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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106862/3/BI/FB

Linz, 28.03.2000

VwSen-106862/3/BI/FB Linz, am 28. März 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 4. Kammer (Vorsitzender: Mag. Kisch, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitzer: Dr. Weiß) über die Berufung des Herrn K S, K, F, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E K, A, L, vom 23. Dezember 1999 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 9. Dezember 1999, VerkR96-3689-1999, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 2. Alt und 66 VStG, §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 2. Satz Z1 StVO 1960

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem genannten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 Z1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 16.000 S (16 Tage EFS) verhängt sowie ihm einen Verfahrenskostenbeitrag von 1.600 S auferlegt.

Die das in Form eines Kurzerkenntnisses ergangene Straferkenntnis festhaltende Strafverhandlungsschrift, aufgenommen am 9. Dezember 1999 bei der Erstinstanz, enthält als Tatanlastung nur den Hinweis auf § 5 Abs.2 Z1 StVO und verweist auf die Anzeige des LGK f , Verkehrsabteilung, Außenstelle N vom 29.11.1999 als Verhandlungsgegenstand. Ein den konkreten Tatvorwurf wiedergebender Schuldspruch findet sich nicht.

Zu bemerken ist auch, dass im gesamten Verfahrensakt keine wörtliche Umschreibung des Tatvorwurfs enthalten ist. Die Einvernahmen sowohl des Bw als auch der Zeugen erfolgten lediglich bezogen auf die zitierte Gesetzesstelle und die angeführte Anzeige.

Darin wird dem Bw sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 28. November 1999 gegen 23.30 Uhr den PKW, Kz. , in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Gemeindegebiet F in der P, Höhe Zufahrt zum Haus Nr.2, in Betrieb genommen, indem er das Fahrzeug gestartet habe. Er habe sich trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht am 28. November 1999 um 23.40 Uhr in F, P, Höhe Zufahrt zum Haus Nr.2, geweigert, den Alkoholgehalt der Atemluft mit einem Alkoholmessgerät untersuchen zu lassen.

2. Die gegen das Straferkenntnis fristgerecht eingebrachte Berufung wurde seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, da der Sachverhalt ausreichend geklärt ist, sodass lediglich Rechtsfragen zu lösen waren, und eine Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber verweist zunächst auf die bereits oben angeführten Formmängel des Straferkenntnisses und macht weiters geltend, er habe nachweislich das Kfz nicht gelenkt und es habe diesbezüglich auch nie Verdachtsmomente gegeben und zwar "weder rücksichtlich seiner Angaben als der der Zeugin S sowie auf Grund der konkreten Sachlage an Ort und Stelle in Form eines im Stillstand befindlich gewesenen Fahrzeuges, bei dem der Motor zum Zweck der Abeisung der Fensterflächen gelaufen sei, und seines Standortes". Er habe das Fahrzeug nicht gelenkt und auch nicht in Betrieb genommen oder solches versucht. Er habe um 23.30 Uhr das Lokal "C" verlassen und sei mit der Zeugin zum Fahrzeug gegangen. Diese habe den PKW in Betrieb genommen und den Motor gestartet, um die vereisten Scheiben abzutauen. Kurze Zeit später seien sie beide ausgestiegen, weil die Zeugin die Toilette aufsuchen habe müssen, während er im Lokal "M" Pommes Frittes gekauft habe.

