Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106397/2/BI/FB

Linz, 23.06.1999

VwSen-106397/2/BI/FB Linz, am 23. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F S, A, D, vertreten durch Rechtsanwalt C P G, F, O, vom 3. Mai 1999 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14. April 1999, VerkR96-8829-1998, in Angelegenheit einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt wird, daß der Einspruch vom 26. Oktober 1998 wegen der bereits außer Kraft getretenen Strafverfügung als unzulässig zurückgewiesen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 49 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem angefochtenen Bescheid den Einspruch des Rechtsmittelwerbers vom 26. Oktober 1998 gegen die wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 ergangene Strafverfügung vom 6. Juli 1998, VerkR96-8829-1998, als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Begründet wurde dies damit, daß die genannte Strafverfügung laut Rückschein am 17. Juli 1998 eigenhändig zugestellt wurde, sodaß die Rechtsmittelfrist mit 31. Juli 1998 geendet habe. Der Einspruch sei aber erst am 26. Oktober 1998 zur Post gegeben worden, sodaß die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen sei.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z4 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht geltend, die Strafverfügung habe den Zusatz enthalten "Sollten Sie am 11.4.1998 den von Ihnen gemieteten PKW nicht selbst gelenkt haben, so werden Sie ersucht, beiliegende Lenkererhebung ausgefüllt anher zu retournieren". Daraus ergebe sich bereits, daß diese nur für den Fall Gültigkeit habe, daß er selbst den PKW gelenkt habe. Er habe aber eine Lenkererhebung (gemeint wohl: Lenkerauskunft) abgegeben und damit bereits bestritten, den PKW gelenkt zu haben, wobei diese der Erstinstanz am 31. Juli 1998, damit fristgerecht, zugegangen sei. Damit sei bereits Einspruch gegen die Verfügung eingelegt worden.

Zum anderen sei aber auch unabhängig davon das Schreiben als Einspruch gegen die Verfügung vom 3. Juli 1998 auszulegen, weil nämlich daraus für die Erstinstanz erkennbar gewesen sei, daß er sich gegen die Verfügung in ihrer Gesamtheit wende und nicht nur ausschließlich auf die Lenkererhebung beziehe. Verfügung und Aufforderung zur Lenkererhebung stellten nämlich eine Einheit dar. Die Erstinstanz habe sein Schreiben auch als Einspruch gegen die Verfügung behandelt. Aus diesem Grund sei gegen die Verfügung fristgerecht Einspruch eingelegt worden und daher der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weshalb angeregt werde, das Verfahren einzustellen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht zunächst hervor, daß der Lenker des PKW am 11. April 1998 um 11.06 Uhr bei km 243,720 der A W in Fahrtrichtung S mittels Radargerät MUVR 6F Nr. 691 mit einer Geschwindigkeit von 182 km/h gemessen wurde, obwohl im dortigen Bereich die auf österreichischen Autobahnen generelle Geschwindigkeitsbeschränkung auf 130 km/h zu beachten war. Nach Vornahme der vom Hersteller vorgeschriebenen Toleranzabzüge wurde der Anzeige eine Geschwindigkeit von 173 km/h zugrunde gelegt. Der Zulassungsbesitzer/Halter des Fahrzeuges, die Porsche Financial Services GmbH, B, teilte im Rahmen der Lenkerauskunft mit, daß der PKW vom 10. bis 12. April 1998 von der AVIS Autovermietung GmbH & CoKG, O, an den Rechtsmittelwerber vermietet worden war. Aus der Abschrift des Mietvertrages geht ein weiterer Mieter nicht hervor, allerdings besteht ein Hinweis auf einen zusätzlichen Fahrer und eine Insassen-Unfallversicherung.

