Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106716/2/SR/Ri

Linz, 08.12.1999

VwSen-106716/2/SR/Ri Linz, am 8. Dezember 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des Herrn PJ, S, M, vertreten durch die Rechtsanwälte Prof. Dr. A H, DDr. H M, Dr. P W, Dr. W M, Dr. W G-W, K, L gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F, Zl.: VerkR96-2492-1997-Ja, vom 8.11.1999 wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in Punkt 1 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Die Berufung zu Punkt 2 wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis unter der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Rechtsvorschrift "§ 52 Z24 StVO" zu lauten hat.

II. Im Punkt 1 entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge; im Punkt 2 hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in Höhe von 100 S (7,27 €) zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1 und § 51e Abs.2 Z1 und Abs.3 Z3 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG.

zu II.: §§ 64 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft F hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis in dessen Punkt 1 und 2 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO 1960 und § 19 Abs.4 1960 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.) 1.000 S und 2.) 500 S und für den Nichteinbringungsfall zu Spruchpunkt 1) 24 Stunden und zu Spruchpunkt 2) 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und folgende Tatvorwürfe wider ihn erhoben:

"Sie haben am 11.4.1997 um 06.45 Uhr als Lenker des LKW, Kennz. F, in L, auf der A Mautobahn, Richtungsfahrbahn S, Ausfahrt U,

1) den auf der F Straße in Fahrtrichtung stadteinwärts fahrenden Lenker des PKW, Kennzeichen L-, trotz des Vorschriftszeichens "Halt" durch Linkseinbiegen zu unvermitteltem Bremsen und Ablenken seines Fahrzeuges genötigt und haben

2) beim Vorschriftszeichen "Halt" überdies nicht angehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1) § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO 1960

2) § 19 Abs.4 StVO 1960."

Gegen dieses ihm am 11. November 1999 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 19. November 1999 - und damit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, dass der dem Beschwerdeführer angelastete Sachverhalt auf Grund der klaren, eindeutigen und widerspruchsfreien Aussagen der Zeugen Dr. Sund P als erwiesen anzusehen sei. Den Aussagen des Zeugen K schenke die belangte Behörde deshalb keinen Glauben, da es eine bekannte Tatsache sei, dass Beifahrer die Angaben des Lenkers mehr oder minder unbewusst bestätigen.

Im Zuge der Strafbemessung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt und weder Erschwerungs- und Milderungsgründe hervorgekommen.

2.2. Dagegen wendet der Berufungswerber ein, dass eine Vorrangverletzung im Sinne des § 19 Abs.4 StVO nur dann vorläge, wenn eine Behinderung nach § 19 Abs.7 StVO nachgewiesen werden kann. Es sei daher festzustellen, wo sich das bevorrechtete Fahrzeug befunden hat, welche Geschwindigkeit es hatte und wie die Sichtverhältnisse waren. Weiters würde eine Verletzung des im § 19 Abs.7 StVO ausgesprochenen Verbotes voraussetzen, dass sich die beteiligten Fahrzeuge im Zeitpunkt der Einleitung des unvermittelten Bremsmanövers durch den Vorrangberechtigten bereits in einer solchen - geringen - Entfernung voneinander befinden, dass das Bremsen bzw Ablenken des Fahrzeuges zur Vermeidung eines Unfalles erforderlich ist. Es würde nicht darauf ankommen, ob der Vorrangberechtigte tatsächlich sein Fahrzeug abbremste und verlenkte, sondern ob dieses Erfordernis objektiv gegeben war. Dem Straferkenntnis könnten weder Feststellungen betreffend der zeitlichen noch örtlichen Komponente entnommen werden. Das Fehlen dieser Feststellungen würde das gegenständliche Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaften.

Der Berufungswerber führt weiters aus, dass die Aussagen der Zeugen Dr. S und P entgegen der Ansicht der Erstbehörde widersprüchlich sind und bemängelt die Beweiswürdigung betreffend der Aussagen des Zeugen K. Als Beweis wird auf die Einvernahmen der Zeugen hingewiesen.

