht mehr halten können und es sei auf die rechte Seite gefallen, wobei er sich diese Verletzungen vermutlich durch den Aufprall am Asphalt zugezogen habe. Laut seiner Zeugenaussage habe der Rechtsmittelwerber nach dem Unfall sein Fahrzeug angehalten, sei aber nicht ausgestiegen, sondern habe unmittelbar aus dem Auto heraus mit ihm gesprochen und ihm dabei nicht zu verstehen gegeben, daß er die Gendarmerie verständigen werde. Er sei der Meinung gewesen, daß ohnehin nichts passiert sei und habe auch nicht bezüglich einer Verletzung gefragt. Der Zeuge P habe zu ihm gesagt, er solle das Motorrad an Ort und Stelle liegenlassen und er werde die Gendarmerie verständigen, was dieser auch getan habe. Er habe keineswegs den Rechtsmittelwerber zur Gendarmerie geschickt, um diese zur Unfallaufnahme zu veranlassen, wohl aber habe der Zeuge P den Rechtsmittelwerber aufgefordert, sein Fahrzeug an der Unfallstelle stehenzulassen. Dieser sei aber damit zur Gendarmerie gefahren.

Der Zeuge P gab bei der Unfallaufnahme ebenso wie bei seiner Zeugenaussage an, der PKW-Lenker habe nach dem Unfall das Fahrzeug anhalten müssen, habe es aber nicht verlassen, sondern nur das Fenster heruntergedreht und den Motorradlenker gefragt, ob etwas passiert sei. Er selbst sei ausgestiegen und zum Motorradfahrer gegangen, wobei er den PKW-Fahrer gefragt habe, ob er jetzt davonfahren wolle. Dieser sei der Meinung gewesen, daß sowieso nichts passiert sei. Da niemand ein Handy mitgehabt habe, habe eine telefonische Verständigung nicht erfolgen können. Er selbst habe im Einverständnis mit dem Motorradlenker die Gendarmerie persönlich verständigt. Er könne aber nicht sagen, ob der Motorradlenker den Rechtsmittelwerber nach dem Unfall zur Meldung zur Gendarmerie geschickt habe. Er habe ihn jedenfalls bei der Gendarmerie gesehen, wo dieser ihm gegenüber geäußert habe, der Motorradfahrer habe ihn dort hingeschickt. Davon habe er aber nichts gehört.

Der Rechtsmittelwerber hat sich damit verantwortet, er habe am Unfall keine Schuld gehabt, da er als Vorrangberechtigter ordnungsgemäß in den Kreisverkehr eingefahren sei. Der Motorradfahrer sei aber nicht bei der Stop-Tafel stehengeblieben. Er habe das Motorrad gerade noch halten können, sodaß er nicht zu Boden gestürzt sei, zumal er sich während des Kippens halten habe können. Bei diesem Vorgang dürfte er sich womöglich verletzt haben. Er habe nach dem Unfall seinen PKW unverzüglich wegen der Benachrichtigung des nächstgelegenen Gendarmeriepostenkommandos entfernen müssen, zumal hiefür offenbar keine anderen Personen in der Lage gewesen seien und sich der Unfallgegner mit der Benachrichtigung ausdrücklich einverstanden erklärt habe. Es sei zunächst nicht eindeutig festgestanden, ob dieser überhaupt Verletzungen erlitten habe. Nach der Verständigung des GPK M sei er aber an den Unfallort zurückgekehrt und habe an der Rekonstruktion des Unfallgeschehens konstruktiv mitgewirkt. Er habe den Zeugen S ausdrücklich gefragt, ob er die Gendarmerie verständigen solle, was dieser unmißverständlich bejaht habe. Niemand habe ein Mobiltelefon bei sich gehabt und es habe sich auch sonst niemand erbötig gemacht, die Gendarmerie zu verständigen. Seine Gattin habe den Vorfall mitverfolgt.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken.

Eine Mitwirkungspflicht iSd § 4 Abs.1 lit.c StVO besteht jedenfalls dann, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht iSd § 4 Abs.2 StVO besteht.

Wohl gilt die Vorschrift des § 4 Abs.1 lit.c StVO an sich ohne Einschränkung, sie hat aber nicht immer und überall auch die Pflicht zum Inhalt, das Fahrzeug an der Unfallstelle unverändert zu belassen, bis der Sachverhalt festgestellt worden ist. Die Belassung von Fahrzeugen an der Unfallstelle wird jedoch immer dann notwendig sein, wenn dies zur Feststellung des Sachverhalts dienlich ist oder dienlich sein kann. Ist aber der Sachverhalt einschließlich des Verschuldens auch nach Wegschaffung der Fahrzeuge klar und ohne Schwierigkeiten zu rekonstruieren oder vermag die Belassung eines Fahrzeuges an der Unfallstelle eine Klärung nicht herbeizuführen, dann wird eine solche Verpflichtung nicht bestehen (vgl VwGH vom 29. Jänner 1992, 92/02/0009 ua).