Er habe daher keine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 lit.b iVm 5 StVO 1960 begangen. Er habe das Kfz nicht in Betrieb genommen und es habe auch kein Sachverhalt vorgelegen, der eine Atemluftkontrolle gerechtfertigt hätte. Es habe auch nicht ansatzweise ein Verdacht vorgelegen, ein Kfz in alkoholisiertem Zustand gelenkt zu haben bzw sei dem seine und die Aussage der Zeugin S entgegengestanden. Die Zeugenaussage S sei im Übrigen von der Erstinstanz völlig übergangen worden, obwohl sie eindeutig darauf verwiesen habe, dass sie selbst den PKW gestartet und damit in Betrieb genommen habe und er weder vorher noch nachher das Kfz gelenkt habe. Er beantragt daher die Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Aus der Anzeige vom 29. November 1999 und aus der Zeugenaussage des Meldungslegers RI J vom 2. Dezember 1999 ergibt sich, dass dieser zusammen mit RI P bei einer Streifenfahrt wahrgenommen hat, dass der PKW am 28. November 1999 um 23.30 Uhr mit laufendem Motor bei der Zufahrt zum Haus P 2 abgestellt war. Der Bw stand neben dem PKW und aß Pommes Frittes; im PKW befand sich niemand. Der Zeuge sprach den Bw an, warum er den Motor laufen lasse, worauf dieser geantwortet habe, er habe sich gerade Pommes Frittes gekauft und wolle nicht beim Lenken des Fahrzeuges essen. Allein daraus hat der Meldungsleger nach eigenen Worten geschlossen, dass der Bw den Motor des PKW gestartet habe und dann fahren wolle. Er habe dann eindeutige Alkoholisierungsmerkmale wie Alkoholgeruch der Atemluft, schwankenden Gang und gerötete Augenbindehäute beim Bw festgestellt und ihn auf Grund des Verdachtes, er habe den PKW in Betrieb genommen, um 23.35 Uhr an Ort und Stelle zum Alkotest aufgefordert. Der Alkomat sei im Dienstfahrzeug mitgeführt worden. Der Bw habe geantwortet, er wolle zuerst noch die Pommes Frittes fertigessen, und ihn anschließend gefragt, warum er denn überhaupt einen solchen Test machen müsse. Den PKW habe nicht er, sondern seine Gattin gestartet, die bei "M" auf der Toilette sei.

Bei einer darauffolgenden Zulassungsanfrage hat der Meldungsleger festgestellt, dass nicht der Bw, sondern seine Gattin Zulassungsbesitzerin des PKW ist, wobei diese zu Hause erreicht werden konnte. Der Bw erklärte darauf angesprochen, nicht seine Gattin sondern seine Freundin habe den PKW gestartet. Die Verweigerung des Alkotests sei bis zum Ende der Amtshandlung um 24.00 Uhr aufrechterhalten worden. Eine Befragung der Freundin sei nicht durchgeführt worden, weil der Bw nichts davon gesagt habe, das sich diese im Lokal "C" aufgehalten habe.

Am 1. Dezember 1999 hat die Zeugin G S vor der Erstinstanz bestätigt, sie habe das Fahrzeug gestartet, weil es so kalt gewesen sei, und habe den Motor laufen lassen, während sie eine Toilette aufgesucht und der Bw Pommes Frittes gekauft habe. Sie habe dann im "C" einen Bekannten getroffen und sei dort geblieben. Einige Zeit später sei der Bw erschienen und habe ihr erzählt, man habe ihm den Führerschein abgenommen.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ergibt sich aus diesen Aussagen zweifelsfrei, dass die beiden Gendarmeriebeamten keine Wahrnehmung darüber gemacht haben, wer nun tatsächlich den Motor gestartet, dh den PKW in Betrieb genommen hat. Allein die Tatsache, dass der Bw daneben stand, als er vom Meldungsleger angesprochen wurde, lässt keinen Schluss dahingehend zu, auch wenn sich der Bw hinsichtlich der Gattin/Freundin zunächst keine Blöße geben wollte und auch den Namen der Zeugin S nicht nannte, sodass diese vom Meldungsleger nicht an Ort und Stelle befragt werden konnte.

Die Zeugenaussage S vom 1. Dezember 1999 vor der Erstinstanz stützt aber die Verantwortung des Bw und ist auch inhaltlich nicht zu widerlegen, zumal die Gendarmeriebeamten keinerlei Beobachtung über die Person gemacht haben, die den PKW tatsächlich in Betrieb genommen hat. Die Äußerung des Meldungslegers, er habe auf Grund der Angabe des Bw, er wolle nicht beim Fahren essen, angenommen, dieser habe vor, den PKW (in weiterer Folge) zu lenken, war nur auf eine Vermutung, die die weitere Zukunft betraf, gerichtet, nicht aber dahingehend gerechtfertigt, dass der Bw den PKW gelenkt hat. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass der Bw irgendwann an diesem Abend den PKW zum Abstellort gelenkt hat; eine Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung für diese Lenkzeit besteht aber nicht.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen ... zu lassen.

