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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106649/9/Ki/Ka

Linz, 28.12.1999

VwSen-106649/9/Ki/Ka Linz, am 28. Dezember 1999 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Herrn W, vom 1.10.1999, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 30.9.1999, VerkR96-1275-1999, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.12.1999, hinsichtlich der Fakten 2 und 3, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.
  2. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Straferkenntnis vom 30.9.1999, VerkR96-1275-1999, den Berufungswerber (Bw) ua für schuldig befunden, er habe am 10.4.1999 um 05.00 Uhr den PKW, Kz.: im Gemeindegebiet Allerheiligen auf der 1424 Perger Straße bis Höhe von Strkm.10,800 gelenkt. Er habe es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes bei der amtlichen Tatbestandsaufnahme mitzuwirken, indem er nach dem Verkehrsunfall alkoholische Getränke konsumierte (Faktum 2). Er habe es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallsbeteiligten unterblieben ist (Faktum 3). Gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 (Faktum 2) bzw § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 (Faktum 3) wurden über ihn Geldstrafen in Höhe von 600 S (EFS 24 Stunden) bzw 300 S (EFS 12 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von jeweils 10 % der verhängten Geldstrafe verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen das Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 1.10.1999 Berufung mit dem Antrag, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg ersatzlos zu beheben und das Verwaltungs-strafverfahren einzustellen.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.12.1999. An dieser Berufungsverhandlung nahm der Beschuldigte im Beisein seines Rechtsvertreters teil. Als Zeugen wurden der Meldungsleger, Rev.Insp. Ö, sowie Herr W sen. und Herr M einvernommen.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens werden nachstehende entscheidungsrelevante Fakten festgestellt:

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des GP Perg vom 11.4.1999 zugrunde. Als Beweismittel ist in der Anzeige ausgeführt, dass am 10.4.1999, um 06.10 Uhr ein PKW-Lenker am GP den Fund des Kennzeichens angezeigt habe. Dieses habe er auf der Perger Bezirksstraße auf der Fahrbahn liegend vorgefunden. Da ein "KZ-Verlust" angenommen wurde, sei der Zulassungsbesitzer, es handelte sich dabei um W, ausgeforscht worden. Telefonisch seien dessen Eltern in Kenntnis gesetzt worden, dass sich W das Kennzeichen am GP abholen könne.

Um 10.50 Uhr sei W persönlich zur Dienststelle gekommen und habe sich das Kennzeichen abholen wollen. Bei einem Gespräch habe W angegeben, dass er gegen 05.00 Uhr auf der Perger Bezirksstraße kurz nach der Zufahrt zum Güterweg Gebler mit einem auf der Fahrbahn befindlichen Reh zusammengestoßen sei. Das Reh sei weitergelaufen, und sein PKW sei links vorne schwer beschädigt worden. Die Gendarmerie bzw einen zuständigen Jäger habe er nicht verständigt, da er nicht gewusst habe, wo er dies melden müsste.

In einer Stellungnahme vom 24.6.1999 führte der Rechtsmittelwerber aus, dass es richtig sei, dass er mit - vermutlich einem Rehbock - in Berührung kam. Dabei sei sein PKW geringfügig beschädigt worden, als der Scheinwerfer beschädigt wurde. Nicht verletzt aber sei das Reh geworden, welches nach der Kollision die Unfallsstelle verließ. Der Einschreiter habe nachgesehen, und das Tier konnte nicht mehr gefunden werden, sodass der Einschreiter zu Recht davon ausgehen konnte, dass das Tier nicht verletzt sei. Die Beschädigung am eigenen Fahrzeug verpflichte den Einschreiter aber nicht, die eigene Beschädigung der Gendarmerie anzuzeigen. Da das Tier nicht verletzt wurde, sei er aus diesem Grunde ebenfalls nicht verpflichtet, eine Anzeige bei der Gendarmerie zu erstatten. Jedenfalls sei der Einschreiter davon ausgegangen, dass das Reh nicht verletzt war. Er habe zu Recht davon ausgehen können, nachdem das Reh für den Einschreiter unauffindbar entschwunden sei und mangels Blutspuren keinerlei Indizien für eine Verletzung vorlagen.

