Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-106848/7/Br/Bk

Linz, 15.03.2000

VwSen - 106848/7/Br/Bk Linz, am 15. März 2000

DVR.0690392

ERKENNTNIS

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 19. Jänner 2000, Zl: VerkR96-4065-1997-Br, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach der am 14. März 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in sämtlichen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber drei Geldstrafen (800 S, 500 S und 800 S) sowie Ersatzfreiheitsstrafen (19 Stunden, 12 Stunden und 19 Stunden) verhängt und ihm nachfolgend umschriebene Verhaltensweisen zur Last gelegt: "Sie haben am 29.10.1997 um 17.20 Uhr als Lenker des Kombis mit dem Kennzeichen auf der B 125 bei Strkm 29,800 im Gemeindegebiet von N, Fahrtrichtung L,

  1. die Sperrfläche verbotenerweise befahren;

2) sich bei der Fahrt auf der genannten Straße bei Strkm 29,700 entsprechend den auf der Fahrbahn für das Einordnen angebrachten Richtungspfeilen zur Weiterfahrt nach links eingeordnet, dann aber verbotenerweise geradeaus weitergefahren sind, sowie

3) bei der Fahrt auf der B 125 bei Strkm 29,600 die Sperrfläche verbotenerweise befahren."

Diese Verhaltensabläufe subsumierte die Behörde erster Instanz als Übertretungen nach § 9 Abs.1 und § 9 Abs.6 StVO.

2. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf eine Wahrnehmung eines Straßenaufsichtsorgans des vom Berufungswerber in diesem Straßenbereich durchgeführten Überholvorganges betreffend ein Sattelkraftfahrzeug. Im Zuge dieses Überholmanövers wäre es laut Meldungsleger offensichtlich zu einem Überfahren einer auf der B 125 aufgebrachten Sperrlinie, einer Sperrfläche und das Befahren in gerader Richtung einer Linksabbiegespur gekommen.

2.2. In der dagegen fristgerecht bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung bestreitet der Berufungswerber im Ergebnis die Tatbegehung. Darüber hinaus wird dargelegt, dass der Meldungsleger angesichts seines Standortes und der Sichtverdeckung durch das überholte Schwerfahrzeug ein Befahren der Sperrfläche nicht sehen hätte können und es sich bei seiner Darstellung nur um eine reine Vermutung handeln könne. Darüber hinaus sei es ihm gar nicht möglich gewesen, diese Bodenmarkierungen, die durch kein Hinweiszeichen (Voranzeiger für Einordnen) angezeigt waren, so rechtzeitig wahrzunehmen, dass im Hinblick darauf ein Überholvorgang nicht eingeleitet worden wäre.

3. Da keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Zumal die Tatbegehung dem Grunde nach bestritten wurde, war im Sinne einer möglichst unmittelbaren und umfassenden Wahrheitsfindung und in Wahrung der nach Art. 6 EMRK intendierten Rechte eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unter Beischaffung eines Luftbildes betreffend den hier verfahrensgegenständlichen Straßenverlauf. Auf diesem als maßstabsgetreu zu qualifizierenden Foto wurde der Kurvenradius vermessen und der Überholweg errechnet (EVU-Unfallrekonstruktionsprogramm v. Prof. Gratzer). Der Meldungsleger wurde zeugenschaftlich und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Beigeschafft wurde schließlich der Verordnungsakt hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Bodenmarkierungen (VerkR10-411-1996-Ho, v. 13.9.1996, Beilage 3).