Zu Punkt 2 des obzitierten Straferkenntnisses führt der Berufungswerber aus, dass die Bestimmung des § 19 Abs.4 StVO 1960 nicht geeignet ist, den Gegenstand einer Verwaltungsstrafsache zu bilden. Eine Übertretung nach dieser Bestimmung sei nur dann strafbar, wenn eine Behinderung nach Abs.7 nachgewiesen werden könnte.

Es wird somit der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich möge der Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Zahl VerkR96-2492-1997-Ja; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und mit dem angefochtenen Straferkenntnis lediglich eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt sowie ein entsprechender Antrag von den Verwaltungsparteien nicht gestellt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.3 Z3 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Spruchteil 1 des angefochtenen Straferkenntnisses:

4.1.1. Gemäß § 19 Abs. 4 StVO 1960 haben sowohl die von rechts als auch von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang, wenn vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen "Halt" angebracht ist. Beim Vorschriftszeichen "Halt" ist überdies anzuhalten.

Gemäß § 19 Abs.7 StVO darf der Wartepflichtige ua durch Einbiegen oder Einordnen die Vorrangberechtigten weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

4.1.2. Unbestritten steht fest, dass der Berufungswerber am 11.4.1997 um 06.45 Uhr als Lenker des LKW, Kennzeichen F, in L, auf der A, Mautobahn, Richtungsfahrbahn S, Ausfahrt U, vor dem Vorschriftszeichen "Halt" (§ 52 lit.c Z24 StVO) nicht angehalten hat.

Weder kann aus der Anzeige, den protokollierten Zeugenniederschriften, den Stellungnahmen noch aus dem Straferkenntnis geschlossen werden, wo der Zeuge (Anzeiger) zu unvermitteltem Bremsen und Ablenken seines Fahrzeuges genötigt worden sein soll. Bestätigung findet dies auch im Spruch des Straferkenntnisses der BH F, wo die Fahrt des Zeugen in der allgemeinen Anführung "auf der F Straße in Fahrtrichtung stadteinwärts" beschrieben wird.

Durch die Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen und auf Grund fehlender Ermittlungen konnte innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG keine schlüssige Tatortkonkretisierung vorgenommen werden.

4.1.3. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Die Anlastungen legen zwar deutlich den Tatort betreffend die Nichtbeachtung des § 52 lit.c Z24 StVO dar, bleiben jedoch bei der angelasteten Übertretung gemäß § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4 StVO vage. Die widersprüchlichen Zeugenaussagen - Nötigung zum Abbremsen und Ablenken, Überholen und erst in der Folge Nötigen zum Auslenken - lassen nicht den Schluss zu, dass sich die vorgeworfene Verwaltungsübertretung unmittelbar im Bereich der Einmündung der Ausfahrt (A Richtungsfahrbahn S) in die F Straße, Fahrtrichtung stadteinwärts, zugetragen habe.

Innerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG kann dem behördlichen Verwaltungsstrafverfahren somit nur die Anlastung entnommen werden, dass der Berufungswerber auf der A, Richtungsfahrbahn S, Ausfahrt U, den auf der F Straße in Richtung stadteinwärts fahrenden Lenker des PKW, Kz.: L-, zu unvermitteltem Bremsen und Ablenken seines Fahrzeuges genötigt haben soll.

4.1.4. Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem Spruch des Straferkenntnisses im Hinblick auf die in § 44a Z1-5 festgelegten Erfordernisse besondere Bedeutung zu. Der Berufungswerber hat ein Recht darauf, dass dem Spruch unzweifelhaft entnommen werden kann, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen worden ist. Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Berufungswerber die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Auch wenn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mittlerweile eine deutliche Abkehr von einem extremen "Formalismus" entnommen werden kann, darf nicht übersehen werden, dass es erforderlich ist, Tatort und Tatzeit möglichst präzise anzugeben.

Mangels rechtzeitiger Tatortkonkretisierung war eine Sanierung im Berufungsverfahren nicht mehr möglich.

