Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105442/6/BI/FB

Linz, 04.06.1998

VwSen-105442/6/BI/FB Linz, am 4. Juni 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn M S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, vom 16. April 1998 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 31. März 1998, VerkR96-7982-1996, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 29. Mai 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1, 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative und 66 VStG, §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 1.200 S verhängt, weil er es als vom Zulassungsbesitzer des PKW namhaft gemachte Person trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 14. November 1996, zugestellt am 21. November 1996, unterlassen habe, der Behörde binnen zwei Wochen Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Fahrzeug am 8. September 1996 um 11.24 Uhr auf der A8, km 68,010, gelenkt habe oder wer diese Auskunft erteilen könne, weil er lediglich am 25. November 1996 bekanntgegeben habe, daß das Fahrzeug bei dieser Fahrt von mehreren Personen gesteuert worden sei. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 120 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 29. Mai 1998 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters durchgeführt. 3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, schon die Auskunft der Zulassungsbesitzerin sei insofern mangelhaft, als zwar sein Name und sein Geburtsdatum, nicht aber das vorgesehene Formular hinsichtlich Geburtsort, Beruf und genaue Wohnadresse ausgefüllt worden sei. Die Beantwortung der Lenkerauskunft sei somit nicht ausreichend iSd § 103 Abs.2 KFG gewesen. Der Spruch des Straferkenntnisses sei insofern mangelhaft, als kein konkreter Tatort angeführt sei, und außerdem ergebe sich nirgends, daß ihm tatsächlich die Lenkererhebung am 21. November 1996 zugestellt worden sei. Die Schriftzeichen neben seiner Unterschrift seien in dieser Hinsicht nicht zu deuten. Er habe fristgerecht auf die Lenkeranfrage so reagiert, daß er angeführt habe, daß der PKW im Rahmen einer Urlaubsfahrt an diesem Tag von mehreren Personen gesteuert worden sei, sodaß der Fahrer zum Zeitpunkt der Übertretung nicht feststellbar sei. Eine objektive Wortinterpretation hätte ergeben, daß er damit angeben wollte, daß er selbst als tatsächlicher Fahrzeuglenker zum angeblichen Tatzeitpunkt am angeblichen Tatort anzusehen sei, da er eben keine konkreten Angaben betreffend eine andere Person machen habe können. Zum Beweis dafür beantrage er die Einvernahme des seinerzeitigen Mitfahrers G M in S. Der Rechtsmittelwerber weist außerdem darauf hin, daß es gemäß dem ordre public in Deutschland keine Auskunftspflicht zu Lasten von Verwandten oder Bekannten in Strafsachen gebe, weshalb er erst Rücksprache mit einem österreichischen Anwalt im konkreten Fall gehalten habe. Gleiche oder ähnlich gelagerte Gesetzesbestimmungen seien der Rechtsordnung in Deutschland fremd und wären überdies verfassungswidrig, sodaß er einem Verbotsirrtum bzw Rechtsirrtum iSd § 9 StGB unterlegen sei, da er nicht erkannt habe, daß seine Tat Unrecht sei. Im übrigen gebe es hinsichtlich der Strafhöhe eine Reihe von Milderungsgründen, die nicht berücksichtigt worden seien. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der rechtsfreundliche Vertreter des Rechtsmittelwerbers gehört wurde. Folgender Sachverhalt ist wesentlich:

