Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106459/23/Ki/Ka

Linz, 06.04.2000

VwSen-106459/23/Ki/Ka Linz, am 6. April 2000 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Dr. Leitgeb, Berichter Mag. Kisch) über die Berufung des Z, vom 8.6.1999, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 20.5.1999, VerkR96-13946-1998, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach Durchführung von öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlungen am 5. Oktober 1999 und am 16. November 1999, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird
  2. behoben und das Verfahren eingestellt.

  3. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens-kostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat mit Straferkenntnis vom 20.5.1999, VerkR96-13946-1998, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 30.11.1998 um 02.30 Uhr den Kombi, Kennz. auf der Schlierbacher-Landesstraße auf Höhe Strkm. 12,920 im Gemeindegebiet von Schlierbach in Richtung Wartberg/Krems gelenkt, wobei der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, nämlich 0,73 mg/l betrug. Gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt.

Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 1.500 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 8.6.1999 Berufung mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und in der Sache auf Einstellung des Verfahrens zu erkennen. Im Ergebnis wird die vorgeworfene Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Lenkens bestritten.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch die laut Geschäftsordnung zuständige 9. Kammer zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung von zwei öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlungen am 5.10.1999 und am 16.11.1999. Überdies wurde in den Strafakt des Landesgerichtes Steyr, GZ. 15EVr 9/00 betreffend ein Strafverfahren gegen Z und W Einsicht genommen.

An der mündlichen Berufungsverhandlung am 5.10.1999 nahmen der Rechtsvertreter des Bw sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. teil. Als Zeugen wurden der Meldungsleger sowie Frau W einvernommen. Bei der Verhandlung am 16.11.1999 waren der Bw und sein Rechtsvertreter anwesend.

I.5. Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen bzw als Ergebnis der durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlungen ergibt sich nachstehender verfahrensrelevanter Sachverhalt:

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des Gendarmeriepostens Kirchdorf/Kr. vom 2.12.1998 zugrunde. Darin wird dem Bw zur Last gelegt, dass er zur genannten Tatzeit den bezeichneten PKW auf der Schlierbacher-Landesstraße lenkte, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand. Eine Prüfung der Atemluft mittels Atemluftalkoholmessgerät um 08.14 Uhr ergab einen Alkoholgehalt in der Atemluft von 0,46 mg/l. Weiters wurde dem Bw zur Last gelegt, er sei von der Fahrbahn abgekommen und gegen ein Brückengeländer gestoßen. Er habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle oder den Geschädigten die Straßenmeisterei Kirchdorf/Kr. zu verständigen.

Der Beschuldigte habe sinngemäß angegeben, er sei auf der Schlierbacher-Landesstraße gefahren, wobei ihm unweit vom Renault Händler ein unbekanntes Fahrzeug auf seiner Seite entgegenkam. Er sei dem Fahrzeug ausgewichen und dabei gegen das Brückengeländer gestoßen. Nachdem das Fahrzeug beschädigt und nicht fahrbereit war, habe er das Fahrzeug am Straßenrand stehen lassen. Er sei sehr stark nervös gewesen und dürfte deshalb nicht die Gendarmerie verständigt haben.

Der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf ermittelte durch Rückrechnung einen Atemluftalkoholgehalt zur vorgeworfenen Tatzeit von 0,73 mg/l.

In einer Beilage zur oben erwähnten Anzeige wurde angeführt, der Beschuldigte habe angegeben, am 29.11.1998 bis 20.00 Uhr eine Halbe Bier bzw am 29.11.1998 von ca. 23.00 Uhr bis ca. 02.00 Uhr ein Seidel Bier und ein Cola-Bacardi getrunken zu haben. Diese Angaben wurden in einer Stellungnahme vom 3.12.1998 bestätigt.

In einer weiteren Stellungnahme vom 29.12.1998 führte der Beschuldigte dann aus, dass er dem Gendarmeriebeamten erklärt hatte, er habe nach seiner Heimkehr vier Flaschen Bier konsumiert. Dies hätte der Beamte lachend zur Kenntnis genommen. Diese Trinkverantwortung wurde letztlich während des gesamten Verfahrens aufrecht erhalten.

