Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106601/7/BI/FB

Linz, 28.10.1999

VwSen-106601/7/BI/FB Linz, am 28. Oktober 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau D S, S, O, vertreten durch Dr. K F, F, L, vom 15. September 1999, gegen das gegen Frau U S, geb. 6.12.1980, ergangene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 1. September 1999, VerkR96-3492-1999-OJ, wegen Übertretung des Führerscheingesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z2 2. Alt. und 66 VStG, §§ 37 Abs.3 iVm 1 Abs.3 FSG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem oben genannten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 37 Abs.3 iVm 1 Abs.3 FSG eine Geldstrafe von 8.000 S (192 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 13. März 1999 gegen 20.05 Uhr den PKW Fiat, Kz., in L, Kreuzung W - K gelenkt habe, ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten Lenkberechtigung der Klasse B zu sein.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 800 S auferlegt.

2. Dagegen hat die gesetzliche Vertreterin der Beschuldigten fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

3. Die Rechtsmittelwerberin beruft sich zunächst auf die Bestimmung des § 60 VStG und macht weiters geltend, die Beschuldigte habe sich zum Vorfallszeitpunkt in einem Zustand mangelnder Dispositions- und Diskretionsfähigkeit befunden und an einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung gelitten, die es ihr unmöglich gemacht habe, den Unrechtsgehalt ihres Verhaltens zu erfassen. Sie habe sich in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden, wobei es dahingestellt bleiben müsse, ob diese Unzurechnungsfähigkeit ausschließlich psychischer Natur auf Grund ihres Krankheitsbildes gewesen sei oder die Summe aus dem Krankheitsbild in Verbindung mit dem genossenen Alkohol von immerhin 0,81 mg/l AAG, dh 1,6 %o BAG. Die Beschuldigte leide an akuten psychotischen Störungen mit paranoiden Ideen, Halluzinationen und Beeinflussungsideen, dh unter einer schizoaffektiven Psychose. Dieser Zustand sei durch den konsumierten Alkohol noch verstärkt worden. Die Rechtsmittelwerberin verweist auf das beim Bezirksgericht Linz-Land als Jugendgericht zu ... anhängige Strafverfahren, wobei auch hier die mangelnde Zurechnungsfähigkeit, nicht zuletzt auch wegen verzögerter Reife, zur Diskussion stehe und das Gericht sich veranlasst gesehen habe, hiezu ein Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. H S einzuholen.

Voraussetzung für eine Verwaltungsübertretung gemäß § 1 Abs.3 iVm 37 Abs.3 FSG sei jedenfalls ein Verschulden, das bei mangelnder Zurechnungsfähigkeit auszuschließen sei. Sollte die tiefgreifende Bewusstseinsstörung der Beschuldigten zum Tatzeitpunkt nicht ausschließlich auf ihre psychotische Erkrankung sondern auch auf den Alkoholeinfluss zurückzuführen sein, könnte sie nicht nach dem FSG zur Verantwortung gezogen werden, sondern liege dann jedenfalls der Tatbestand des § 83 SPG, nämlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand vor. Eine solche Bestrafung sei aber wegen bereits eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr zulässig.

Es wird daher beantragt, das Straferkenntnis nach Einsicht in den Akt des BG L, insbesondere in das Gutachten Dris. S, in eventu Einholung eines medizinischen SV-Gutachtens zum genannten Beweisthema, in eventu Einvernahme Dris. S, zu beheben und das Verfahren einzustellen, jedenfalls das gegenständliche Strafverfahren bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens auszusetzen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Weiters wurde der Gerichtsakt des Bezirksgerichtes L zur Einsichtnahme angefordert. In der Zwischenzeit hat der rechtsfreundliche Vertreter der Rechtsmittelwerberin das Gutachten des GerichtsSV Dr. H S vom 21. September 1999 vorgelegt. Im Gerichtsakt finden sich außer diesem auch die ihm zugrundeliegenden Gutachten, insbesondere der Schlussbericht der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vom 22.2.1999, der vorläufige Arztbrief vom 24.9.1998 und das psychiatrische Gutachten Dris. E D vom 3.8.1998.

Auf dieser Grundlage hat der unabhängige Verwaltungssenat in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

Gemäß § 1 Abs.3 FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges ..., ausgenommen in den - hier nicht zutreffenden - Fällen des Abs.5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse, in die das Kraftfahrzeug fällt.

Unbestritten ist, dass die Beschuldigte am 13. März 1999 gegen 20.05 Uhr den PKW in L auf der W - Kreuzung mit der K gelenkt hat, ohne im Besitz einer Lenkberechtigung der Klasse B zu sein.

Das Straferkenntnis wurde der Beschuldigten am 1. September 1999 vor der Erstinstanz mündlich verkündet und verzichtete sie ausdrücklich auf das Rechtsmittel der Berufung sowie auf die Zustellung einer schriftlichen Bescheidausfertigung.

Die Rechtsmittelwerberin hat als Mutter und gesetzliche Vertreterin unter Hinweis auf § 60 VStG fristgerecht Berufung eingebracht. Die Beschuldigte ist am 6. Dezember 1980 geboren und hatte somit am 13. März 1999 noch nicht das 19. Lebensjahr vollendet. Das Rechtsmittel ist daher zulässig.

Darin wird geltend gemacht, dass die Beschuldigte zum Zeitpunkt des Lenkens nicht zurechnungsfähig gewesen sei.

In seinem Gutachten vom 21. September 1999 gelangt der Gerichts-Sachverständige Dr. H S, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Psychotherapeut, zu der Auffassung, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass zum Vorfallszeitpunkt eine psychotisch bedingte Störung des Erlebnisvollzuges und der Handlungskontrolle vorlag, wobei die Alkoholisierung noch eine zusätzliche Rolle gespielt habe, aber nicht im Sinne einer vollen Berauschung, sondern als Zusatzfaktor bei der zugrundeliegenden gravierenden psychischen Störung. Die Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 11 (StGB) sei bezogen auf den Tatzeitpunkt zu verneinen. Die Beschuldigte sei auf Grund ihrer psychischen Problematik - die durchaus einer "Geisteskrankheit" entsprochen habe - nicht in der Lage, das Unrechtmäßige ihrer Tat zu erkennen, und sie sei auch nicht in der Lage, sich gemäß einer solchen Erkenntnis zu verhalten, wobei gerade hinsichtlich der Dispositionsfähigkeit die Alkoholisierung als Zusatzfaktor eine wesentliche Rolle gespielt habe.

Aus dem Gerichtsakt lässt sich ersehen, dass auf Grund dieses Gutachtens am 5. Oktober 1999 die Anzeige gegen die Beschuldigte gemäß § 90 StPO im Grunde des § 11 StGB zurückgelegt wurde.

Vonseiten des unabhängigen Verwaltungssenates ist dem nachvollziehbaren und schlüssig begründeten Gutachten nichts entgegenzusetzen; es erübrigte sich auch die (in eventu beantragte) Einholung eines weiteren bzw ergänzenden Gutachtens und auf Grund des raschen Abschlusses des Gerichtsverfahrens erübrigte sich auch die Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens.

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 2. Alt. VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

Im gegenständlichen Fall ist auf Grund des genannten Gutachtens für den Tatzeitpunkt zweifellos von der Zurechnungsunfähigkeit der Beschuldigten auszugehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Verfahrenskostenbeiträge fallen naturgemäß nicht an.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Beschuldigte war laut Sachverständigengutachten unzurechnungsfähig -> Einstellung § 45 Abs.1 Z2 2. Alternative VStG.

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