Mit Strafverfügung der Erstinstanz vom 6. Juli 1998 wurde dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegt am 11. April 1998 um 11.06 Uhr den PKW (D) auf der A in Richtung S gelenkt und im Gemeindegebiet von S bei km 243,720 die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 43 km/h überschritten zu haben. Wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 wurde gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 3.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden, verhängt. Die Strafverfügung enthielt weiters Hinweise auf die Zahlungsfrist sowie eine Rechtsmittelbelehrung und den Zusatz: "Sollten Sie am 11.4.1998 den von Ihnen gemieteten PKW nicht selbst gelenkt haben, so werden Sie ersucht, beiliegende Lenkererhebungen binnen 14 Tagen ausgefüllt anher zu retournieren."

Mit gleicher Post wurde seitens der Erstinstanz an den Rechtsmittelwerber die Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 gerichtet, als Auskunftsperson binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Erstinstanz mitzuteilen, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen (D) am 11. April 1998 um 11.06 Uhr auf der A im Gemeindegebiet von S in Richtung S gelenkt habe. Es wurde darauf hingewiesen, daß das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei und auf dem beigelegten Vordruck, der auch den genauen Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG 1967 enthielt, wurde darauf hingewiesen, daß den Halter bzw Verfügungsberechtigten über ein Fahrzeug die Pflicht zur Bekanntgabe des Lenkers treffe, er bei Nichterteilung, unvollständiger oder fehlerhafter Erteilung der Auskunft mit einem Strafverfahren wegen Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG rechnen müsse und zu beachten sei, daß ein Zeugnisverweigerungsrecht auch gegenüber Angehörigen nicht bestehe und als Ort der Begehung der strafbaren Handlung der Sitz der österreichischen Behörde, die die Auskunft verlangt habe, anzusehen sei, weshalb österreichisches und nicht deutsches Recht zur Anwendung komme, auch wenn der Beschuldigte in Deutschland wohnhaft sei.

Laut Rückschein wurden beide Schriftstücke dem Rechtsmittelwerber am 17. Juli 1998 eigenhändig zugestellt.

Mit Fax vom 30. Juli 1998, 19.38 Uhr, eingelangt am 31. Juli 1998, erging seitens des Rechtsmittelwerbers ein Schreiben an die Erstinstanz mit dem Hinweis auf die "Strafverfügung - VerkR96-8829-1998" und folgendem Wortlaut:

"In der o.g. Angelegenheit teile ich Ihnen heute mit, daß der besagte Porsche von zwei Personen gemietet wurde. Neben mir noch von Herrn Rechtsanwalt P. G, F, O.

Weitere Angaben können nicht gemacht werden, da die Fahrerfrage nach über 3 Monaten nicht geklärt werden konnte. Um ein Beweisphoto wird deshalb gebeten. Ebenso wird um Mitteilung des Meßverfahrens gebeten...."

Mit Schreiben vom 6. Oktober 1998 wurde der Rechtsmittelwerber von der Erstinstanz ersucht, die finanziellen Verhältnisse bekanntzugeben.

Bei der Erstinstanz langte am 27. Oktober 1998 ein Schreiben des Rechtsmittelwerbers, vertreten durch Rechtsanwalt C P G, O, (FAX vom 26. Oktober 1998, 12.26 Uhr) mit folgendem Wortlaut ein:

"In vorbezeichneter Angelegenheit bestelle ich mich zum Verteidiger des Betroffenen, lege gegen die o.g. Verfügung Einspruch ein und beantrage dem Unterzeichneten Akteneinsicht zu gewähren. Eine Stellungnahme wird nach gewährter Akteneinsicht erfolgen. ..."

Das Schreiben wurde zusätzlich auf dem Postweg übermittelt.

Die Erstinstanz forderte daraufhin vom Landesgendarmeriekommando für Oö die Original-Radarfotos an und brachte diese über das Polizeiamt O dem Rechtsmittelwerber mit dem Ersuchen um Stellungnahme zur Kenntnis, die dieser auch mit Schreiben vom 11. Jänner 1999 dahingehend erstattete, daß er ausführte, die Frage, wer das Kraftfahrzeug gefahren sei, könne nicht geklärt werden, da auch aus dem überlassenen Foto dazu nichts zu entnehmen sei. Beantragt wurde nochmals die Einstellung des Verfahrens.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung schriftlich Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung iSd § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem aufgrund des Einspruchs ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden, als in der Strafverfügung.

