Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106839/2/Le/La

Linz, 09.05.2000

VwSen-106839/2/Le/La Linz, am 9. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Josef F, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 21. Jänner 2000, Zl. VerkR96-2356-1999-GG, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 21.1.2000 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 26 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 800 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 19 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 24.7.1999 um 22.20 Uhr als Lenker des KKW, Kennz., auf der M Landesstraße in Fahrtrichtung L ab dem Strkm 3,55 bis zum Wohnhaus L einem herannahenden Einsatzfahrzeug nicht Platz gemacht, weil er weder angehalten habe noch rechts zugefahren sei.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 1.2.2000, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass der Gendarmeriebeamte bei der Amtshandlung vor Zeugen gesagt hätte, dass sein Fahrverhalten während der gesamten Fahrstrecke nicht auffällig gewesen sei. Nachdem das Gendarmeriefahrzeug hinter ihm das Blaulicht eingeschaltet hatte, hätte er seine Geschwindigkeit sehr wohl reduziert und es hätte Möglichkeiten eines gefahrlosen Überholens gegeben, da ja nur das Gendarmeriefahrzeug und sein eigenes Fahrzeug auf diesem Abschnitt waren. Er hätte am ersten Platz angehalten, wo er sich selbst sicher gefühlt hätte. Dieser liege nur etwa 100 m nach dem Einschalten des Blaulichtes.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichender Sachverhalt hervorgeht, kann von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.2. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Die Gendarmeriebeamten Oblt. Franz S und ChefInsp. Gustav H vom BGK F fuhren am 24.7.1999 mit ihrem Streifenwagen in M. Dort fiel ihnen (laut Zeugenaussage des Gendarmeriebeamten ChefInsp. H) "der nunmehr beschuldigte Lenker mit seinem Fahrzeug auf, als er vom Musikheim in M kam und sein Auto in Richtung L in Bewegung setzte. Wir sind ihm in ca. einem Abstand von 200 m nachgefahren." bzw. (laut Zeugenaussage des Gendarmeriebeamten Oblt. S): "Wir wurden im Ortsgebiet von M auf das Fahrzeug des Beschuldigten aufmerksam, als dieser mit etwas überhöhter Geschwindigkeit in Richtung L fuhr. Der Abstand zu dem vor uns fahrenden Fahrzeug betrug ca. 200 m."

Die Beamten stellten bei der Nachfahrt in einem Abstand von ca. 200 m (laut eigenen Angaben) fest, dass der verfolgte Fahrzeuglenker, nämlich der nunmehrige Berufungswerber, beim Güterweg M "mit Sicherheit die dort verordnete 60 km/h-Geschwindigkeit (überschritten habe)". Das Ausmaß der Geschwindigkeitsübertretung konnten die Gendarmeriebeamten nicht feststellen, weshalb sie beschlossen, das Fahrzeug anzuhalten.

Zu diesem Zweck schalteten sie das Blaulicht ein und versuchten auch, mittels Betätigung der Lichthupe den Lenker auf den Anhalteversuch aufmerksam zu machen. Das Blaulicht wurde an einer übersichtlichen Linkskurve aus Sicherheitsgründen ausgeschaltet. Nach der Linkskurve schalteten sie das Blaulicht wieder ein und setzten ihren Anhalteversuch fort.

Nach Darstellung der Gendarmeriebeamten verringerte der verfolgte Lenker jedoch weder die Geschwindigkeit noch machte er erkennbar dem Einsatzfahrzeug Platz (welche Geschwindigkeit der verfolgte Lenker fuhr, gaben die Gendarmeriebeamten jedoch weder in der Anzeige noch in ihren Zeugenaussagen bekannt).

Der Berufungswerber gab in seiner Rechtfertigung an, die Fahrgeschwindigkeit auf ca. 40 km/h reduziert zu haben.

Übereinstimmend gaben die Gendarmeriebeamten sowie der Berufungswerber an, dass der Letztgenannte daraufhin zu seinem Wohnhaus in Leopoldschlag Nr. 60 links zugefahren ist und dort angehalten hat. Dort wurde die Amtshandlung auch durchgeführt. Der nunmehrige Berufungswerber wurde zu einem Alkotest aufgefordert, den er auch tatsächlich ablegte. Der Alkomat wies ein Ergebnis von 0,0 mg/l Atemluftalkohol aus.

Übereinstimmung herrscht bei den Verfahrensbeteiligten, dass sich während der gesamten Nachfahrt kein anderes Fahrzeug auf diesem Streckenabschnitt der M Landesstraße befand.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die Unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit einer Geldstrafe in Höhe von 800 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Der Berufungswerber wurde wegen Verletzung des § 26 Abs.5 StVO für schuldig erkannt, weil er einem herannahenden Einsatzfahrzeug nicht Platz gemacht hätte, weil er weder angehalten habe noch rechts zugefahren sei.