Laut Anzeige wurde am 8. September 1996 um 11.24 Uhr der deutsche Kombi auf der Innkreisautobahn A8 bei km 68,010, Gemeinde A in Richtung S fahrend mit einer Geschwindigkeit von 169 km/h gemessen, obwohl dort die auf österreichischen Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gilt. Nach Vornahme der in den Verwendungsbestimmungen für Radargeräte der Marke Multanova VR 6 FM vorgesehenen Toleranzabzüge wurde eine Geschwindigkeit von 161 km/h der Anzeige zugrundegelegt. Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg nannte als Halter des genannten Kombi die L GmbH.. Diese gab mit Schreiben vom 6. November 1996 gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 bekannt, daß die geforderte Auskunft von Herrn M S, wohnhaft in Fl, gegeben werden könne. Mit Schreiben vom 4. November 1996 erging seitens der Erstinstanz eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967, wobei der Rechtsmittelwerber nach Mitteilung, daß gegen den damaligen Lenker eine Anzeige wegen Übertretung der Verkehrsvorschriften vorliege, als vom Zulassungsbesitzer dieses Fahrzeuges namhaft gemachte Person aufgefordert wurde, der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens bekanntzugeben, wer das Kraftfahrzeug am 8. September 1996 um 11.24 Uhr in A auf der A8 bei km 68,010 in Richtung Suben gelenkt habe oder wer diese Auskunft erteilen könne. Das Schreiben enthielt außerdem den genauen Wortlaut der Bestimmung des § 103 Abs.2 und außerdem den Hinweis, daß eine ungenaue oder unvollständige Auskunft bzw das Verweigern der Auskunft als Nichterteilung gelte und daß, wer der Vorschrift des § 103 Abs.2 KFG 1967 zuwiderhandle, eine Verwaltungsübertretung begehe, die mit Geldstrafe bis zu 30.000 S im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen sei. Das Schreiben enthielt den ausdrücklichen Hinweis, daß die Strafbarkeit auch für ausländische Zulassungsbesitzer bzw Fahrzeughalter gegeben sei. Laut Rückschein wurde dem Rechtsmittelwerber das Schreiben persönlich zugestellt, wobei der Poststempel das Datum 21. November 1996 aufweist, wobei die Schriftzeichen neben der Unterschrift offenbar vom Zusteller stammen und eine Deutung im Hinblick auf das Datum 21.11. nicht denkunmöglich ist. Der Rechtsmittelwerber hat mit Schreiben vom 25. November 1996 auf die Lenkeranfrage reagiert und im Formular angeführt, das Firmenfahrzeug sei an diesem Tag zu einer Urlaubsfahrt benützt worden und da bei dieser Fahrt der PKW von mehreren Personen gesteuert worden sei, sei der Fahrer zum genannten Zeitpunkt der Übertretung nicht festzustellen. Außerdem ersuche er um Angabe der Verkehrsübertretung. Daraufhin erging die Strafverfügung vom 17. Februar 1997, in der dem Rechtsmittelwerber vorgeworfen wurde, als vom Zulassungsbesitzer des PKW namhaft gemachte Person trotz schriftlicher Aufforderung nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt zu haben, wer dieses Fahrzeug .... gelenkt habe oder wer diese Auskunft erteilen könne. Auch das nunmehr angefochtene Straferkenntnis enthält einen Schuldspruch gleichen Wortlautes. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer... zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben der Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltunggerichtshofes ist Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (vgl Erk v 31. Jänner 1996, 93/03/0156 ua). Daraus folgt, daß derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Verwaltungsübertretung begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er seinen Wohnsitz im Ausland hat. Im übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991 Nr.23 der Spruchbeilage).

Der Inlandsbezug ist insofern gegeben, als das auf die Lembert GmbH, dessen Auskunftsperson der Rechtsmittelwerber ist, zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem KFZ begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl VwGH v 11. Mai 1993, 90/08/0095 ua).

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, daß der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294 ua).