Gemäß Abs.3 leg.cit. ist, wenn der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, die Strafverfügung zu vollstrecken.

Im gegenständlichen Fall wurde die Strafverfügung der Erstinstanz dem Rechtsmittelwerber am 17. Juli 1998 eigenhändig zugestellt, weshalb die Rechtsmittelfrist mit diesem Tag zu laufen begann und am 31. Juli 1998 ablief.

Innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist langte bei der Erstinstanz das oben angeführte Schreiben des Rechtsmittelwerbers vom 30. Juli 1998 ein, in dem unter Bezugnahme auf die Strafverfügung ausgeführt wurde, daß außer ihm noch eine zweite Person den PKW gemietet hätte und die Fahrerfrage nach über drei Monaten nicht geklärt werden könne.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß es sich bei diesem Schreiben sowohl um die Antwort auf das Ersuchen der Erstinstanz gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 handelt, als auch um einen Einspruch gegen die genannte Strafverfügung. Zum einen wurde diese Strafverfügung als Grundlage genannt und zum anderen ist in der Strafverfügung der Erstinstanz angeführt, daß eine Auskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 nur zu erteilen ist, wenn der Rechtsmittelwerber den von ihm gemieteten PKW nicht selbst gelenkt habe. Wenn der Rechtsmittelwerber den PKW nicht selbst gelenkt hat, kann er nicht Adressat des Tatvorwurfs sein, was er mit seiner Antwort auf das Lenkerauskunftsersuchen offensichtlich zum Ausdruck bringen wollte. Auch wenn in diesem Schreiben eine ausdrückliche Bezeichnung als "Einspruch" oder "Rechtsmittel" fehlt, so ist schon daraus, daß der Rechtsmittelwerber ausgeführt hat, die Fahrerfrage könne nicht geklärt werden, davon auszugehen, daß er die Strafverfügung nicht akzeptieren wollte.

Inwieweit die Vorgangsweise der Erstinstanz, eine Strafverfügung gegenüber einer bestimmten Person zu erlassen, um diese gleichzeitig zu fragen, wer den PKW gelenkt hat, wenn sie sich nicht selbst als Adressat der Strafverfügung sieht, sinnvoll und überhaupt zulässig ist, ist fraglich. Wenn aber der Empfänger der Strafverfügung daraufhin gemäß dem Ersuchen der Erstinstanz handelt, kann ihm das wohl nicht zum Nachteil gereichen.

Die Erstinstanz hat mit der Anforderung der Original-Radarfotos und der Gewährung des Parteiengehörs nunmehr auch das ordentliche Verfahren im Hinblick auf eine Übertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eingeleitet.

Da das ausdrücklich als Einspruch gegen die Strafverfügung VerkR96-8829-1998 betitelte Schreiben des nunmehr anwaltlich vertretenen Rechtsmittelwerbers vom 26. Oktober 1998 zu einem Zeitpunkt eingebracht wurde, zu dem die Strafverfügung bereits außer Kraft getreten war, war der Einspruch nicht als verspätet, sondern als unzulässig - ihm fehlte wegen der bereits außer Kraft getretenen Strafverfügung die rechtliche Grundlage - zurückzuweisen und damit spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beschlagwortung: Erstinstanz erließ gleichzeitig Lenkeranfrage und Strafverfügung wegen StVO mit dem Zusatz, die Lenkerauskunft möge erstattet werden, wenn BW nicht gleich Lenker -> Lenkerauskunft unter Bezugnahme auf Strafverfügung war als Einspruch zu werten -> Strafverfügung trat außer Kraft -> neuer Einspruch 3 Monate später im Zuge des Parteiengehörs war mangels Grundlage als unzulässig (nicht als verspätet) zurückzuweisen.

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