Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106870/15/BI/La

Linz, 11.09.2000

VwSen-106870/15/BI/La Linz, am 11. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitz: Mag. Kisch, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitz: Dr. Weiß) über die Berufung des K S, gegen Punkt 2) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 11.2.2000, Zl. VerkR96-8523-1999, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, auf Grund des Ergebnisses der am 24. August 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, Punkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses behoben und das Verfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 1. Alt. und 66 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit Punkt 2) des oben genannten Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.2 iVm 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 16.000 S (16 Tage EFS) verhängt, weil er sich am 27. Juni 1999 um 11.42 Uhr auf dem Gendarmerieposten B nach der Lenkung des Kombi, Kennz. , auf der N Landesstraße, StrKm 4.885, trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht dadurch, dass er nach zwei nicht verwertbaren Blasversuchen eine weitere Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit einem anderen Alkomatgerät nicht mehr durchführen habe wollen, geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden habe können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von 1.600 S auferlegt.

2. Der Rechtsmittelwerber (Bw) hat gegen beide Punkte des Straferkenntnisses fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde.

Hinsichtlich Punkt 1) hat der Bw die Berufung am Beginn der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2000 zurückgezogen.

Da im Punkt 2) des Straferkenntnisses eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden. Am 24. August 2000 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, des Vertreters der Erstinstanz Herrn B sowie des Zeugen RI P durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde im Anschluss daran mündlich verkündet.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, seiner Auffassung nach liege im konkreten Fall eine Verweigerung des Alkotestes nicht vor. In der mündlichen Verhandlung hat er sein Berufungsvorbringen insofern ergänzt, als ihm zunächst eine bestehende Alkoholisierung und erst später zur Last gelegt wurde, den Alkotest verweigert zu haben. Es sei daher Verjährung eingetreten.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der beide Parteien gehört wurden und der die Amtshandlung vorgenommen habende Gendarmeriebeamte zeugenschaftlich einvernommen wurde sowie weitere Ermittlungen im Hinblick auf die Funktionstüchtigkeit des verwendeten Atemluftuntersuchungsgerätes.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am 27. Juni 1999 gegen 5.00 Uhr seinen PKW auf der N Landesstraße im Gemeindegebiet A Richtung N, wobei es mit dem in der Gegenrichtung fahrenden PKW des R L bei km 4,885 zu einer Streifung kam, infolge der beide Fahrzeuge in die angrenzenden Felder geschleudert wurden. Beide Lenker verließen die Unfallstelle, ohne sich mit dem jeweiligen Unfallgegener in Verbindung zu setzen. Der Bw ließ sich von einem in der Nähe wohnenden Bekannten nach Hause bringen, wo er - wegen der unrichtigen Telefonnummer erfolglos - versuchte, die Gendarmerie zu benachrichtigen.

Um 9.15 Uhr bemerkten RI P und der Ml RI S bei einer Patrouillenfahrt die beiden in den Feldern stehenden PKW und forschten die Zulassungsbesitzer aus. Der Bw wurde von RI P zu Hause angerufen und bestätigte, am Verkehrsunfall beteiligt gewesen zu sein. Er wurde vom Zeugen zur Unfallstelle bestellt, wo er als Lenker eines Firmenfahrzeuges eintraf. Nach Erörterung des Unfallherganges - der Unfallgegner gab zu, auf die linke Fahrbahnseite geraten zu sein, wobei er Sekundenschlaf nicht ausschloss - wurde der Bw zum GP B bestellt, wo eine Niederschrift aufgenommen wurde. Im Zuge der Einvernahme gab er an, gegen 1.00 Uhr das Bierzelt in A besucht und dort bis 5.00 Uhr drei Seidel Radler (Bier mit Almdudler) getrunken zu haben. Er gab weiters an, nach dem Unfall zu Hause ein Stamperl Obstler getrunken zu haben.

Laut Alkoholerhebungsbogen hat der Bw an Alkoholisierungssymptomen lediglich eine leichte Bindehautrötung aufgewiesen, jedoch keinen Alkoholgeruch, sicheren Gang, deutliche Sprache und beherrschtes Benehmen. Er wurde von RI P zum Alkotest aufgefordert und stimmte mit der Bemerkung zu, er glaube, beim Lenken nicht alkoholisiert gewesen zu sein.