Richtig ist, daß die Auskunft der Zulassungsbesitzerin gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 lediglich den Namen, das Geburtsdatum und den Wohnort des Rechtsmittelwerbers als Person, die Auskunft iSd genannten Bestimmung erteilen könne, angeführt wurde, obwohl unter dem Begriff "Anschrift" idR auch die genaue Bezeichnung einer Straße samt Hausnummer zu verstehen ist. Allerdings wurde das von der Erstinstanz daraufhin an den Rechtsmittelwerber unter bloßer Anführung des Wohnortes gerichtete Auskunftsersuchen ihm tatsächlich zugestellt, ohne daß es einer Straßen- und Nummernbezeichnung bedurfte. Da der Rechtsmittelwerber fristgerecht auf das Auskunftsverlangen der Erstinstanz reagierte, kann davon ausgegangen werden, daß es ihm auch zugegangen ist, wobei nicht nur der handschriftliche Vermerk des Zustellers, sondern auch der Poststempel auf 21. November (1996) lauten. Nach dem Wortlaut der oben zitierten Bestimmung des § 193 Abs.2 KFG 1967 ist davon auszugehen, daß, wenn der Zulassungsbesitzer die Frage nach dem tatsächlichen Lenker zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht beantworten kann, er die Person zu benennen hat, die die (von der anfragenden Behörde gewünschte) Auskunft erteilen kann. Die Benennung einer Auskunftsperson hat zur Folge, daß "diese Person die Auskunftspflicht trifft", dh die Auskunftsperson kann nun nicht mehr ihrerseits eine weitere Person benennen, die wiederum eine Auskunftsperson benennt, sondern hier endet die "Kette" damit, daß die vom Zulassungsbesitzer benannte Auskunftsperson den tatsächlichen Lenker zum angefragten Zeitpunkt zu nennen hat. Diese Verpflichtung kann daher auch soweit gehen, daß die Auskunftsperson ihrerseits Ermittlungen anzustellen hat, um der Behörde den tatsächlichen Lenker bekanntgeben zu können. Daraus folgt, daß im gegenständlichen Fall der Rechtsmittelwerber nicht wieder mehrere (?) namenlose Personen anführen hätte dürfen, sondern konkret den von ihm ermittelten Lenker des Kombi KS-AU851 am 8. September 1996 um 11.24 Uhr zu nennen gehabt hätte.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten, wobei diese in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen ist, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, und der Spruch muß geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich vor einer möglichen Doppelbestrafung zu schützen. Der Schuldvorwurf im gegenständlichen Fall bezog sich darauf, keine Auskunft darüber erteilt zu haben, "wer den PKW gelenkt" hat oder "wer die Auskunft erteilen kann". Abgesehen davon, daß ein Auskunftsverlangen vom Rechtsmittelwerber als Auskunftsperson der Zulassungsbesitzerin dahingehend, wer die Auskunft erteilen könne, unzulässig war - nach der Rechtsprechung des VwGH war der Rechtsmittelwerber deshalb nur verpflichtet, den rechtlich zulässigen Teil des Auskunftsbegehrens zu beantworten (vgl Erk v 14. Dezember 1990, 90/18/0162) - enthielt der Tatvorwurf daher zwei Alternativvorwürfe. Auf der Grundlage der Bestimmungen des § 44a Z1 VStG war somit nicht von einem konkret und eindeutig umschriebenen Tatvorwurf auszugehen und auch eine Spruchänderung ist nach Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht mehr zulässig - es kann nicht die Aufgabe des unabhängigen Verwaltungssenates sein, sich den rechtlich zulässigen Tatvorwurf auszusuchen - , sodaß auf der Grundlage des § 45 Abs.1 Z1 2. Alternative VStG, ohne auf das weitere Berufungsvorbringen einzugehen, spruchgemäß zu entscheiden war. Auch Verfahrenskostenbeiträge fallen naturgemäß nicht an. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Tatvorwurf keine Auskunft iSd § 103 Abs.2 KFG erteilt zu haben, wer den PKW gelenkt hat oder wer Auskunft erteilen kann, ist nicht eindeutig umschrieben -> § 45 Abs.1 Z1 2. Alternative VstG; außerdem ist bei einer vom Zulassungsbesitzer genannten Auskunftsperson unzulässig, wieder nach einer Person zu fragen, die die Auskunft erteilen kann, weil diese Person "die Auskunftspflicht trifft", dh sie den tatsächlichen Lenker zu benennen hat (Wortlaut § 103 Abs.2 KFG).

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