Im gegenständlichen Fall bestand die Verständigungspflicht nach § 4 Abs.2 StVO schon deshalb, weil beim Zeugen S als Lenker eines Motorrades, das aufgrund des Anstoßes des Beschuldigtenfahrzeuges zur Seite kippte und schließlich samt Lenker auf der Fahrbahn zu liegen kam, nicht auszuschließen war, daß er sich bei diesem Sturz Verletzungen zugezogen hat, auch wenn solche zunächst noch nicht unmittelbar erkennbar waren. Der Zeuge klagte im Zuge der Unfallerhebungen über Schmerzen im Ellbogen, an der Hüfte und in den Knien. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sind aber weitergehende Verletzungen bei derartigen Unfallvorgängen mit Motorradlenkern nicht auszuschließen, sodaß anzunehmen ist, daß sich der Rechtsmittelwerber aus diesen Überlegungen - zu Recht - zur Meldung des Verkehrsunfalls beim GPK M entschlossen hat. Er hat dabei keineswegs als Bote des Zeugen S gehandelt, sondern als am Unfall ursächlich Beteiligter, weshalb sich ein Eingehen darauf, ob er die Unfallstelle berechtigt verlassen hat, erübrigt. Er ist außerdem sofort nach der Meldung an die Unfallstelle zurückgekehrt und stand auch bei der Unfallaufnahme zur Verfügung.

Daß an der Unfallstelle über die Verständigung der Gendarmerie gesprochen wurde, ergibt sich zweifellos aus den Aussagen sämtlicher Beteiligter, wohl aber ist nicht auszuschließen, daß sich der Zeuge P erst, nachdem der Rechtsmittelwerber zwecks Verständigung der Gendarmerie die Unfallstelle verlassen hat, bereiterklärt hat, als Bote des Zeugen S zu fungieren.

Der Rechtsmittelwerber hat zur Verständigung des GPK M den von ihm gelenkten PKW benützt, den er zu diesem Zweck aus der Unfallendlage entfernte. Er hat dies damit begründet, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, daß der Zeuge P sich zur Unfallmeldung bereiterklärt hätte und keiner der Beteiligten hätte ein Mobiltelefon bei sich gehabt. Er habe außerdem ein Beinleiden, sodaß ihm die Zurücklegung des Weges zu Fuß nicht möglich gewesen wäre.

Vonseiten des unabhängigen Verwaltungssenates ist dazu zu sagen, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelwerbers, seinen PKW von der Unfallstelle zu entfernen, das Verschulden am gegenständlichen Verkehrsunfall keineswegs eindeutig zuzuordnen war. Zum einen waren aufgrund der geringen Geschwindigkeit beider Fahrzeuge keine Bremsspuren sichtbar, sodaß die genaue Anstoßstelle nur aus der Unfallendlage der beiden beteiligten Fahrzeuge zu rekonstruieren war. Zum anderen ereignete sich der Anprall an das Motorrad schon kurz vor der B, wobei der Rechtsmittelwerber nach eigenen Angaben aus dem Stillstand weggefahren war, sodaß seine Geschwindigkeit eher gering anzusetzen war. Warum es überhaupt zum Anprall an das für den Rechtsmittelwerber die ganze Zeit über sichtbare Motorrad gekommen ist, ist nicht mit dem (behaupteten) alleinigen Verschulden des Zeugen S erklärbar. Der Rechtsmittelwerber konnte daher nicht von vornherein ausschließen, daß die Belassung seines Fahrzeuges in Unfallendlage für die Feststellung des Sachverhalts dienlich sein könnte.

Für den Rechtsmittelwerber hätte aber auch ohne Mobiltelefon die Möglichkeit einer Unfallmeldung bei der Gendarmerie insofern bestanden, als sich gegenüber der Unfallstelle an der B eine Tankstelle befindet, bei der mit Sicherheit ein Telefon zur Verfügung gestanden wäre. Die Wegschaffung des PKW von der Unfallstelle war also in keiner Weise erforderlich, um diese Unfallmeldung erstatten zu können. Es wäre dem Rechtsmittelwerber auch zumutbar gewesen, die B zu Fuß zu überqueren, zumal der bloße Hinweis auf ein, wenn auch bereits jahrelang bestehendes, Beinleiden keineswegs die gänzliche Unbeweglichkeit zu Fuß bedeutet. Da außerdem nach den Einwendungen des Rechtsmittelwerbers auch seine Gattin an der Unfallstelle anwesend war, hätte auch diese jederzeit die Meldung bei der Gendarmerie erstatten können.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß es für die Erstattung der Unfallmeldung mehrere Möglichkeiten gegeben hätte, sodaß es keineswegs im Sinne des Rechtsmittelvorbringens erforderlich gewesen wäre, den PKW aus der Unfallendlage zu entfernen. In dieser Hinsicht soll dem Rechtsmittelwerber jedoch keine böse Absicht unterstellt werden; vielmehr ist nicht auszuschließen, daß die Zurücklegung des Weges zum GPK M mit dem PKW aus Gewohnheit bzw aus einer Gedankenlosigkeit heraus erfolgte.

Da es sich bei der dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegten Bestimmung um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs.1 VStG handelt und es diesem nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, war davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß der Strafrahmen des § 99 Abs.2 StVO 1960 von 500 S bis 30.000 S Geldstrafe bzw 24 Stunden bis 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers und das Nichtvorliegen von straferschwerenden Umständen ausreichend berücksichtigt und auch die Schätzung der finanziellen Verhältnisse wurde nicht angefochten.

Die von der Erstinstanz verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung und ist äußerst niedrig bemessen, sodaß kein Anhaltspunkt für eine Herabsetzung zu finden ist. Die Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält sowohl general- wie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beschlagwortung: Entfernung des unfallbeteiligten PKW von der Unfallstelle zwecks Verständigung der Gendarmerie nicht gerechtfertigt -> Bestätigung.

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