Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106745/12/Ki/Ka

Linz, 08.02.2000

VwSen-106745/12/Ki/Ka Linz, am 8. Februar 2000 DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des W, vom 9.12.1999 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 22.11.1999, VerkR96-3877-1998-Br, hinsichtlich der Fakten 2 und 3 wegen Übertretungen der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung und Verkündung am 1.2.2000, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.
  2. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 1 und 51 VStG

zu II: § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Straferkenntnis vom 22.11.1999, VerkR96-3877-1998-Br, den Berufungswerber (Bw) ua für schuldig befunden, er habe am 28.11.1998 um 01.10 Uhr den Kombi auf der Schneiderberg Gemeindestraße im Ortsgebiet von Lamm, Gemeinde Neumarkt i.M. in Richtung Schall gelenkt, wobei er nächst dem Haus L. einen Verkehrsunfall verschuldete, indem er den Fußgänger I niederstieß, wobei dieser unbestimmten Grades verletzt wurde und es unterlassen, nach dem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang stand, das von ihm gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten (Faktum 2) und die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen (Faktum 3). Gemäß § 99 Abs.2a StVO 1960 wurden jeweils Geldstrafen in Höhe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 36 Stunden) verhängt.

Außerdem wurde er hinsichtlich der gegenständlichen Fakten gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 300 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 9.12.1999 Berufung mit dem Antrag, das Straferkenntnis aufzuheben bzw abzuändern und sämtliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da hinsichtlich der Fakten 2 und 3 weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 1.2.2000. An dieser Berufungsverhandlung nahmen der Beschuldigte im Beisein seines Rechtsvertreters sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Freistadt teil. Als Zeugen wurden J, I sowie Frau B einvernommen.

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs.2 StVO 1960 ist, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, von den im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Dazu wird festgestellt, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist. Nach diesem Grundsatz ist das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrunde zu legen. Wenn sohin nach Durchführung der Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen.

Darüber hinaus wird festgestellt, dass die in § 4 StVO 1960 festgesetzten Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall das Wissen um diesen voraussetzen, wobei natürlich ein objektiver Maßstab anzulegen ist.

Im gegenständlichen Falle rechtfertigt sich der Bw dahingehend, er habe nicht bemerkt, dass er einen Verkehrsunfall verursacht hat bzw dabei eine Person zu Schaden gekommen sei. Er sei mit seinem Fahrzeug auf der vereisten Fahrbahn hängen geblieben und habe, nachdem er vorerst zurückgeblickt hat, zurückfahren wollen.

Der Vorwurf gründet sich zunächst aus der Anzeige des GP Kefermarkt. Darin führte der Meldungsleger aus, dass der Beschuldigte auf Höhe des Hauses Nr. 2, Gemeinde Neumarkt i.M. einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursachte, indem er den Fußgänger I niederstieß und unbestimmten Grades verletzte. Bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme führte der Beamte dann aus, dass er mit einem Kollegen Nachtstreife fuhr und von der Bezirksleitzentrale verständigt wurde, dass es einen Verkehrsunfall gegeben hat, bei dem eine Person niedergefahren wurde. Am Vorfallsort habe ihm Herr I erklärt, was sich zugetragen hat. I habe angegeben, Herr W wäre mit seinem Fahrzeug hängen geblieben, er habe anschieben wollen. Herr W sei jedoch zurückgefahren und I habe zur Seite springen müssen und sich dabei verletzt. Der Zeuge erwähnte auch eine Sensorleuchte, welche während der Amtshandlung sich immer wieder aus- und einschaltete.

Der Gendarmeriebeamte erklärte auch, dass er bei Herrn I eine Verletzung, nämlich eine Rötung am rechten Bein, feststellen konnte.

Anders die Aussage des Herrn I , welcher ausführte, dass er damals nach Hause gegangen sei. Bei seinem Haus habe, wie immer, das Licht und zwar eine Außenleuchte gebrannt. Der Zeuge erklärte, dass bevor er sich auf den Weg machte, ein anderer Nachbar mit seinem Fahrzeug den Berg hinuntergefahren ist. Er habe ein "Scheren" gehört und sich gedacht, dass dem vorhin erwähnten Nachbarn etwas passiert sei, weshalb er Nachschau hielt. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich ca 20 m von seiner Haustür entfernt befunden. Als er unmittelbar vor seiner Haustür war, sei ein Fahrzeug heraufgekommen, welches ihn gefühlsmäßig nicht gesehen habe. Er habe sich durch einen Sprung auf die Seite gerettet und über den Fahrzeuglenker geärgert. Da das große Licht an der Haustür brannte, habe er die Fahrzeugfarbe sehen können und die Polizei angerufen.