Aus den der Anzeige angeschlossenen Messstreifen lässt sich ersehen, dass der Bw jeweils um 11.38 und 11.42 Uhr des 27. Juni 1999 Blasversuche mit dem Gerät "Dräger Alcotest 7110A, Seriennr. ARMC-0175, Probennummern 28 und 29, KalibrierNr 00006", durchgeführt hat, wobei sich bei einem Blasvolumen von 2,7 l in 4,3 sek ein Messwert von 0,62 mg/l AAG (1. Messung) und bei einem Blasvolumen von 2,6 l in 4,1 sek ein Messwert von 0,64 mg/l AAG (2. Messung) ergab. In beiden Fällen wurde jeweils nach dem genannten Blasversuch ein Messstreifen mit dem Vermerk ausgedruckt: "relevanter Messwert - Probe nicht verwertbar - Messung(en) nicht verwertbar".

Laut Anzeige habe das Atemalkoholmessgerät nach der 1. Messung, aber noch vor Durchführung eines 2. Messversuchs, den Messstreifen selbständig ausgedruckt, "weshalb auf beiden Messstreifen der Vermerk "Probe nicht verwertbar" bzw. "Messung nicht verwertbar" vorzufinden sei". Weitere Versuche, auch mit einem anderen Messgerät einer anderen Dienststelle, habe der Bw mit der Begründung abgelehnt, er habe dem Gesetz Genüge getan und zwei gültige Versuche durchgeführt.

Aus dem vorgelegten Verfahrensakt ist außerdem ersichtlich, dass auch mit dem Unfallgegner Lechner Atemluftmessungen mit demselben Gerät "Dräger Alcotest 7110A, SerienNr. ARMC-0175, ProbenNr 23 - 27", demnach fünf Blasversuche zwischen 10.45 und 10.58 Uhr dh etwa eine Stunde vor denen des Bw, durchgeführt wurden. Die im Akt in Kopie ersichtlichen Messstreifen wurden allesamt bereits nach der ersten Messung ausgedruckt, wobei auf allen der Vermerk "relevanter Messwert - Probe nicht verwertbar - Messung(en) nicht verwertbar" zu finden ist.

R L wurde beim Unfall verletzt. Die Strafanzeige gegen den Bw wegen §§ 88 Abs.2-4 StGB wurde von der Staatsanwaltschaft Steyr gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Bw im Einklang mit seinem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren ausgesagt, er habe zwei Blasversuche so, wie ihm vom Zeugen aufgetragen wurde, durchgeführt, wobei er schon vorher von RI S gesprächsweise gehört habe, das Alkotestgerät "spinne". Er sei beim Alkotest mit RI P allein gewesen und dieser habe ihm nach Einsichtnahme in die beiden Messstreifen nicht erklärt, warum die Werte nicht verwertbar sein sollten. Er habe vielmehr gesagt, die Werte stimmten so. Er selbst sei über die hohen Werte überrascht gewesen, weil er ja zuvor das Firmenfahrzeug zur Unfallstelle und zum GP gelenkt und nichts von einer Alkoholisierung bemerkt habe. RI P habe ihn gefragt, ob er den Führerschein beruflich benötige, und als er bejahte, habe er zu ihm gesagt, er solle nicht mehr heimfahren, ihm aber den Führerschein nicht abgenommen, obwohl er ihn mit Sicherheit mitgehabt habe. Er habe auch später mit dem Unfallgegner gesprochen und habe erfahren, dass dieser von seiner Wohnsitz-Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land wegen Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand bestraft worden sei; allerdings habe er kein Rechtsmittel dagegen eingebracht.

RI P hat in der Verhandlung zeugenschaftlich vernommen dargelegt, er habe nicht selbst die Anzeige geschrieben, sondern nur die Einvernahme und die Atemluftuntersuchung mit dem Bw durchgeführt und das Protokoll aufgenommen. Die Anzeige habe RI S geschrieben. Er könne sich nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Er glaube, dass beim Alkotest das stationär beim GP B befindliche Gerät verwendet wurde; es gebe auch ein mobiles Gerät, das aber selten verwendet werde. Seiner Erinnerung nach habe ihm RI S nach dem Alkotest mit dem Unfallgegner gesagt, dass das Gerät nach dem ersten Messversuch sofort den Messstreifen auswerfe. Er habe daraufhin das Gerät selbst ausprobiert und es dürfte funktioniert haben. Der Zeuge konnte sich auf Grund der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr erinnern, ob er den Bw nach den beiden Blasversuchen aufgefordert habe, nach S mitzufahren und mit dem dortigen Gerät einen weiteren Alkotest zu machen. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, mit dem mobilen Gerät einen Test zu machen, wenn dieses zur Verfügung gestanden wäre. Er konnte nicht mehr sagen, ob er tatsächlich den niedrigeren Messwert der beiden Messungen als Grundlage für die Anzeige einer Alkoholisierung herangezogen habe oder den Bw zu einem neuerlichen Test aufgefordert habe.

