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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106666/3/Fra/Ka

Linz, 03.01.2000

VwSen-106666/3/Fra/Ka Linz, am 3. Jänner 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 30.9.1999, VerkR96-2783-1999-Gr, betreffend Verfallserklärung einer eingehobenen vorläufigen Sicherheit von 2.000 S, wegen Übertretungen des KFG 1967 und der EG-Verordnungen 3820/85 und 3821/85, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel angeführten Bescheid über den Berufungswerber (Bw) die von ihm am 21.8.1999 durch ein von der Behörde ermächtigtes Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes eingehobene vorläufige Sicherheit von 2.000 S wegen Übertretungen des KFG 1967 und der EG-Verordnungen 3820/85 und 3821/85 für verfallen erklärt. Der angefochtene Schuldspruch lautet wie folgt:

"Laut Anzeige der Bundesgendarmerie-Grenzkontrollstelle Wullowitz vom 06.09.1999 wird Ihnen folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:

Tatort: B 125 Prager Straße, Strkm.55,250, Grenzkontrollstelle Wullowitz

Tatzeit: 21.8.1999, 08.00 Uhr

Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug Kennzeichen: KB2707

Sattelanhänger 8976 KM

Übertretung:

Sie haben als Fahrer

1) dem zuständigen Kontrollbeamten auf Verlangen die Schaublätter für die laufende Woche sowie das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem Sie gefahren sind, nicht vorgelegt;

2) vom 19.8.1999, 12.25 Uhr, bis zum 21.8.1999, 08.00 Uhr, die erlaubte Tageslenkzeit von 10 Stunden überschritten; tatsächliche Tageslenkzeit: 19 Stunden 58 Minuten;

3) vom 19.8.1999 auf den 20.8.1999 innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraumes von 24 Stunden die vorgeschriebene Ruhezeit von 12 Stunden, wobei ein Zeitabschnitt mindestens 8 zusammenhängende Stunden betragen muss, nicht eingelegt;

4) vom 20.8.1999 auf den 21.8.1999 innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraumes von 24 Stunden die vorgeschriebene Ruhezeit von 12 Stunden, wobei ein Zeitabschnitt mindestens 8 zusammenhängende Stunden betragen muss, nicht eingelegt;

5) am 19.8.1999 nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden, nach der Sie keine Ruhezeit genommen haben, keine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten eingelegt; Lenkzeit: 5 Stunden 10 Minuten, Lenkpause 0 Minuten;

6) das Schaublatt vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen, weil Sie am 20.8.1999 um 06.30 Uhr das bis dahin verwendete Schaublatt entnommen und ein neues Schaublatt eingelegt haben;

7) das Schaublatt vom 20.8.1999 über den Zeitraum, für den es bestimmt war, hinaus verwendet.

Übertretene Vorschrift:

1) § 102 Abs.1 KFG 1967 und Art.15 Abs.7 EG-VO 3821/85 und § 134 Abs.1 KFG 1967

2) § 134 Abs.1 KFG 1967 und Art.6 Abs.1 EG-VO 3820/85

3) § 134 Abs.1 KFG 1967 und Art.8 Abs.1 Unterabsatz 1 EG-VO 3820/85

4) § 134 Abs.1 KFG 1967 und Art.8 Abs.1 Unterabsatz 1 EG-VO 3820/85

5) § 134 Abs.1 KFG 1967 und Art.7 Abs.1 EG-VO 3820/85

6) § 134 Abs.1 KFG 1967 und Art.15 Abs.2 EG-VO 3821/85

7) § 134 Abs.1 KFG 1967 und Art.15 Abs.2 EG-VO 3821/85

Die am 21.8.1999 von Ihnen durch ein von der Behörde ermächtigtes Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes eingehobene vorläufige Sicherheit von S 2.000,-- wird für verfallen erklärt.

Rechtsgrundlage:

§ 37a und § 37 Abs.5 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG)"

2. In der dagegen durch die ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung wird zur Schuldfrage im Wesentlichen folgendes vorgebracht:

Die behaupteten Verwaltungsübertretungen (Überschreitung der Tageslenkzeit vom 19.8. bis zum 21.8.1999, die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeit vom 19.8. bis 20.8.1999 bzw 20.8. bis 21.8.1999, die Nichteinhaltung einer Unterbrechung von mindestens 45 Minuten am 19.8.1999, die Entnahme des Schaublattes vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit am 20.8.1999 sowie die Verwendung des Schaublattes vom 20.8.1999 über den dafür bestimmten Zeitraum hinaus) beziehen sich auf eine Zeit, als er auf dem Weg von Weißrussland über Polen und Tschechien nach Österreich war. Er habe sohin die ihm vorgeworfenen Verwaltungsstraftaten - wenn überhaupt - nicht auf österreichischem Staatsgebiet begangen.

Die Geltung des Verwaltungsstrafrechtes ist insbesondere nach räumlichen Kriterien beschränkt. Während das VStG seinen persönlichen Geltungsbereich nicht einschränkt, normiert § 2 Abs.1 VStG, dass "nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar sind" sind. Der räumliche Geltungsbereich des VStG ist daher mit dem österreichischen Staatsgebiet begrenzt (Territorialitätsprinzip).