Gemäß § 5 Abs.2 leg.cit. sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2. als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu dieser Untersuchung aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Auch wenn im gegenständlichen Fall dem Bw seitens der Erstinstanz nie ein hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale wörtlich umschriebener Tatvorwurf gemacht wurde, so ist dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen entgegenzuhalten, dass dem Bw bei seiner Einvernahme als Beschuldigter am 1. Dezember 1999 die Anzeige des Meldungslegers (der Akteninhalt bestand damals nur aus dieser) zur Kenntnis gebracht wurde, die alle wesentlichen Tatbestandselemente enthielt. Auch wenn an dieser Stelle zu betonen ist, dass es nicht die Aufgabe des unabhängigen Verwaltungssenates sein kann, Tatbestandselemente aus Akt-Fragmenten zu erahnen, um letztlich einen hieb- und stichfesten Tatvorwurf zu konstruieren, so ist darauf zu verweisen, dass das Zurkenntnisbringen der Anzeige, in der die Tat hinsichtlich aller, der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben ist, mit der Aufforderung zur Rechtfertigung eine den Eintritt der Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG darstellt (vgl VwGH v 20. 7. 1992, 92/18/0184, ua).

In der Sache selbst ist aus den im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen davon auszugehen, dass sich der PKW bei Erscheinen der Gendarmeriebeamten zwar in Betrieb befand, dh in Betrieb genommen wurde, jedoch befand sich niemand im Fahrzeug, der als "inbetriebnehmender" Adressat einer Aufforderung gemäß § 5 Abs.2 1. Satz StVO in Frage gekommen wäre, zumal allein die Tatsache, dass der Bw neben dem PKW stand, einen Verdacht in dieser Richtung nicht erhärten konnte, auch wenn er als Ehegatte der Zulassungsbesitzerin noch am ehesten als Verfügungsberechtigter über den PKW in Frage kam. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Gendarmeriebeamten das Atemluftmessgerät im Dienstwagen mitführten, dh eine Verbringung zum nächsten Gendarmerieposten iSd § 5 Abs.4 StVO nicht erforderlich gewesen wäre. § 5 Abs.2 1. Satz StVO 1960 kann daher nicht zur Anwendung gelangen.

§ 5 Abs.2 2. Satz StVO 1960 setzt die - beim Bw zweifellos bestanden habende - Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung voraus, verlangt jedoch in der hier relevanten Alternative der Z1 den Verdacht, dass der Beanstandete ein Fahrzeug gelenkt hat - wenn er beim Lenken nicht unmittelbar beobachtet wurde. Auf den gegenständlichen Fall bezogen ist aber zweifelsohne niemand beim Lenken beobachtet worden, der Bw hat dies unwiderlegbar verneint und die Zeugin S seine Aussage unwiderlegbar bestätigt.

Der Verdacht des § 5 Abs.2 Z1 StVO 1960 bezieht sich dem Gesetzeswortlaut nach aber nur auf das Lenken, nicht hingegen auf eine Inbetriebnahme. Daraus folgt, dass beim bloßen Verdacht einer Inbetriebnahme selbst bei mitgeführtem Atemalkoholmessgerät und bestehender Vermutung der Alkoholbeeinträchtigung eine Aufforderung zum Alkotest unzulässig ist.

Im gegenständlichen Fall stellte sich die Situation für den Meldungsleger zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest bereits insofern klar dar, als er selbst niemanden wahrnahm, der den PKW augenscheinlich in Betrieb genommen haben könnte und der Bw nur von einem zukünftigen (nämlich nach Beendigung des Pommes Frittes-Essens beabsichtigten) Lenken sprach, nicht aber von der Vergangenheit. Der laut Meldungsleger auf diese Äußerung des Bw gestützte Verdacht eines vorangegangenen Lenkens oder einer vorangegangenen Inbetriebnahme ist daher unschlüssig und nicht nachzuvollziehen.

Vielmehr war daher bereits die an den Bw seitens eines besonders geschulten und behördlich dazu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht ergangene Aufforderung, sich einer Atemluftprobe zu unterziehen, im Grunde des § 5 Abs.2 Z1 StVO 1960 unzulässig und die zweifellos seitens des Bw erfolgte Verweigerung, sich dem Atemtest zu unterziehen, stellt somit keinen Verwaltungsstraftatbestand dar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei Verfahrenskostenbeiträge nicht vorzuschreiben waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. K i s c h

Beschlagwortung:

§ 5 Abs.2 2. Satz Z1 StVO spricht nur vom Verdacht, in vermutlich alkoholbeeinträchtigem Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben; im gegenständlichen Fall lag nur Inbetriebnahme vor, daher Verweigerung ohne Straftatbestand -> Einstellung des Verfahrens.

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