Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106504/8/BR

Linz, 24.08.1999

VwSen-106504/8/BR Linz, am 24. August 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn F gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems, vom 3. Juli 1999, Zl.: VerkR96-15417-1998 Sö, wegen Übertretung des KFG 1967, nach der am 24. August 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber eine Geldstrafe von 700 S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer des Pkw, Kennzeichen der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems auf ihr schriftliches Verlangen vom 28.12.1998 nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber

erteilt habe, wer das KFZ mit dem Kennzeichen am 10.8.1998 um 16.17 Uhr in Österreich auf der A9 bei km 40,986 in Richtung Kirchdorf/Krems gelenkt habe, indem er mit Schreiben vom 21. Jänner 1999 die Auskunft darüber verweigert habe.

 

2. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf die Nichtnamhaftmachung eines Lenkers und auf die Verfassungsbestimmung im § 103 Abs.2 KFG.

2.1. In der dagegen fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung verweist der Berufungswerber unter anderem auf die fehlende Rechtswidrigkeit des hier vorliegenden Tatvorwurfes mit Blick auf das Verbot eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung. Ferner auf ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der nicht vorhandenen Möglichkeit, den tatsächlichen Lenker - wobei nur zwei dem Berufungswerber nahestehende Personen in Betracht kämen - noch eruieren zu können. Schließlich wendet der Berufungswerber unter Hinweis auf § 31 Abs.2 VStG noch Verjährung ein. Dies begründet der Berufungswerber damit, dass ihm in der Strafverfügung als Tatzeit (nur) "Schreiben vom 21. 1. 1999" zur Last gelegt wurde, wovon jedoch im angefochtenen Straferkenntnis nicht die Rede ist.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich in Verbindung mit den ergänzenden Angaben im Rahmen der Berufungsverhandlung der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt.

4. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

5. Der Berufungswerber hat nach Zustellung einer sogenannten Anonymverfügung mit Schreiben vom 21. November 1998 der Erstbehörde mitgeteilt, es kämen als Lenker nur zwei Personen in Betracht. Bei diesen Personen handle es sich um Verwandte ersten Grades, sodaß ihm diesbezüglich auch ein Aussageverweigerungsrecht zukomme. Nach mehr als drei Monaten könne er jedoch nicht mehr eruieren, wer konkret zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort lenkte (am 10.8.1998, 16.17 Uhr, A9 bei Kilometer 40.986). Abschließend vermeinte der Berufungswerber auch noch, als nicht in Österreich aufhältiger (deutscher) Staatsbürger könne er nach dem Territorialitätsprinzip zur Erteilung dieser Auskunft auch nicht verpflichtet sein.

In der Folge forderte die Erstbehörde den Berufungswerber mit Schreiben vom 28. Dezember 1998 zur Lenkerauskunft bezüglich den vorhin genannten Zeitpunkt auf. Auf diese Aufforderung reagierte der Berufungswerber mit einer am 9. Jänner 1999 zur Post gegebenen Mitteilung, welcher er abermals das Schreiben vom 21. November 1998 beifügte.

Dies qualifizierte die Erstbehörde als Verweigerung der Lenkerauskunft im Sinne des § 103 Abs.2 KFG.

5.1. Anläßlich der Berufungsverhandlung erklärte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers - welcher urlaubsbedingt nicht persönlich zur Berufungsverhandlung erscheinen konnte - in zumindest nicht widerlegbarer und auch gut nachvollziehbarer Weise, warum er auf den fraglichen Zeitpunkt den Lenker nicht mehr namhaft machen konnte.

Diesbezüglich ist zu bedenken, dass von einem deutschen Fahrzeughalter - im Gegensatz zu einem österreichischen - die Kenntnis des Rechtsinstitutes der Lenkerauskunft zumindest nicht vollumfänglich erwartet werden kann. Daher vermag ihm gefolgt werden, dass er hier mangels Aufzeichnungen und mangels entsprechender Informationen der potentiellen Lenker tatsächlich nicht mehr in der Lage gewesen ist, anzugeben, wer von den zwei in Betracht kommenden nahen Angehörigen die mit seinem Fahrzeug in Österreich unterwegs waren, an einem spezifischen Punkt in Österreich das Fahrzeug lenkte. Im Lichte dieser Überlegung und insbesondere weil der Berufungswerber bereits vor der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe der Behörde mitteilte, den Lenker im Hinblick auf die Tatörtlichkeit nicht mehr benennen zu können, kann daher seiner Verantwortung inhaltlich gefolgt werden.

6. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

6.1. Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Der Oö. Verwaltungssenat hat zur Frage der Zulässigkeit der Anwendung der österreichischen Rechtsordnung im Zusammenhang mit deutschen Staatsbürgern, deren Fahrzeuge mit ihrem Wissen in Österreich verwendet werden, bereits mehrfach ausgesprochen, dass diese sich nicht erfolgreich auf eine Beschränkung des staatlichen Gebotsbereiches auf das Territorium des Staates berufen können.

Der staatliche Gebotsbereich erstreckt sich in der Figur des "Schutzprinzips" auch auf außerhalb des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen ein inländisches Rechtsgut richtet (Walter-Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 176). Als Anknüpfungsfaktum ist hier die Verwendung seines Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet der Republik Österreich und die aus dieser Verwendung des Kraftfahrzeuges - hier ausgelöst durch eine damit einhergehende Normverletzung mit diesem Kraftfahrzeug - und den damit begründeten Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 11.5.1993, Zl.90/08/0095). Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung einerseits die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Zl. G 72/88 v. 29.09.1988 u.a.), andererseits impliziert das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates begründete Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen Gesetzen dieses Staates einen ausreichenden inländischen Anknüpfungsgrund. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher (Fahrzeughalter) in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfaßten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet. Im übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl. EGMR v. 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991 Nr.23 der Spruchbeilage, zit. in VwSen-106423/8/Br/Bk v. 13. Juni 1999).

6.2. Ebenso erweist sich der erhobene Verjährungseinwand als unzutreffend. Obwohl mit der Strafverfügung die Tatzeit tatsächlich verfehlt zur Last gelegt wurde, was nach § 31 Abs.1 VStG einer tauglichen Verfolgungshandlung entgegenstehen würde, wurde jedoch mit dem Rechtshilfeersuchen vom 23. Februar 1999 eine innerhalb sechs Monaten fristgerechte und nach § 32 Abs.2 leg.cit. taugliche Verfolgungshandlung gesetzt.

6.3. Im Recht ist der Berufungswerber jedoch, wenn er hier mit fehlendem Verschulden argumentiert. Im Sinne des § 5 Abs.1 VStG letzter Satz hat der Berufungswerber durch sein Vorbringen glaubhaft zu machen vermocht, dass ihn an der fehlenden Möglichkeit den Lenker namhaft zu machen ein Verschulden nicht trifft (vgl. VwGH 13.6.1990, 89/03/0291 sowie VwGH 28.2.1996, 96/03/0028 u.a.). Warum die Erstbehörde bereits trotz dieses Hinweises dann überhaupt noch eine gesonderte Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe stellte, die letztlich der deutschen Rechtslage entsprechend einer Vollstreckung ohnedies nicht zugänglich ist, kann auf sich bewenden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung: Unschuldsbeweis

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