Es sei daher die Strafbefugnis der Behörde nicht gegeben. Der angefochtene Bescheid verstoße vielmehr gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art.83 Abs.2 B-VG (VfSlg.7985/1977, 9409/1982, 9696/1983, 10137/1984 ua). Das Recht auf den gesetzlichen Richter sei indirekt auch in Art.6 Abs.1 MRK verankert. Auch diese Verfahrensgarantien habe die Behörde mit dem angefochtenen Bescheid missachtet.

Die Erweiterung der räumlichen Strafbefugnisse im Sinne des § 134 Abs.1 KFG 1967 sei nicht anzunehmen, weil die ihm vorgeworfene Tathandlung nicht "auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen" wurde. Außerdem stellen die angewendeten EG-Verordnungen im Verhältnis zu den AETR-Staaten keine taugliche Rechtsgrundlage für die Bestrafung dar. Auf internationaler Ebene ist das Europäische Übereinkommen über die Arbeitszeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) für dessen Mitglieder anwendbar; Mitglieder sind insbesondere auch Österreich, Weißrussland, Polen und Tschechien. Der Sanktionsbereich der belangten Behörde sei nicht gegeben und auch die Strafbestimmung des § 134 Abs.1 KFG 1967 nicht anwendbar gewesen. Das Grenzorgan hätte ihn lediglich am Weiterfahren hindern dürfen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

Gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr.3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31.12.1985, S 1 sowie der Verordnung (EWG) Nr.3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31.12.1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr.3572/90, ABl. Nr. L 353 vom 17.12.1990, S 12, zuwiderhandelt. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen wurden.

Gemäß § 134 Abs.1a leg.cit. sind Übertretungen der Art.5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr.3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31.12.1985, S 1 sowie der Verordnung (EWG) Nr.3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31.12.1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr.3572/90, ABl. Nr. L 353 vom 17.12.1990, S 12, auch dann als Verwaltungsübertretung strafbar, wenn die Übertretung nicht im Inland, sondern auf einer Fahrtstrecke innerhalb des Geltungsbereiches dieser Bestimmungen begangen worden ist (Art.2 der Verordnung 3820/85). Als Ort der Übertretung gilt in diesem Fall der Ort der Betretung im Inland, bei der die Übertretung festgestellt worden ist. Von einer Bestrafung ist jedoch abzusehen, wenn die Übertretung im Bundesgebiet nicht mehr andauert und der Lenker nachweist, dass er wegen dieses Deliktes bereits im Ausland bestraft worden ist.

Dem Bw wurden mit dem angefochtenen Bescheid Übertretungen der Art.6 Abs.1, 7 Abs.1 und 8 Abs.1 der EG-Verordnung 3820/85 sowie Übertretungen des Art.15 Absätze 2 und 7 der EG-Verordnung 3821/85 zur Last gelegt.

Die Verordnung 3820/85 gilt nach deren Artikel 2 Abs.1 für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr im Sinne von Artikel 1 Nummer 1.

Gemäß Art.2 Abs.2 der Verordnung 3820/85 gilt das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) anstelle der vorliegenden Vorschriften für Beförderungen im grenzüberschreitenden Straßenverkehr

- von und/oder nach Drittländern, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, oder im Durchgang durch diese Länder auf der gesamten Fahrstrecke, wenn die Beförderungen mit Fahrzeugen durchgeführt werden, die in einem Mitgliedsstaat oder in einem dieser Drittländer zugelassen sind;

- von und/nach einem Drittland, das nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, mit Fahrzeugen, die in einem solchen Drittland zugelassen sind, auf allen Fahrstrecken innerhalb der Gemeinschaft.

Auf internationaler Ebene ist das Europäische Übereinkommen über die Arbeitszeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) BGBl.Nr.518/1985 in der Fassung Nr.203/1993 für dessen Mitglieder anwendbar; Mitglieder sind auch Österreich, Weißrussland, Polen und Tschechien.

Daraus erhellt, dass die von der Strafbehörde als verletzt erachteten EG-Verordnungen im Verhältnis zu den AETR-Staaten keine taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Bestrafungen darstellen. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als Berufungsinstanz hat gegenständlich nicht zu untersuchen, ob das AETR-Übereinkommen allenfalls als eine taugliche Rechtsgrundlage für die dem Bw zur Last gelegten Tatvorwürfe herangezogen werden kann. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Nach Art.12 dieses Übereinkommens in der Fassung BGBl.Nr.203/1993 verpflichten sich die Vertragsstaaten zwar, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Beachtung dieses Übereinkommens sicherzustellen. Eine Strafbestimmung findet sich jedoch - wie in den EG-Verordnungen 3820/85 und 3821/85 - nicht. Auch § 134 Abs.1 und Abs.1a KFG 1967 nehmen auf dieses Übereinkommen nicht Bezug.

Da die dem Bw zur Last gelegten Übertretungen unstrittig nicht auf einer Fahrtstrecke innerhalb der Gemeinschaft begangen wurden, war vor dem Hintergrund der angeführten Rechtslage spruchgemäß zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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