Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106843/11/Fra/Ka

Linz, 15.06.2000

VwSen-106843/11/Fra/Ka Linz, am 15. Juni 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 25. Jänner 2000, VerkR96-1155-1999, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung am 8. Juni 2000, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) 1.) wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 800 S (EFS 24 Stunden) und 2.) wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 800 S (EFS 24 Stunden) verhängt, weil er am 6.3.1999 um ca. 19.35 Uhr als Lenker des PKW´s, auf der Böhmerwald Bundesstraße Nr.38 im Bereich von Strkm.156,350 verbotenerweise überholte, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werden könne. Weiters hat er als Lenker eines Kraftfahrzeuges verbotenerweise - weil der entgegenkommende Fahrzeuglenker abbremsen musste - überholt.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

3. Der Bw bringt im Wesentlichen vor, es sei nicht zutreffend, dass durch sein Überholmanöver ein entgegenkommender PKW in irgendeiner Form behindert wurde, ebenso wenig sei es zutreffend, dass er zu Beginn seines Überholmanövers nicht erkennen konnte, dass er sich nach Abschluss wieder ordnungsgemäß einordnen könnte. Entgegen der Anzeige sei es nicht zutreffend, dass er eine Fahrzeugkolonne (einen Kraftwagenzug und zwei PKW´s) überholt habe, vielmehr sei er zu diesem Zeitpunkt unmittelbar hinter dem Kraftwagenzug gefahren, die beiden PKW´s seien hinter ihm, das Zivilstreifenfahrzeug wieder hinter den beiden fahrenden Fahrzeugen gefahren. Er habe demnach nur ein Fahrzeug überholt, wobei für ihn zu Beginn des Überholmanövers einwandfrei erkennbar gewesen sei, dass er sich gefahrlos wieder einordnen können würde.

Auch die Angaben der Gendarmeriebeamten, wonach er mit einer Geschwindigkeit von weit mehr als 110 km/h den Überholvorgang durchführte, seien unzutreffend. Dies würde bedeuten, dass der Kraftwagenzug die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 50 km/h überschritten hätte, wobei er in diesem Zusammenhang auch festhalten möchte, dass Lastwägen nach den gesetzlichen Vorschriften generell auf maximal 90 km/h gedrosselt sind. Über die Geschwindigkeit der Fahrzeugkolonne könne er keine genauen Angaben machen, diese sei jedoch deutlich unter 80 km/h gelegen. Angesichts dieser doch eher niedrigen Geschwindigkeit der Kolonne sowie der Beschleunigung des von ihm gelenkten Fahrzeuges sei die vorhandene Sicht bei weitem für ein vollkommen gefahrloses Überholmanöver ausreichend gewesen, zumal die von ihm überholte Kolonne äußerst rechts fuhr. Für die Insassen des im deutlichen Abstand (zwei KFZ) hinter ihm fahrenden Zivilstreifenfahrzeuges habe auch gar keine Möglichkeit bestanden, seine Sichtverhältnisse zu beurteilen, ob die gegebene Sicht der für den Überholvorgang erforderlichen Sicht entspricht. Es habe auch kein entgegenkommendes Fahrzeug wegen dieses Überholvorganges abbremsen müssen. Dazu möchte er zunächst auf die Aussagen der Insassen des überholten LKW´s verweisen, die sich an keine gefährliche Situation erinnern konnten. Da die Fahrbahn an dieser Stelle 10 m breit ist, sodass insgesamt 4 Fahrstreifen vorhanden sind, wäre auch ein allenfalls entgegenkommender PKW keinesfalls gezwungen gewesen, sein Fahrzeug abzubremsen, da jedenfalls ausreichend Platz vorhanden gewesen sei und ein entgegenkommender PKW-Lenker gemäß § 7 Abs.2 StVO 1960 ohnedies jedenfalls verpflichtet gewesen wäre, äußerst rechts zu fahren.

Ein gleichzeitiger Verstoß gegen § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 und § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 sei denkunmöglich, weil jedes Überholmanöver, durch das ein entgegenkommender Straßenbenützer im Sinne des lit.a gefährdet wird, zwangsläufig gegen § 16 Abs.1 lit.c verstoßen müsse. Die Bestrafung sei daher, selbst wenn man von dem der Behörde angenommenen Sachverhalt ausgehe, zu unrecht erfolgt.

Der Bw beantragt daher die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung, die Stattgabe der Berufung und die Einstellung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat aufgrund der Anträge des Bw am 8. Juni 2000 an Ort und Stelle eine Berufungsverhandlung durchgeführt.

Zeugenschaftlich einvernommen führte der Meldungsleger Herr Rev. Insp. K, Grenzüberwachungsposten Rohrbach, bei dieser Verhandlung im Wesentlichen aus, zur Tatzeit ein Zivilstreifenfahrzeug auf der B38 in Richtung Rohrbach gelenkt zu haben. Sein Beifahrer war Herr Bez. Insp. W. Vor dem Überholvorgang sei er dem Beschuldigtenfahrzeug auf einer Strecke von ca. 300 m in gleichbleibendem Abstand nachgefahren, wobei der Tachometer des Zivilstreifenfahrzeuges eine Geschwindigkeit von ca. 110 km/h anzeigte. Der Beschuldigte habe eine Kolonne bestehend aus drei Fahrzeugen (das erste Fahrzeug sei ein LKW-Zug oder ein Sattelkraftfahrzeug gewesen, das zweite und dritte Fahrzeug jeweils Pkw's) überholt. Wie schnell die Kolonne gefahren sei wisse er nicht mehr, ebenso könne er zu den Tiefenabständen der einzelnen Fahrzeuge, die der Bw überholt hat, nichts sagen. Der Überholvorgang sei ca. bei Strkm. 156,350 begonnen worden und ungefähr in dem Bereich, wo sich auf der linken Seite eine Leitplanke befindet bzw wo diese beginnt, beendet worden. Dort habe sich das Beschuldigtenfahrzeug wieder auf dem rechten Fahrstreifen befunden. Ob der Gegenverkehr abgebremst habe, habe er nicht gesehen, doch habe er gesehen, als er beim Gegenverkehr vorbeigefahren ist, dass dieses Fahrzeug gestanden ist.