4.1.5. Die belangte Behörde hat das Straferkenntnis (Spruchpunkt 1) unter dem Aspekt des Konkretisierungsgebotes (§ 44a Z1 VStG) mit Rechtswidrigkeit belastet.

4.2. Spruchteil 2 des angefochtenen Straferkenntnisses:

4.2.1. Gemäß § 52 lit.c Z24 StVO ordnet das Zeichen (Vorschriftszeichen) "Halt" an, dass vor einer Kreuzung anzuhalten und gemäß § 19 Abs.4 StVO Vorrang zu geben ist.

4.2.2. Im Gegensatz zur mangelnden Konkretisierung des Spruchteils 1 entspricht Spruchteil 2 den Erfordernissen des § 44a Z1-5 VStG. Dem Berufungswerber wurde ua der Tatort konkret angelastet.

4.2.3. Das Vorschriftszeichen "Halt" verpflichtet zum Anhalten. Darunter ist vollständiges zum Stillstand bringen des Fahrzeuges und Vorrang geben zu verstehen. Wird bei einer Stoptafel nicht angehalten und der Vorrang verletzt, dann sind zwei Strafen kumulativ zu verhängen. Ist mit Nichtbeachtung einer Stoptafel keine Vorrangverletzung verbunden, dann liegt eine Übertretung nach § 52 lit.c Z24 StVO 1960 vor.

Die §§ 9 Abs.4, 19 Abs.4 und 52 lit.c Z24 StVO regeln den Ort der Anhalteverpflichtung.

Unabhängig davon, dass im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren keine Ermittlungen geführt wurden, ob sich am Tatort eine Bodenmarkierung gemäß § 9 Abs.4 StVO befindet oder ob das Vorschriftszeichen gemäß § 52 lit.c Z24 StVO ohne Bodenmarkierung verordnet worden ist, geht der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass der Berufungswerber eine Übertretung nach § 52 lit.c Z24 StVO zu verantworten hat. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH vom 28.9.1998, 88/02/0007, 29.8.1990, 90/02/0025) bedarf es keiner Angabe jener Stelle, an welcher der Berufungswerber sein Kraftfahrzeug hätte anhalten müssen, wenn er überhaupt nicht angehalten hat. Eine solche Angabe wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn ihm vorgeworfen worden wäre, zwar irgendwo in der Nähe eines solchen Vorschriftszeichens angehalten zu haben, aber nicht an den in § 52 Z24 StVO genannten Stellen.

Gemäß § 66 Abs.4 AVG ist der unabhängige Verwaltungssenat nicht nur berechtigt, sondern zur Vermeidung einer in einem Verstoß gemäß § 44a VStG gelegenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit verpflichtet, eine entsprechende Änderung in einem Schuldspruch vorzunehmen. Die verletzte Rechtsnorm war daher spruchgemäß zu ändern.

4.2.3. Auf Grund der Einvernahme des Berufungswerbers und der abgegebenen Stellungnahmen ist das tatbestandsmäßige Verhalten auf der A Mautobahn, Richtungsfahrbahn S, Ausfahrt U, erwiesen.

Unbestritten steht somit fest, dass der Berufungswerber am 11.4.1997 um 06.45 Uhr als Lenker des LKW, Kennzeichen F, in L, auf der A, Mautobahn, Richtungsfahrbahn S, Ausfahrt Ur, vor dem Vorschriftszeichen "Halt" (§ 52 lit.c Z24 StVO) nicht angehalten hat.

5.1. Der vorliegenden Berufung zu Spruchpunkt 1 war somit aus den vorangeführten Gründen gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu Punkt 1 aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

5.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Der Berufungswerber tritt weder dem Vorwurf der Fahrlässigkeit seines Handelns noch der Höhe der verhängten Strafe entgegen. Da sich diesbezüglich auch im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben haben, war die vorliegende Berufung gegen Spruchteil 2 gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer - zu Punkt 2 - gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG zusätzlich zum Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds 100,00 S (7,27 €) vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (181,68 €) zu entrichten.

Ergeht an:

Mag. Stierschneider

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