Hinsichtlich Vorwurf nach § 4 Abs.1 lit.c StVO wurde überdies ausgeführt, dass von einem Verkehrsunfall, bei dem niemand verletzt wurde und Sachschaden nur am eigenen Fahrzeug entstanden sei, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht verständigt werden müsse.

In einem solchen Fall bestehe keine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung und kein Verbot von Alkoholkonsum nach dem Unfall. Es habe eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs.2 StVO nicht bestanden und es würden auch die sonstigen Voraussetzungen zur Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht vorliegen.

Bei einer zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Perg am 20.7.1999 gab der Meldungsleger dann zu Protokoll, dass W ihm gegenüber am Gendarmerieposten angegeben habe, dass er nicht gewusst hätte, dass ein Verkehrsunfall mit einem Reh bei der Gendarmerie gemeldet werden müsse. Da er keinen Jäger aus der Gegend kannte, sei er nach Hause gefahren. Der PKW sei vorne erheblich beschädigt und es wären auch Blutspuren und Haare des Reh´s an den Beschädigungen gewesen.

In der Berufung gegen das vorliegende Straferkenntnis führte der Rechtsmittelwerber dann aus, dass es tatsächlich eine Kollision mit einem Reh gegeben hätte. Doch sei durch die Kollision das Reh keinesfalls verletzt worden. Das Reh habe die Kollisionsstelle verlassen und der Einschreiter habe Nachschau gehalten. Es habe das Reh nicht gefunden werden können. Blutspuren wären weder am Auto noch an der Kollisionsstelle vorhanden gewesen.

Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte der Bw dann, er habe erkennen können, dass er mit einem Reh touchiert sei. Er habe sich sein Fahrzeug angesehen und einen Schaden am Scheinwerfer festgestellt. Allerdings habe am PKW auch schon ein Vorschaden vorgelegen. Er habe auch Nachschau, etwa nach Blutspuren, gehalten, es sei jedoch so dunkel gewesen, dass er nichts feststellen konnte.

Auf Vorhalt, dass der Gendarmeriebeamte festgestellt hat, es hätten sich am Fahrzeug Haare und Blutspuren befunden, erklärte der Bw, dass Haare am Fahrzeug waren, Blutspuren jedoch nicht. Er sei dann, weil er nichts feststellen konnte, nach Hause gefahren.

Auf Befragen erklärte der Bw auch, dass er erkennen konnte, in welche Richtung das Reh nach der Kollision gelaufen sei. Er habe ein Stück Nachschau gehalten.

Der Meldungsleger erklärte bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme, dass die Beamten zur Unfallsstelle gefahren wären und dort nach Splittern oder Rehblutspuren gesucht haben. Es entziehe sich seiner Kenntnis, ob das Reh gefunden wurde.

Bei einer Nachschau am Fahrzeug konnte er feststellen, dass sich darauf Haare befunden haben und das Blut auf den Kanten und überall oben geklebt sei und zwar seiner Meinung nach Fleisch- und Schleimreste. Befragt, warum er in der Anzeige nichts von der massiven Beschädigung erwähnt habe, erklärte der Zeuge, dass er dies vergessen hätte und zwar unter der Voraussetzung, dass das Fahrzeug links vorne schwer beschädigt war. Jedenfalls habe er angenommen, dass es sich um Blut gehandelt hat.