Der Berufungswerber bestritt diesen Tatvorwurf mit den Hinweisen, dass er die Geschwindigkeit sehr wohl reduziert hätte und es auch Möglichkeiten eines gefahrlosen Überholens (durch das Einsatzfahrzeug) gegeben hätte. Er hätte am ersten Platz, wo er sich selbst sicher gefühlt hätte, angehalten und der liege nur etwa 100 m nach dem Einschalten des Blaulichtes.

Die Verwaltungsvorschrift des § 26 Abs.5 StVO, deren Übertretung dem Berufungswerber angelastet wird, hat folgenden Wortlaut:

"(5) Alle Straßenbenützer haben einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen. Kein Lenker eines anderen Fahrzeuges darf unmittelbar hinter einem Einsatzfahrzeug nachfahren oder, außer um ihm Platz zu machen, vor ihm in eine Kreuzung einfahren."

Zum besseren Verständnis der Rechtslage sei auch noch die Bestimmung des § 26 Abs.1 StVO wiedergegeben, welche Folgendes bestimmt:

"(1) Die Lenker von Fahrzeugen, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht und mit Vorrichtungen zum Abgeben von Warnzeichen mit aufeinanderfolgenden verschieden hohen Tönen ausgestattet sind, dürfen diese Signale nur bei Gefahr im Verzuge, zum Beispiel bei Fahrten zum und vom Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonst dringenden Einsatzes verwenden. Außerdem dürfen die angeführten Signale soweit als notwendig nur noch zur Abwicklung eines protokollarisch festgelegten Programms für Staatsbesuche oder sonstige Staatsakte sowie in Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen verwendet werden. Die Leuchten mit blauem Licht oder blauem Drehlicht dürfen aus Gründen der Verkehrssicherheit auch am Ort der Hilfeleistung oder des sonstigen Einsatzes oder bei einer behördlich vorgeschriebenen Transportbegleitung verwendet werden."

Demnach darf Blaulicht - aus den Fällen des hier nicht anzuwendenden zweiten Satzes des § 26 Abs.1 StVO - nur bei Gefahr im Verzug verwendet werden.

Worin im gegenständlichen Sachverhalt jedoch eine Gefahr im Verzug gelegen war, ist weder aus der Anzeige noch aus den Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten ersichtlich: Die Absicht, einen Fahrzeuglenker einer Verkehrs- bzw. Fahrzeugkontrolle zu unterziehen (lt. Anzeige) bzw. die Vermutung einer Geschwindigkeitsübertretung im Bereich einer 60 km/h-Beschränkung (laut Zeugenaussagen) stellt wohl keine Gefahr im Verzug dar, weshalb es für den verfolgten Fahrzeuglenker nicht zweifelsfrei erkennbar sein konnte, ob die Einsatzfahrt und das verwendete Blaulicht ihm galt oder ob das Einsatzfahrzeug auf dem Weg zum Ort einer dringenden Hilfeleistung unterwegs war.

Dazu kommt, dass § 26 Abs.5 StVO den Straßenbenützern nur vorschreibt, einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen; diese Verpflichtung kommt dann zum Tragen, wenn sie bzw. ihr Fahrzeug nach dem vorhersehbaren Fortbewegungsweg für das Einsatzfahrzeug ein Hindernis bilden könnten (OGH vom 18.11.1982, ZVR 1983/265).

Die Verwendung des Blaulichtes bedeutet für sich, - weder nach dieser Gesetzesstelle noch nach der Judikatur zu § 97 Abs.5 StVO - die Verpflichtung zum Anhalten!

Weder in der Anzeige noch in den Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten findet sich eine Aussage dazu, dass die M Bezirksstraße (= laut Anzeige) bzw. Landesstraße (= laut Spruch des Straferkenntnisses) im verfahrensgegenständlichen Bereich so schmal ist, dass ein gefahrloses Überholen des nunmehrigen Berufungswerbers durch das Gendarmeriefahrzeug nicht möglich gewesen wäre. Bezirks- bzw. Landesstraßen weisen üblicher Weise eine Breite von zwei Fahrstreifen aus, sodass ein solches Überholmanöver durchaus möglich gewesen wäre. Wenn die Gendarmeriebeamten den nunmehrigen Berufungswerber überholt und ihm sodann mit dem roten Leuchtstab das Haltesignal gegeben hätten, wäre die Situation eindeutig gewesen.

Für den Berufungswerber spricht auch, dass er relativ kurze Zeit nach der erstmaligen Verwendung des Blaulichtes (nach eigenen Aussagen nach ca. 100 m) ohnedies bereits stehen geblieben ist und vorher kein Platz vorhanden gewesen wäre, an dem ein gefahrloses Anhalten möglich gewesen wäre.

Diese Angaben wurden im Ermittlungsverfahren der Erstbehörde nicht widerlegt, weshalb erhebliche Zweifel am Tatvorwurf bestehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung (zumindest teilweise) Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

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