Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230392/2/Gf/Km VwSen230393/2/Gf/Km VwSen230394/2/Gf/Km

Linz, 03.05.1995

VwSen-230392/2/Gf/Km VwSen-230393/2/Gf/Km VwSen-230394/2/Gf/Km Linz, am 3. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufungen des R.

A., ........., ..............., vertreten durch RA Dr. F.

H., .............., ............., gegen die Straferkenntnisse des Bezirkshauptmannes von ........... vom 22.

November 1994, Zlen. Sich96/1320/1992/Ti, Sich96/1343/1992/Ti u. Sich96/1359/1992+1/Ti, wegen Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

I. Den Berufungen wird stattgegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden aufgehoben und die Strafverfahren werden eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnissen des Bezirkshauptmannes von ............ vom 22. November 1994, Zlen. Sich96/1320, 1343 u. 1359/1992(+1)/Ti, wurden über den Rechtsmittelwerber Geldstrafen von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden), 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) und 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt, weil er an drei Tagen im Juni bzw. August 1992 zu näher bezeichneten Zeiten mit seinem Modellflugzeug auf einem nicht genehmigten Modellflugplatz geflogen sei und dadurch in ungebührlicher Weise störenden Lärm erregt habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 3 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 94/1985 (im folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er gemäß § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen diese dem Rechtsmittelwerber am 13. bzw. 16.

Dezember 1994 zugestellten Straferkenntnisse richten sich die vorliegenden, am 23. bzw. 27. Dezember 1994 - und damit jeweils rechtzeitig - zur Post gegebenen und bei der belangten Behörde eingebrachten Berufungen.

2.1. In den angefochtenen Straferkenntnissen führt die belangte Behörde im wesentlichen begründend aus, daß es aufgrund der von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahren und der in diesen abgelegten Zeugenaussagen von Anrainern als erwiesen anzusehen sei, daß der Beschwerdeführer in den ihm zur Last gelegten Fällen ungebührlicherweise störenden Lärm verursacht und dies jeweils auch zu verantworten habe.

2.2. Dagegen bringt der Rechtsmittelwerber u.a. vor, daß er und auch die anderen Mitglieder seines Modellfliegerclubs nur schallgedämpfte Flugzeuge verwenden würden, die keinesfalls einen störenden Lärm verursachen könnten. Außerdem befinde sich in unmittelbarer Nähe der anzeigeerstattenden Anrainer nicht nur eine Eisenbahnlinie, deren vorbeifahrende Züge ohrenbetäubenden Lärm verursachen würden, sondern würden diese Liegenschaften auch landwirtschaftlich sowie für Jagdzwecke genutzt, was ebenfalls eine nicht unbeträchtliche Lärmerregung hervorrufe. Um zu beurteilen, ob der von den Modellflugzeugen verursachte Lärm tatsächlich als störend zu qualifizieren war, hätte die belangte Behörde vielmehr ein schalltechnisches Gutachten erstellen lassen müssen, weil es insoweit nicht allein auf Zeugenaussagen von Betroffenen ankommen könne.

Aus allen diesen sowie weiteren formalrechtlichen Gründen wird die Aufhebung der angefochtenen Straferkenntnisse und die Einstellung der Strafverfahren beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der BH ............ zu Zlen. Sich96/1320, 1343 u. 1359/1992(+1). Bereits aufgrund dieser Akteneinsicht hat sich ergeben, daß die angefochtenen Straferkenntnisse gemäß § 51e Abs. 1 VStG aufzuheben sind (weshalb auch von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte), und zwar aus folgenden Gründen:

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 OöPolStG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG mit Geldstrafe bis zu 5.000 S zu bestrafen, der ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

Unter "störendem Lärm" sind gemäß § 3 Abs. 2 OöPolStG alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretende Geräusche zu verstehen; störender Lärm ist nach § 3 Abs. 3 OöPolStG dann als "ungebührlicherweise erregt" anzusehen, wenn jenes Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muß und jene Rücksichtnahme vermissen läßt, die die Umwelt verlangen kann.