Bei einer Einvernahme am 2.2.1999 vor der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. führte die Zeugin W aus, dass sie den Beschuldigten nach dem Verkehrsunfall nach Hause gebracht habe. Sie sei dann bei ihm zu Hause gewesen und er sei sichtlich über den Verkehrsunfall mit seinem beschädigten Auto frustriert gewesen. Aus diesem Grund habe er dann glaublich zwei Flaschen Bier getrunken, bevor sie ins Bett gingen. Wieviel Flaschen er genau getrunken hat, könne sie beim besten Willen nicht mehr sagen. Sie wisse auch nicht, ob er eventuell dadurch alkoholisiert gewesen sei, weil sie dann schon geschlafen habe. Sie glaube aber auch nicht, dass er mehr als zwei Flaschen Bier getrunken habe, weil er vor dem Einschlafen noch einen Videofilm angesehen hat. Sie sei um ca. 6.30 Uhr nach Hause gefahren.

Der Meldungsleger führte bei einer zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. aus, dass er den Beschuldigten zum Alkoholkonsum genauestens gefragt habe. Bezüglich eines eventuellen Nachtrunkes habe ihm der Beschuldigte über seine Befragung vorerst angegeben, dass er nach dem Aufstehen zum Frühstück ein Bier getrunken hätte. Diesen Nachtrunk habe er dann anschließend noch während der Befragung widerrufen. Bezüglich eines Nachtrunkes von vier Flaschen Bier sei überhaupt keine Rede gewesen. Falls der Beschuldigte tatsächlich Angaben wegen eines Nachtrunkes gemacht hätte, wäre diese von ihm notiert worden. Die Äußerung, dass er eine hohe Rechnung von der Straßenverwaltung für das Brückengeländer bekommen werde und er weiters Bekanntschaft mit dem "Wagner Jauregg" machen würde, habe er nicht gemacht.

Letztlich hat die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. das Verwaltungs-strafverfahren hinsichtlich des Tatbestandes nach § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 eingestellt, im Übrigen aber das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

Bei einer Aussage am 10.9.1999 vor der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat dann Frau W ihre ursprüngliche Zeugenaussage vom 2.2.1999 widerrufen. Der Beschuldigte habe sie erst später angerufen und ihr vom Vorfall erzählt. Er habe ihr in der Folge die am 2.2.1999 getätigte Aussage regelrecht in den Mund gelegt. Er habe ihr mit einer - näher bezeichneten - Verletzung an der Ehre gedroht, wenn sie vor der Behörde nicht so aussage, wie er es ihr vorgegeben habe. Nachdem sie nunmehr zu einer Berufungsverhandlung als Zeugin geladen sei, wolle sie diese Lüge nicht weiter aufrecht erhalten und die Wahrheit sagen. Diese Angaben hat die Zeugin dann bei ihrer Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigt.

Bei einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Gendarmerieposten Kirchdorf/Kr. am 15.10.1999 beharrte die Zeugin darauf, dass sie der Beschuldigte im Jänner 1999 unter einer entsprechenden Drohung zur falschen Aussage vor der Bezirkshauptmannschaft genötigt habe. Ca. ein bis zwei Monate nach dieser Unterredung sei sie von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf zur Aussage geladen worden. Sie habe dabei die von Z geforderte falsche Aussage vor der Behörde gemacht. Ca. einen Monat nach ihrer Aussage sei sie abermals zur Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. gegangen und habe die Aussage widerrufen. Sie habe Z von ihrem Widerruf nicht in Kenntnis gesetzt.

Der Meldungsleger führte bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme aus, dass es richtig sei, der Bw habe zunächst gesagt, er hätte ein oder zwei Bier getrunken, dies nach dem Aufstehen. Er habe den Bw dahingehend informiert, das sei sowieso egal, weil jedenfalls ein Alkotest durchgeführt werde. Nach dem Alkotest habe der Proband dann die Nachtrunkbehauptung widerrufen, weil er ihm erklärt habe, dass dies sowieso "ein Blödsinn" sei. Da die Nachtrunkbehauptung widerrufen wurde, habe er nichts in der Anzeige davon erwähnt. Dass der Beschuldigte angegeben hätte, er habe vier Bier als Nachtrunk konsumiert, daran könne er sich nicht erinnern und er bezweifle auch, dass diese Nachtrunkbehauptung tatsächlich erfolgte. Er habe aber Herrn Z vorgeworfen, dass er sich nicht vorstellen könne, dass er zwei Halbe Bier vor der Arbeit konsumiert habe.