Der Vater des Beschuldigten gab bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme an, dass er von Gendarmeriebeamten wegen des Vorfalles angerufen wurde. Sein Sohn habe zu diesem Zeitpunkt noch geschlafen. Er habe sich das Fahrzeug angesehen und festgestellt, dass vorne links der Scheinwerfer beschädigt gewesen sein dürfte. Das Blech sei bei der Stoßstange ein bisschen, aber doch nicht so gravierend beschädigt gewesen. Er habe auch Haare, und zwar Wildhaare, jedoch keine Blutspuren feststellen können. Als er das Fahrzeug besichtigte, sei es bereits hell gewesen.

Der ebenfalls als Zeuge einvernommene Versicherungskaufmann M führte aus, dass Herr W bei ihm Kunde sei. Dieser sei am Vorfallstag gegen Nachmittag zu ihm gekommen und er habe sich, da Herr W mit ihm befreundet sei, den Schaden beim Auto angeschaut. Er habe dabei zwar Borsten von einem Reh und einen leichten Frontschaden festgestellt, Blutspuren seien ihm keine aufgefallen.

I.6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihr Anschrift nachgewiesen haben.

Dazu wird einleitend darauf hingewiesen, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Dieser Grundsatz besagt, dass, wenn nach Aufnahme sämtlicher Beweise noch Zweifel darüber bestehen, ob der Beschuldigte die Verwaltungsübertretung tatsächlich begangen hat, dessen Bestrafung unzulässig ist.

Zunächst wird festgestellt, dass ein Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO ein plötzliches, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis, das sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ereignet und Personen - oder Sachschaden zur Folge hat - ist. Demnach werden die in § 4 StVO normierten Pflichten nur dann ausgelöst, wenn tatsächlich durch das entsprechende Ereignis ein Personen- oder Sachschaden verursacht wurde.

Im vorliegenden Falle wird der Bestrafung zugrundegelegt, durch den Verkehrsunfall sei ein Reh verletzt und damit beschädigt worden. Allerdings ist im Berufungsverfahren hervorgekommen, dass es zwar eine Kollision mit einem Reh gegeben hat, dieses Reh jedoch nicht gefunden worden ist. Es wurde im ungefähren Bereich des Tatortes Nachschau gehalten, es konnten dort keinerlei Spuren, welche auf eine Verletzung schließen würden, gefunden werden.

Was nun die vom Gendarmeriebeamten bezeichneten Blutspuren am PKW des Bw anbelangt, so hat der Meldungsleger diesen Umstand zunächst nicht in die Anzeige aufgenommen. Erst bei einer zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Perg und in der Folge in der mündlichen Berufungsverhandlung war davon die Rede. Andererseits behaupten sowohl der Bw, als auch - zeugenschaftlich im Berufungsverfahren einvernommen - dessen Vater und auch Herr M, dass sich zwar Haare im Bereich des Scheinwerfers gefunden haben, Blutspuren konnten jedoch keine festgestellt werden. Im Zusammenhang mit dem Gesamtgeschehen, wonach, wie bereits dargelegt wurde, weder in der Umgebung des Vorfallsortes entsprechende Spuren gefunden werden konnten, noch das Reh selbst gefunden wurde, sind diese Aussagen nicht zu widerlegen, dies insbesondere auch deshalb, als zunächst in der Anzeige vom 11.4.1999 von Blutspuren keine Rede war. Auch ist im Berufungsverfahren hervorgekommen, dass letztlich der Schaden am PKW des Beschuldigten doch nicht so gravierend war, wie dies ursprünglich angenommen wurde.

In Würdigung aller vorliegenden Beweise ist es unter den dargelegten Umständen der erkennenden Berufungsbehörde nicht möglich, dem Beschuldigten die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen (hinsichtlich der Fakten 2 und 3 des Straferkenntnisses) mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachzuweisen, weshalb - in dubio pro reo - hinsichtlich der Fakten 2 und 3 des Straferkenntnisses der Berufung Folge zu geben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Die in § 4 StVO normierten Pflichten werden nur dann ausgelöst, wenn

Personen- oder Sachschaden nachgewiesen ist.

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