3.2. Im Lichte der Verfassungsbestimmung des Art. 6 Abs. 1 MRK (Gebot des fairen Verfahrens) ist der Berufungswerber insbesondere mit seinem Vorbringen im Recht, daß es letztlich nicht allein von Zeugenaussagen unmittelbar von der Lärmerregung betroffener Anrainer abhängen kann, ob dieser Lärm auch als "störend" i.S.d. § 3 Abs. 2 OöPolStG zu qualifizieren ist, weil es - wie der Oö. Verwaltungssenat bereits in einer früheren, denselben Beschwerdeführer, dieselbe belangte Behörde und in etwa auch den gleichen Tatzeitraum betreffenden Entscheidung (1. Mai 1992) festgestellt hat (vgl. VwSen-230240 v. 4.11.1993, Pkt. 4.2.) - insoweit auf das Empfinden eines objektiven Durchschnittsmenschen ankommt. Davon ausgehend und gerade auch aus den von der belangten Behörde in der Begründung ihrer Straferkenntnisse angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes geht hervor, daß es hinsichtlich der Fragen, ob ein Lärm als "störend" bzw.

"ungebührlicherweise erregt" zu qualifizieren ist, stets auf die jeweiligen spezifischen Umstände des Einzelfalles ankommt. Ist daher - wie verfahrensgegenständlich - eine Region durch Eisenbahn- und Straßenverkehr, durch landwirtschaftliche Nutzung und durch Jagdausübung gleichsam mit "Lärmerregung" vorbelastet, so ist es offensichtlich, daß die Erstellung eines (lärmtechnischen und/oder ärztlichen) Sachverständigengutachtens darüber, ob der durch Modellflugzeuge hinzutretende Lärm als "störend" zu qualifizieren ist, unerläßlich war, noch dazu, wenn der in einem der vorliegenden Verfahren anzeigeerstattende Gendarmeriebeamte als gleichsam "objektivster" Zeuge lediglich davon sprach, daß "ein Motorengeräusch von einem Modellflieger leicht wahrgenommen" habe werden können bzw.

"ein leises, hochtouriges Motorensummen" zu vernehmen gewesen sei.

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt VwSen-102629 v. 10.3.1995, m.w.N.) betont, daß es mit seiner verfassungsmäßigen Funktion als ein Organ der Verwaltungskontrolle schon grundsätzlich nicht vereinbar ist, solch substantielle Mängel des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens aus eigenem zu substituieren und damit die von Art. 6 Abs. 1 MRK garantierte Position des unabhängigen Richters zu verlassen und in jene des Anklägers zu schlüpfen (vgl. auch Art. 90 Abs. 2 B-VG). Im besonderen kommt hinzu, daß in den gegenständlichen Fällen seit der Tatbegehung bereits mehr als 21/2 Jahre verstrichen sind, ein Sachverständigenbefund aber - wie der Berufungswerber zutreffend vorbringt - unter annähernd gleichen Bedingungen wie zum Tatzeitpunkt, also im Sommer, erhoben werden müßte. Da auch die nachfolgende Gutachtenserstellung noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde, kann so insgesamt besehen nicht damit gerechnet werden, daß eine Berufungsentscheidung noch vor Ablauf der Dreijahresfrist des § 31 Abs. 3 VStG ergeht, ganz abgesehen davon, daß das Erinnerungsvermögen der in einer allfälligen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs. 3 i.V.m. § 51i VStG neuerlich einzuvernehmenden Zeugen seither merklich gelitten haben muß. Weshalb die verfahrengegenständlichen Straferkenntnisse erst Ende November 1994 erlassen wurden, ist für den Oö. Verwaltungssenat anhand der Aktenlage unerfindlich.

3.4. Liegen damit aber im Ergebnis keine Beweise für die Tatbestandsmäßigkeit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen vor, war sohin der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK entsprechend den vorliegenden Berufungen gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, die angefochtenen Straferkenntnisse aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

 

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