Es stimme, dass er dem Beschuldigten mit dem Wagner-Jauregg-Krankenhaus gedroht habe. Im Zusammenhang mit der Abnahme des Führerscheines habe der Bw erklärt, er brauche den Führerschein für seine Existenz, er müsse sich etwas überlegen. Der Meldungsleger habe dem Beschuldigten daraufhin erklärt, er solle aufpassen, weil, wenn eine Selbstgefährdung vorliegt, es sein könne, dass er ins Wagner-Jauregg-Krankenhaus kommen müsste.

Der Beschuldigte verblieb bei seiner Einvernahme bei der Rechtfertigung, er habe dem Gendarmeriebeamten gegenüber angegeben, dass er vier Bier getrunken habe.

Aus dem Akt des Landesgerichtes Steyr (15 EVr 9/00) geht hervor, dass der Beschuldigte vom Vorwurf der gefährlichen Drohung mit einer Verletzung an der Ehre bzw Frau Alexandra Wagner vom Vorwurf, sie habe am 2.2.1999 im Verwaltungsverfahren VerkR96-13946-1998 der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf als Zeugin bei einer förmlichen Vernehmung zur Sache vorsätzlich falsch ausgesagt, freigesprochen wurden.

I.6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 12.000 S bis 60.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 10 Tagen bis 6 Wochen zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

Zunächst wird festgestellt, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Dies bedeutet, dass, wenn der Sachverhalt nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit geklärt werden kann, ein Freispruch zu erfolgen hat.

Im gegenständlichen Falle ist unklar, ob der Beschuldigte nach Beendigung des Lenkens noch alkoholische Getränke zu sich genommen hat. Eine Rückrechnung des Atemluftalkoholgehaltes vom Zeitpunkt des Alkotests bis zum Unfallszeitpunkt würde eine Alkoholisierung zum Lenkzeitpunkt ergeben. Allerdings behauptet der Beschuldigte, er habe nach dem Lenken noch vier Flaschen Bier konsumiert. Dieser Umstand erscheint der erkennenden Berufungsbehörde nicht schlüssig, zumal der Konsum von vier Flaschen Bier im konkreten Falle doch eher unwahrscheinlich ist.

Allerdings kann davon ausgegangen werden, dies wurde letztlich vom Meldungsleger doch bestätigt, dass der Beschuldigte ihm gegenüber angegeben hat, er habe als Nachtrunk eine oder zwei Flaschen Bier konsumiert. Folgt man der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), wonach eine Nachtrunkbehauptung insbesondere dann glaubwürdig ist, wenn darauf bei erster sich bietender Gelegenheit darauf hingewiesen wurde (VwGH 95/02/0350 vom 5.9.1997), so kann seitens der erkennenden Berufungsbehörde nicht ausgeschlossen werden, dass der Bw letztlich zu Hause noch zwei Flaschen Bier konsumiert hat. Legt man diesen Nachtrunk von zwei Flaschen Bier einer Rückrechnung auf den Lenkzeitpunkt zugrunde, so würde sich jedenfalls ein Wert von unter 0,8 Promille ergeben.

Was die Aussagen der Zeugin W anbelangt, so können beide Versionen als schlüssig angesehen werden. Letztlich ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Aussage vor der Berufungsbehörde persönlich motiviert war. In Anbetracht dessen, dass Frau Wagner auch durch das Landesgericht Steyr vom Verdacht der falschen Beweisaussage vor der Verwaltungsbehörde im Zusammenhang mit ihrer Aussage vom 2.2.1999 freigesprochen wurde, bzw dass sich auch sonst in ihren Aussagen Widersprüche ergeben, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie zunächst vor der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems doch keine falsche Zeugenaussage gemacht hat.

Demnach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte nach dem Lenken zu Hause zumindest einen Nachtrunk von zwei Flaschen Bier getätigt hat und er daher zum Lenkzeitpunkt tatsächlich nicht im festgestellten Ausmaß alkoholisiert war.

Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass der dem Beschuldigten zur Last gelegte Sachverhalt in Anwendung des oben erwähnten Grundsatzes "in dubio pro reo" nicht als erwiesen angesehen werden kann, weshalb der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

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