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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106755/5/Ki/Ka

Linz, 08.02.2000

VwSen-106755/5/Ki/Ka Linz, am 8. Februar 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des W, vom 6.12.1999, bzw vom 22.10.1999 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 15.11.1999, VerkR96-4405-1999 Sö, wegen Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 14.9.1999, VerkR96-4405-1999 Sö, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Aus Anlass der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 15.11.1999, VerkR96-4405-1999 Sö, wird dieser behoben und es wird der diesbezügliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 22.10.1999 als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Berufung vom 22.10.1999 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 14.9.1999, VerkR96-4405-1999 Sö, wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§§ 63 Abs.5, 66 Abs.4 und 71 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat den Berufungswerber (Bw) einer Übertretung der StVO 1960 beschuldigt und gegen ihn ein Verwaltungsstrafverfahren geführt. Es wurde auch ein Straferkenntnis (VerkR96-4405-1999 Sö vom 14.9.1999) konzipiert und an den Beschuldigten adressiert. Die Zustellung sollte mittels RSa-Brief erfolgen. Laut dem im Verfahrensakt aufliegenden RSa-Abschnitt wurde am 15.9.1999 ein erster Zustellversuch unternommen und die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches an der Eingangstür angebracht. Der zweite Zustellversuch fand am 16.9.1999 statt, die Verständigung über die Hinterlegung wurde ebenfalls an der Eingangstür angebracht. Tatsächlich wurde das an den Bw adressierte Straferkenntnis von diesem nicht behoben.

Mit Schreiben vom 14.9.1999 hat die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. überdies eine Kopie des Straferkenntnisses an die Bezirkshauptmannschaft Judenburg zur allfälligen Einleitung eines Führerschein-Entzugsverfahrens übermittelt.

Mit Schreiben vom 11.10.1999 beantragten die Rechtsvertreter des Bw bei gleichzeitiger Bekanntgabe der Vollmacht die Übersendung einer Kopie des Verwaltungsstrafaktes.

Mit Schriftsatz vom 22.10.1999 wurde einerseits ein Antrag um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und andererseits gleichzeitig eine Berufung gegen das Straferkenntnis erhoben. Der Antrag um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde damit begründet, dass sowohl eine Ladung zur Rechtshilfevernehmung als auch das Straferkenntnis selbst dem Beschuldigten lediglich durch Hinterlegung zugestellt wurden, wobei die Hinterlegung an der Hauseingangstür angebracht worden ist. Tatsächlich habe der Beschuldigte im gesamten gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren in keiner wie auch immer gearteten Art und Weise Kenntnis hievon gehabt, da er eine Hinterlegungsanzeige niemals erhielt, sodass er nicht in der Lage war, sich in diesem Verfahren zu äußern bzw gegen das ergangene Straferkenntnis zu berufen.

Der Antrag um Wiederaufnahme des Verfahrens wurde von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. mit Bescheid vom 15.11.1999, VerkR96-4405-1999 Sö als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wurde argumentiert, dass ein Verlust der Verständigung die Gültigkeit der Hinterlegung nicht berühre.

Mit Schriftsatz vom 6.12.1999 hat der Rechtsmittelwerber gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 15.11.1999 Berufung erhoben. Im Wesentlichen führt er aus, dass aus dem Grund, da trotz vorhandenem Hausbrieffach die Hinterlegungsanzeige an der Haustür und somit nicht entsprechend dem Zustellgesetz vorgenommen wurde, keine gesetzmäßige Zustellung vorliegt.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Darüber hinaus wurde im Rechtshilfeweg durch die Bezirkshauptmannschaft Judenburg die Postzustellerin zeugenschaftlich einvernommen. Diese führte bei ihrer Einvernahme ua aus, dass sie die Verständigung über die Hinterlegung an der Eingangstür angebracht habe. Weiters führte sie aus, dass Herr W ein Fach im Postamt Judenburg sowie ein Hausbrieffach in der Heiligengeiststraße besitze. In das Fach im Postamt werde sämtliche Post mit Ausnahme der RSa bzw Rsb-Briefe für Herrn W eingelegt. Das Hausbrieffach werde von seiten der jeweiligen Postzusteller und auch von Herrn W selbst nicht benützt. Aus diesem Grund sei es seit Jahren üblich, dass von den Kollegen und von ihr die Ankündigungen bzw Verständigungen für RSa/b-Briefe an der Eingangstür angebracht werden. Ob dies auf Wunsch des Herrn W hin in dieser Weise geschah, könne sie nicht angeben.