Konfrontiert mit den diesbezüglichen Aussagen des Gendarmeriebeamten erklärte der Zeuge zunächst, dass er dem Beamten den Vorfall so geschildert hat, wie er ihn jetzt ausgesagt hat. Den Widerspruch könne er sich insofern erklären, als er zunächst dachte, sein Nachbar sei hängen geblieben und er habe ihn anschieben wollen.

Bezüglich Verletzung erklärte der Zeuge, dass diese Verletzung am Knie außen mit Blut sichtbar war.

In der gegenständlichen Angelegenheit war bereits das Bezirksgericht Freistadt konfrontiert. Diesbezüglich wurde ein Verfahren gegen den Beschuldigten wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und Abs.3 StGB gemäß § 451 Abs.2 StPO eingestellt. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ua ausgeführt, dass, ob der Beschuldigte infolge eines Aufmerksamkeitsfehlers Herrn I nicht gesehen hat oder ob auch der durchschnittliche, sorgfältige Fahrzeuglenker in der gegenständlichen Situation Herrn I nicht rechtzeitig hätte wahrnehmen können, auch durch eine Beweisaufnahme im Rahmen einer Hauptverhandlung nicht festgestellt werden kann, da keine anderen als die bereits erzielten Erkenntnisse zu erwarten sind.

Entsprechende Erkenntnisse sind auch im Rahmen der durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat nicht hervorgekommen. Insbesondere ergeben sich Widersprüche dahingehend, dass der Gendarmeriebeamte ausgesagt hat, Herr I hätte ihm gegenüber angegeben, Herr W wäre mit seinem Fahrzeug hängen geblieben und er habe anschieben wollen. Herr W sei jedoch zurückgefahren und I habe zur Seite springen müssen und sich dabei verletzt. Dagegen führt Herr I aus, dass ein Fahrzeug heraufgekommen und ihn gefühlsmäßig nicht gesehen hätte und er sich durch einen Sprung auf die Seite rettete.

Divergierende Aussagen in diesem Zusammenhang müssen auch bezüglich der Beleuchtung festgestellt werden. Während der Gendarmeriebeamte von einer Sensorlampe sprach, welche während der Amtshandlung sich immer wieder ein- und ausschaltete, führte Herr I aus, dass bei seinem Haus das Licht immer eingeschaltet ist. Sein Nachbar habe eine Sensorleuchte, dieser wohne jedoch 200 m entfernt.

Was die Verletzung anbelangt, so konnte der Gendarmeriebeamte laut seiner Aussage bloß eine Rötung am rechten Bein feststellen, während Herr I aussagte, dass die Verletzung außen mit Blut sichtbar war.

Die erkennende Berufungsbehörde vertritt die Auffassung, dass wohl bei subjektiver Betrachtungsweise keine falschen Zeugenaussagen getätigt wurden. Dennoch werden mehrere Widersprüche, welche möglicherweise durch mangelnde Kommunikation zwischen dem Gendarmeriebeamten und Herrn I im Zusammenhang mit dem Unfallsgeschehen zu Missverständnissen geführt haben, festgestellt. Darüber hinaus scheint offensichtlich auch der Verfahrensakt nicht vollständig vorgelegt worden zu sein, zumal ein Protokoll über eine Einvernahme des Bw beim GP nicht im Akt enthalten ist.

Aus all den Gründen gelangt die erkennende Berufungsbehörde abschließend zur Feststellung, dass das dem Bw vorgeworfene Verhalten nicht mit eindeutiger Sicherheit als verwaltungsstrafrechtlich relevant befunden werden kann und daher jedenfalls nach dem Grundsatz in dubio pro reo davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte tatsächlich nichts vom Verkehrsunfall bemerkt hat und dies im Hinblick auf die konkrete Situation auch nicht bemerken konnte. Aus diesem Grunde war der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Mag. K i s c h

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