4.1. Der Berufungswerber lenkte zur o.a. Zeit sein Fahrzeug auf der B 125 in Richtung N. Ab dem Bereich des Strkm 30,00 verläuft der Straßenzug bis zum Strkm 29,4 (600 m) übersichtlich, wobei ab Strkm 29,800 in Fahrtrichtung des Berufungswerbers eine Linkskurve im abgeflachten Kurvenradius (linksseitiges Durchfahren im Zuge des Überholvorganges) mit ca. 280 m anzunehmen ist. Im Bereich des Strkm 29,700 finden sich für beide Fahrtrichtungen neben der Fahrspur für die Geradeausfahrt auch eine Linksabbiegespur, wobei der Fahrspur für den aus Richtung Norden (Freistadt) fließenden Verkehr eine etwa in Straßenmitte liegende schmale Sperrfläche, vorgelagert ist. Gemäß der Verordnungsskizze ist diese in einer Breite von 2 bis 2,5 m und in einer Länge von 47 m anzunehmen. Die Linksabbiegespur aus Richtung Freistadt weist eine Länge von insgesamt 40 m auf, wobei nach einem 13 m langen Schrägverlauf die Gesamtbreite auf 27 m und mit nur einem Markierungspfeil nach links ausgeführt ist. Auf der Gegenseite beginnt die Fahrbahnteilung bei Strkm 29,615 und endet in einer 3,6 m breiten Linksabbiegespur bei Strkm 29,700 nach einem Verlauf von 85 m. Laut der der Verordnung beiliegenden Skizze findet sich in dieser Richtung entgegen der Darstellung in der vom Meldungsleger befassten Skizze keine Sperrfläche und es finden sich ebenfalls im Gegensatz zur Darstellung des Meldungslegers mit einem Richtungspfeil drei Richtungspfeile im Verlauf dieser Abbiegespur. Auf Grund der Länge der Linksabbiegespur in nördlicher Richtung mit 85 m ist von der Richtigkeit der Darstellung in der Verordnung auszugehen.

Geht man gemäß der inhaltlich übereinstimmenden Schilderung des Berufungswerbers und des Meldungslegers davon aus, dass der Überholvorgang im Bereich des Strkm 29,800 eingeleitet wurde, ergibt sich unter der Annahme einer Fahrgeschwindigkeit des Sattelzuges von 60 km/h und dem Überholvorgang aus einem Tiefenabstand von 20 m bei 60 km/h und unter einer Querbeschleunigung beim Ausscheren und Einscheren mit 3 m/sek2, sowie einer Fahrzeugbeschleunigung des Berufungswerbers mit 2 m/sek2, nach einem ebenfalls nach 20 m beginnenden Einscheren, ein Überholweg von ca. 193,3 m. Diese Annahme lässt sich ebenfalls mit der Angabe des Berufungswerbers und auch des Meldungslegers gut in Einklang bringen. Daraus folgt wiederum, dass der Überholvorgang etwa auf Höhe des Standortes des Meldungslegers (dem Kettenanlegeplatz bei Strkm 29,600) beendet war. Damit lässt sich ferner nachvollziehen, dass der Berufungswerber nur unter Ausführung einer starken Bremsung nach dem Standort der Meldungsleger zum Stehen kommen konnte und zurückschieben musste, um zum sogenannten Kettenanlegeplatz zu gelangen. Als logische Schlussfolgerung ergibt sich aber auch, dass insbesondere auf Grund des sehr flachen Blickwinkels bei gleichzeitiger Entfernung des Standortes des Meldungslegers von der Kreuzung mit ziemlich exakt 100 m, die Sicht des Meldungslegers auf das Fahrzeug des Berufungswerbers, insbesondere im Bereich der besagten Kreuzung und der dort befindlichen Bodenmarkierungen vom überholten Fahrzeug (Länge etwa 16 m) mit höchster Wahrscheinlichkeit verdeckt war. Während des etwa acht Sekunden in Anspruch nehmenden Überholvorganges legte das überholte Fahrzeug unter o.a. Annahme eine Wegstrecke von 134,5 m zurück. Andererseits ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber die Bodenmarkierungen zum Zeitpunkt der Einleitung des Überholvorganges ca. 100 m vor der Kreuzung nicht erkennen konnte, wobei ebenfalls grundgelegt werden muss, dass diese auch nicht durch einen Voranzeiger angekündigt waren. Es kann ferner als Erfahrungstatsache gelten, dass am 29. Oktober um 17.20 Uhr fortgeschrittene Abenddämmerung herrscht und vor allem bei bedecktem Himmel nur mehr von einem Resttageslicht ausgegangen werden kann, sodass eine Sichtbarkeit von Bodenmarkierungen aus einem Pkw auf eine Distanz von 100 m auszuschließen ist.