Gemäß den Bestimmungen des § 51e VStG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben.

4. Berufung gegen den Bescheid vom 15.11.1999:

Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist unter den dort normierten Voraussetzungen gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Gemäß § 17 Abs.1 Zustellgesetz ist, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann, das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen.

Der Empfänger ist gemäß § 17 Abs.2 leg.cit. von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstür (Wohnungs-, Haus-, Gartentür) anzubringen.

Gemäß § 17 Abs.3 leg.cit. gelten hinterlegte Sendungen grundsätzlich als zugestellt.

Das im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisverfahren hat ergeben, dass die Hinterlegungsanzeige betreffend das gegenständliche Straferkenntnis an der Eingangstür angebracht wurde, obwohl tatsächlich der Bw auch ein Hausbrieffach besitzt. Dies geht aus der zeugenschaftlichen Aussage der Postzustellerin hervor und es bestehen keine Bedenken, diese Aussage der Entscheidung zugrunde zu legen.

Aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 17 Abs.2 Zustellgesetz geht eindeutig hervor, dass primär eine Verständigung von der Hinterlegung in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten einzulegen oder an der Abgabestelle zurückzulassen ist. Nur wenn dies nicht möglich ist, ist die Verständigung an der Eingangstür anzubringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass, wenn Verständigungen nach § 17 Abs.2 Zustellgesetz vom Zusteller an der Eingangstür angebracht werden, obwohl ihre Einlegung in den Briefkasten möglich ist, keine rechtswirksame Zustellung vorliegt (VwGH 24.9.1986, Slg.12240A).

Der VwGH hat weiters festgestellt, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Zustellung, auch über die Form der Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige nicht durch eine Vereinbarung zwischen Postzusteller und Empfänger geändert werden können (VwGH 16.10.1990, 87/05/0063).

Nachdem Herr W ein Hausbrieffach besitzt, wäre die Hinterlegungsanzeige ausschließlich in dieses Hausbrieffach einzulegen gewesen, ungeachtet des möglichen Umstandes, dass es seit Jahren üblich ist, dass die Ankündigungen bzw Verständigungen an der Wohnungstür angebracht werden. Demnach liegt keine rechtswirksame Zustellung des Straferkenntnisses vor.

Gemäß § 7 Zustellgesetz wäre zwar eine Heilung dieses Zustellmangels möglich gewesen. Allerdings gilt eine Zustellung nach dieser Bestimmung nur dann als vollzogen, wenn das für den Empfänger bestimmte Schriftstück diesem tatsächlich zugekommen ist. Aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen geht zwar hervor, dass eine Kopie des Straferkenntnisses an die Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld übermittelt wurde und dass auch den Rechtsvertretern des Bw der Verfahrensakt zur Kenntnis gebracht wurde, offensichtlich ist das Straferkenntnis dem Bw jedoch bis dato nicht tatsächlich zugekommen. Diesbezüglich hat der VwGH festgestellt, dass die bloße Kenntnisnahme eines Bescheides durch Akteneinsicht einem tatsächlichen Zukommen nach § 7 Zustellgesetz nicht gleichzusetzen ist (VwGH 19.1.1995, 93/09/0410).

Zusammenfassend wird daher in diesem Punkt festgestellt, dass das verfahrensgegenständliche Straferkenntnis an den Bw nicht rechtsgültig zugestellt wurde und dieses ihm auch nicht tatsächlich zugekommen ist. Aus diesem Grunde war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig, weshalb einerseits der angefochtene Bescheid zu beheben und andererseits der Antrag als unzulässig zurückzuweisen war.

5. Berufung gegen das Straferkenntnis vom 14.9.1999:

Nachdem, wie bereits dargelegt wurde, das angefochtene Straferkenntnis dem Bw gegenüber nicht rechtskräftig zugestellt wurde, gilt es - es handelt sich auch um kein Mehrparteienverfahren - nicht als erlassen bzw entfaltet dieses gegenüber dem Bw keinerlei Rechtswirkungen. Aus diesem Grunde war auch die Berufung gegen das Straferkenntnis unzulässig und daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

Hinterlegungsanzeige an Haustür u. dgl., wenn Hausbriefkasten o. dgl.

vorhanden, nicht zulässig; keine rechtswirksame Zustellung

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