Über Befragen des Vertreters des Bw präzisierte er diesbezüglich, den Gegenverkehr nicht gesehen zu haben, sondern nur einen Lichtschein. Er wisse auch nicht mehr, wo der Gegenverkehr zu stehen gekommen ist. Mit welcher Geschwindigkeit er überholt habe, wisse er nicht mehr. Er wisse auch nicht mehr, wie schnell er hinter der Kolonne gefahren ist, er habe nicht auf den Tachometer geschaut. Er sei dann mit Blaulicht dem Beschuldigtenfahrzeug nachgefahren. Der Bw habe am Straßenrand vor einer Leitplanke angehalten und er hinter dem Beschuldigtenfahrzeug. Beide Fahrzeuge seien mit einer normalen Bremsung zum Stillstand gekommen. Er habe sodann eine Kontrolle durchgeführt und den Bw gebeten, mit dem Fahrzeug zum Grenzüberwachungsposten mitzufahren. Er glaube, dass er dem Bw den Zulassungsschein und Führerschein erst wieder auf der Dienststelle zurückgegeben hat. Er wollte das Fahrzeug überprüfen, weil etwas auffällig war, aber dazu möchte er keine Angaben machen, er verweise diesbezüglich auf das Amtsgeheimnis.

5. Auf Grund der oa Aussagen hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

Zum Faktum 1 (§ 16 Abs.1 lit.c StVO 1960):

Unter Zugrundelegung der Aussagen des Meldungslegers, dass der Bw eine Kolonne bestehend aus drei Kraftfahrzeugen überholt hat, kann dieser Tatbestand deshalb nicht als erwiesen festgestellt werden, weil der Tiefenabstand der vom Bw überholten Fahrzeuge nicht feststeht (vgl. VwGH vom 12.3.1986, 85/03/0152).

Zum Faktum 2 (§ 16 Abs.1 lit.a StVO 1960):

Das angefochtene Straferkenntnis wirft dem Bw diesbezüglich vor, dass er als Lenker des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges verbotenerweise überholt hat, weil der entgegenkommende Fahrzeuglenker abbremsen musste. Hinsichtlich dieser Umschreibung ist der Tatbestand nicht bewiesen, weil der Meldungsleger seine Aussage bei der Berufungsverhandlung insofern relativierte, als er angab, nicht gesehen zu haben, ob der Gegenverkehr abgebremst hat, doch gesehen zu haben, dass dieser, als er an ihm vorbeigefahren ist, gestanden ist. Weiters sagte der Meldungsleger aus, als er noch hinter der Kolonne fuhr, den Gegenverkehr nicht gesehen zu haben, sondern nur einen Lichtschein.

Zu überprüfen ist weiters, ob der Bw durch seinen Überholvorgang einen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet oder behindern hätte können, weil er auch dadurch das Tatbild hergestellt hätte. Diesbezüglich ist festzustellen, dass, wenn man von den Aussagen des Meldungslegers ausgeht, der Bw den Überholvorgang bei Straßenkilometer 156,350 begonnen hat. Unter der Voraussetzung, dass der Lenker des LKW-Zuges bzw des Sattelkraftfahrzeuges selbst keine überhöhte Geschwindigkeit einhielt, das heißt mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 km/h gefahren ist, ergibt sich ein Geschwindigkeitsunterschied von mehr als 40 km/h, weil der Bw lt. Aussagen des Meldungslegers noch vor dem Überholvorgang eine Geschwindigkeit von ca. 110 km/h einhielt. Zu bedenken ist weiters, dass das Beschuldigtenfahrzeug 192 PS hat und an der Tatörtlichkeit ein leichtes Gefälle vorhanden ist, woraus eine enorme Beschleunigung resultiert. Folgt man den Erstangaben des Bw, wonach er beim Überholvorgang "bestimmt 120 km/h" gefahren sei, so durchfährt man pro Sekunde 33,33 m. Die überholte Kolonne durchfährt bei der oa angenommenen Geschwindigkeit von 70 km/h pro Sekunde 19,4 m, dies ergibt einen Geschwindigkeitsunterschied von rund 14 m pro Sekunde. Wenn man weiters davon ausgeht, dass das erste Fahrzeug eine Länge von 16 m hatte und die Kolonne insgesamt 60 m (genaue Aussagen fehlen hiezu), dauert der gesamte Überholvorgang ca. 4-5 Sekunden. In 5 Sekunden wird vom Beschuldigtenfahrzeug eine Strecke von ca. 166 m zurückgelegt. Unter diesen Prämissen ist es nicht möglich, dass ein Fahrzeug, das mehr als 300 m weit entfernt ist, auch nur abstrakt zu gefährden oder zu behindern, insbesondere unter dem Aspekt, dass die Fahrbahn ca. 10 m breit ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass wesentliche Umstände fehlen, die jedoch Voraussetzung wären, um die dem Bw zur Last gelegten Tatbilder als erwiesen feststellen zu können.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

6. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

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