Entgegen der Annahme der Behörde erster Instanz kann von einem Befahren der Sperrfläche vor allem deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Überholvorgang ein Durchfahren des Straßenzuges auf dem linken Fahrstreifen indiziert.

Aus der Anlage 2 als Bestandteil der o.a. Verordnung der Behörde erster Instanz übermittelten Skizze ergibt sich im Gegensatz zur Skizze des Meldungslegers lediglich eine Sperrfläche im Bereich der Fahrspur zum Linksabbiegen aus Fahrtrichtung Freistadt. Eine der Sperrfläche bei Strkm 29,8 vorgelagerte Sperrlinie ist aus den Skizzen nicht erkennbar. In unschlüssiger Weise spricht der Meldungsleger anlässlich seiner Zeugenaussage vor der Behörde erster Instanz am 27.2.1998 von einem Befahren einer Rechtsabbiegespur deren Existenz er jedoch bereits durch seine eigene Skizze vom 24.12.1997 ausschließt. Der Anzeigeleger hat offenbar infolge des Überholmanövers auf das Befahren der Sperrfläche geschlossen oder das linksseitige Vorbeifahren in unzutreffender Weise mit dem Befahren gleichgesetzt.

4.2. Somit ist im Ergebnis der Verantwortung des Berufungswerbers durchaus mehr Glaube als den Darstellungen des Meldungslegers zu schenken gewesen. Selbst der Meldungsleger räumte anlässlich der Berufungsverhandlung ein, dass der Überholvorgang korrekt ausgeführt wurde und diesbezüglich keinerlei nachteilige Folgen für die Verkehrssicherheit gegeben waren. Vor allem das Befahren der Sperrfläche vermochte der Zeuge anlässlich der Berufungsverhandlung nicht mehr zu bestätigen. Dies ist angesichts der oben dargestellten Abläufe und der wohl zweifelsfrei anzunehmenden weitgehenden Sichtverdeckung durchaus plausibel. Im Gegensatz zur von der Behörde erster Instanz in nicht gerade auf Logik basierenden Annahmen des Tatbeweises, stellten sich im Rahmen des Berufungsverfahrens einerseits zum Teil überhaupt als unzutreffend (Fahren entgegen der Richtungspfeile - bei 100 km/h wäre ein Einordnen auf einer nur 27 m langen Fahrspur objektiv beurteilt unmöglich) und andererseits als sehr unwahrscheinlich (Befahren der Sperrfläche) heraus.

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat Folgendes erwogen:

5.1. Als Konsequenz dieses Beweisergebnisses, wonach ein eindeutiges Beweisergebnis nicht vorliegt, folgt daher in rechtlicher Hinsicht, dass selbst schon bei bloßen Zweifel am Tatvorwurf der Tatnachweis eben nicht erbracht ist und von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die hier auf den bloßen Gesetzeswortlaut reduzierten Tatvorwürfe den Anforderungen des § 44a Z1 und 2 VStG standhalten würden. Die sich rudimentär gestaltende Formulierung "die Sperrfläche verbotener Weise befahren zu haben" lässt beispielsweise gänzlich offen, dass ein Befahren der Sperrfläche etwa auch geboten sein könnte (vgl. etwa Messiner, StVO-Kommentar, 9. Auflage, Seite 281, 3. Absatz).

Ebenfalls nicht einzugehen ist auf die Frage, inwieweit hier eine so genannte unechte Idealkonkurrenz in Form der Konsumtion zum Tragen kommen könnte; da die hier kumulativ vorgeworfenen Delikte in einem typischen Zusammenhang stünden indem die Erfüllung des einen Delikttatbestandes notwendig auch mit der Erfüllung des anderen Tatbestandes verbunden gewesen wäre. Zuletzt kann auch der Einwand des Berufungswerbers eines ob der fehlenden Erkennbarkeit dieser Bodenmarkierungen fehlenden Verschuldens auf sich bewenden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum