Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106467/8/BI/FB

Linz, 28.09.1999

VwSen-106467/8/BI/FB Linz, am 28. September 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Mag. Alfred Kisch, Berichterin: Mag. Karin Bissenberger, Beisitz: Dr. Wolfgang Weiß) über die Berufung des Herrn R S, P, vom 18. Juni 1999 gegen Punkt 1) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 11. Juni 1999, VerkR96-2523-1999-Shw, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis im Punkt 1) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich ohne Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z2 und 66 VStG, §§ 5 Abs.2 iVm 99 Abs.1 lit b StVO 1960

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat im Punkt 1) des oben genannten Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.2 iVm 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 18.000 S (14 Tage EFS) verhängt, weil er am 6. Mai 1999 das Motorfahrrad, KTM Duo, Kz., auf der R Bundesstraße von Richtung R kommend in Richtung A bis auf Höhe der Zufahrt zur Firma B, P, Strkm 41,9, gelenkt und sich am 6. Mai 1999 in der Zeit von 00.37 Uhr bis 00.45 Uhr in A auf der Bushaltestelle nächst der Firma H im Rettungswagen des ÖRK gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde dazu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, einem Gendarmeriebeamten, geweigert habe, seine Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er verdächtig gewesen sei, das oben angeführte Kraftfahrzeug bei der gegenständlichen Fahrt in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben.

Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von 1.800 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe beim Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und sei auf Grund seiner Verletzungen zu einem Alkotest gar nicht in der Lage gewesen, sondern nur zu einer Blutabnahme. Er könne sich weder an eine Aufforderung zum Alkotest erinnern noch an das Zustandekommen des Verkehrsunfalles. Erst im Krankenhaus Braunau habe er das Bewußtsein wiedererlangt und zwar auf der Intensivstation. Er sei vom 6. bis 20. Mai 1999 dort in stationärer Behandlung gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Einholung eines medizinischen Sachverständigen-Gutachtens durch die Amtsärztin Dr. H auf der Grundlage der Krankengeschichte.

Aus der Anzeige geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber am 6. Mai 1999 um 00.15 Uhr das Motorfahrrad, , auf der R Bundesstraße im Ortgebiet von P lenkte, wo er sich bei der Zufahrt zur Fa B bei einem Sturz selbst verletzte. Der Meldungsleger RI L forderte ihn laut Anzeige um 00.37 Uhr zur Atemluftuntersuchung auf Alkoholgehalt auf, die der Rechtsmittelwerber trotz Belehrung über die Folgen einer Verweigerung bis 00.45 Uhr verweigerte. Er wurde daraufhin ins Krankenhaus Braunau/Inn eingeliefert.

Laut Anzeigenbeilage wies der Rechtsmittelwerber deutlichen Alkoholgeruch der Atemluft auf, weiters lallende Sprache, schläfriges Benehmen und eine deutliche Bindehautrötung. Der Gang konnte nicht beurteilt werden, weil er bereits im Rot-Kreuz-Fahrzeug lag. Er machte keine Angaben über einen Alkoholkonsum.

Laut dem unter Miteinbeziehung der Krankengeschichte des Krankenhauses S in Braunau/Inn erstellten Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. H vom 18. August 1999, San-231-064/1 und 1ad-1999-Has/Kuk hat der Rechtsmittelwerber beim Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I-II mit Subduralhaematom temperoperiatal links und frontobasal rechts sowie Subarachonidalblutung links (Gehirnblutung links), eine Rißquetschwunde am Hinterkopf sowie multiple Hautabschürfungen am Schädel und an beiden Händen erlitten, wobei der Verdacht auf Schädelfraktur im Computertomographie-Befund ausgeschlossen werden konnte. Beim Aufnahme-Befund war der Rechtsmittelwerber noch zeitlich desorientiert, klagte über Kopfschmerzen und Schwindel und konnte sich an den Unfallhergang nicht erinnern. Er wurde zur Abklärung des Verdachtes auf Schädelfraktur drei Tage auf der Intensivstation behandelt.

Laut Gutachten ist es aus medizinischer Sicht durchaus möglich, daß der Rechtsmittelwerber durch das schwerere Schädel-Hirn-Trauma (Gehirnblutung) zum beurteilungsrelevanten Zeitpunkt zur Aufforderung zur Alkomatuntersuchung etwa 40 Minuten nach dem Unfall derart bewußtseinsbeeinträchtigt war, daß er die Aufforderung zur Alkomatuntersuchung nicht wahrgenommen und verstanden hat. Dafür spricht auch, daß er bei der Aufnahmeuntersuchung im Krankenhaus immer noch Orientierungsschwierigkeiten hatte und die typischen Symptome einer schwerwiegenden Gehirnerschütterung bot. Für den Zeitpunkt der Aufforderung zur Alkomatuntersuchung 00.38 Uhr und natürlich umso mehr für den Zeitraum zwischen Unfall und Aufforderung zur Alkomatuntersuchung zwischen 00.15 Uhr und 00.38 Uhr ist aus medizinischer Sicht das Vorliegen einer "Zurechnungsunfähigkeit" durchaus wahrscheinlich.

Das gegenständliche Sachverständigen-Gutachten wurde der Erstinstanz im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht; eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf der Grundlage dieses Gutachtens zur Auffassung, daß im gegenständlichen Fall nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß sich der Rechtsmittelwerber zur Zeit der Aufforderung zur Atemluftalkoholuntersuchung als Folge der beim Unfall erlittenen Verletzungen in einem Zustand befunden hat, in dem es ihm nicht möglich war, die Aufforderung in ihrer gesamten Tragweite zu verstehen und entsprechend zu reagieren.

In rechtlicher Hinsicht ist daher zugunsten des Rechtsmittelwerbers von seiner mangelnden Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt durch den Meldungsleger iSd § 3 Abs.1 VStG auszugehen, weshalb gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG das angefochtene Straferkenntnis in seinem Punkt 1) aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen war, weil Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

Auf dieser Grundlage fallen naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge hinsichtlich Punkt 1) des Straferkenntnisses nicht an.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Med. Sachverständigengutachten ergab im konkreten Fall Unzurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers -> Einstellung des Verfahrens.

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