Mit Sicherheit habe er aber den Bw nicht gefragt, ob er den Führerschein beruflich brauche. Wenn ein Grund für die Führerscheinabnahme vorgelegen hätte, wäre diese durchgeführt worden. Laut Anzeige, zu deren Formulierungen durch RI S er nichts sagen konnte, wurde der Führerschein nicht abgenommen, weil ihn der Bw nicht mitgeführt habe. Warum deswegen keine Anzeige erfolgt sei, konnte der Zeuge ebenfalls nicht sagen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat zum einen die Eichung des verwendeten Gerätes nachgeprüft, wobei vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen die Eichung am 19. März 1999 (Nacheichfrist bis 31. Dezember 2001) bestätigt wurde.

Aus den vom Bundesministerium für Inneres übermittelten Serviceberichten geht hervor, dass das verwendete Gerät ARMC-0175 (Hersteller: Dräger) zuletzt vor dem Vorfallstag am 23. März 1999 überprüft wurde. Obwohl die nächste Überprüfung für 22.9.1999 vorgesehen war, wurde das Gerät bereits am 21.7.1999 erneut vom Hersteller einem Service unterzogen, wobei die Neujustierung des EC-Sensors und des IR-Sensors bestätigt wurden.

Der technische Amtssachverständige Ing. A hat in seinem Gutachten vom 23. Mai 2000, BauME-010191/650-2000-Ang/Pr, ausgeführt, der Umfang der am 23.3.1999 von der Fa. Dräger durchgeführten Justierung des EC- und des IR-Sensors ergebe sich aus dem Prüfprotokoll nicht, sodass beim Hersteller nachgefragt worden sei. Auch Aussagen über die Kalibriermessung lägen nicht vor. Laut Auskunft des Herstellers habe der elektrochemische Sensor (dieser gewährleistet die Absicherung des Messergebnisses vor Einfluss durch Fremdsubstanzen) bei der Wartung am 21. Juli 1999 eine zu große Abweichung aufgewiesen und auf Grund der Messdifferenz zwischen EC-Sensor und IR-Sensor Messfehler angezeigt. Am Gerätedisplay bzw dem Ausdruck wird der Wert des IR-Sensors angezeigt, die Abweichung konnte aber wegen des fehlenden Kalibrierungsprotokolls nicht nachvollzogen werden. Zusammenfassend konnte daher im Rahmen der Verwendungsbestimmungen und der eichamtlichen Zulassung nicht von einem abgesicherten Messergebnis ausgegangen werden.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen ... zu lassen.

Gemäß § 5 Abs.2 2. Satz Z1 StVO 1960 sind besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Die erkennende Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates gelangt im Rahmen der Beweiswürdigung zu der Auffassung, dass die Aussage des Bw, der Zeuge habe zu ihm gesagt, die in den Messprotokollen aufscheinenden Atemalkoholwerte seien sehr wohl heranzuziehen, und habe ihn nicht mehr zur Durchführung neuerlicher Blasversuche, insbesondere mit einem anderen Messgerät an einem anderen Messort, aufgefordert, zum einen nicht widerlegbar ist und zum anderen aus der nicht vom Zeugen vorgenommenen Formulierung der Anzeige denkmöglich ist. Dort ist in erster Linie von einer Alkoholisierung die Rede; erst am Ende der Anzeige ist eine Weigerung des Bw, neuerliche Blasversuche vorzunehmen, angeführt. Dem entsprechend hat zunächst auch die Erstinstanz eine Verfolgungshandlung iSd § 5 Abs.1 StVO gesetzt und später, jedoch fristgerecht iSd § 31 Abs.1 VStG, dem Bw eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung vorgeworfen.

Kein Zweifel besteht dahingehend, dass bei der mit dem Bw durchgeführten Atemluftprobe ein offenbar nicht ordnungsgemäß funktionierendes Gerät verwendet wurde, sodass die dabei erzielten Messergebnisse nicht verwertbar sind.

Die das wegen der verstrichenen Zeit nachvollziehbar fehlende Erinnerungsvermögen wiederspiegelnde Aussage des Zeugen RI P, die nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG als wesentliches Beweismittel zugrunde zu legen war, ist nicht geeignet, die letztlich glaubwürdige Verantwortung des Bw zu widerlegen.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 1. Alt. VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Auf Grund der oben zusammengefassten Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß ein Verfahrenskostenersatz nicht anfällt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Kisch

Beschlagwortung:

Verantwortung des Bw wegen mangelndem Erinnerungsvermögen des Gendarmeriebeamten (Unmittelbarkeitsgrundsatz) nicht widerlegbar à in dubio pro reo.