Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105493/11/Fra/Ka

Linz, 12.08.1998

VwSen-105493/11/Fra/Ka Linz, am 12. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn U, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 6.4.1998, GZ: S-22.583/97-4, wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Für den Berufungswerber entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG. zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 1.500 S (EFS 48 Stunden) verhängt, weil er am 14.5.1997 um 19.49 Uhr auf der Wolfener - Landesstraße, im Bereich Losensteinleiten, aus Richtung Linz kommend, in Richtung Steyr, unmittelbar nach der Kreuzung mit der Weinstraße bei Strkm.17.920 mit dem LKW, Kz.: ein Fahrzeug überholt hat, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben. I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlaßt und legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet. Gemäß § 51e Abs.2 VStG war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, weil dies der Bw verlangt hat. Diese wurde am 3.6.1998 unter Abhaltung eines Lokalaugenscheines durchgeführt. I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

I.3.1. Der Bw erblickt eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens insoferne, als diese den im Spruch zugrundeliegenden Sachverhalt durch die Aussage dreier glaubwürdiger Zeugen sowie durch das behördlich durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei als erwiesen feststellt. Der Bw weist auf seinen Antrag vom 11.11.1997 hin, wonach er die zeugenschaftliche Einvernahme des P sowie die Beiziehung eines Amtssachverständigen aus dem Kraftfahrwesen und des Tachographenblattes des von ihm gelenkten LKW´s sowie die Durchführung eines Ortsaugenscheines beantragt hat. Wenn die belangte Behörde davon spreche, daß eine Vernehmung des P nicht möglich gewesen sei, da dieser der Ladung für den 10.2.1998 keine Folge geleistet habe, so sei dies unzutreffend und die Abstandnahme von dieser Beweisaufnahme unzulässig. Es sei auch die Vernehmung des Zeugen E mangelhaft geblieben. Bei dieser Vernehmung sei überhaupt nicht auf seine Verantwortung, wie in der Rechtfertigung ausführlich dargetan, eingegangen worden. Die belangte Behörde habe es insbesondere unterlassen, die Zeugen auf das von ihm behauptete eigene fehlerhafte und vorschriftswidrige Fahrverhalten zu befragen, was aber nach Meinung des Bw wesentlich gewesen wäre, zumal gerade dieses vorschriftswidrige Fahrverhalten des Anzeigers das von ihm gewählte Fahrmanöver verursachte und erforderte. Der Bw behauptet auch materielle Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Sachverhaltsfeststellung. Der Bw meint, daß bei richtiger Würdigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens die belangte Behörde zur Ansicht hätte gelangen müssen, daß ihm keine Verwaltungsübertretung angelastet werden könne und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen wäre. Er verweist in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich auf seine bisherige Verantwortung in der Rechtfertigung vom 11.11.1997 und vom 24.3.1998. Der Bw bemängelt die erstbehördliche Beweiswürdigung insoferne, als diese die Glaubwürdigkeit der Zeugen deshalb begründe, daß alle Zeugen ein Bremsmanöver des Erwin E schilderten, ausgelöst durch das Nachrechtsverlenken des von ihm gelenkten Fahrzeuges. Er räumt ein, daß es ein derartiges Bremsmanöver gegeben hat, jedoch wäre die Strafbehörde verhalten gewesen, den Grund dieses Bremsmanövers zu eruieren und auch auf seine diesbezügliche Verantwortung einzugehen, nämlich, daß der Zeuge E ihm es aufgrund seines Fahrverhaltens nicht mehr ermöglichte, das Fahrzeug auf die rechte Fahrbahnhälfte zurückzulenken. Ursache des Bremsmanövers des E sei sohin sein eigenes Fahrverhalten gewesen und nicht das von ihm. In rechtlicher Hinsicht begründe die Erstbehörde das Straferkenntnis damit, daß gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen darf, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten, oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist. Das Überholen sei schon dann zu unterlassen, wenn die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers gegeben sei. Diesen Vorwurf mache ihm die Erstbehörde, ohne jedoch zu erheben, ob andere Straßenbenützer dadurch gefährdet worden seien. Das Bremsmanöver des Zeugen E sei diesbezüglich auszuklammern, da dieses auf sein eigenes Fahrverhalten zurückzuführen sei. Die Strafbehörde hätte überprüfen müssen, ob aufgrund des Zeitpunktes des Beginnes des Überholmanövers, des Fahrverhaltens des Zeugen E, eine Erfüllung des Tatbestandes des § 16 Abs.1 lit.a leg.cit. gegeben ist, wobei diese jedoch zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, daß keine tatbestandsmäßige Fahrweise vorliegt. Er habe weder entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet oder behindert, noch war zum Zeitpunkt der Einleitung des Überholmanövers nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen. Tatsache sei, daß er sofort, nachdem er die Möglichkeit erkannt hatte, daß allenfalls ein gefahrloses Überholen nicht mehr möglich gewesen wäre, seinen Überholvorgang abbrechen wollte, dies ihm jedoch durch den Zeugen E verwehrt wurde. Der Bw stellt abschließend den Antrag, nach Durchführung einer Berufungsverhandlung seinem Rechtsmittel stattzugeben und nach allfälliger Beweiswiederholung und/oder -ergänzung das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. I.3.2. Die belangte Behörde stützt den dem Beschuldigten zur Last gelegten Tatbestand auf die Aussagen von drei Zeugen, nämlich von Herrn E, auf die Aussage von E, der Tochter des oa Zeugen sowie auf die Aussage von Frau E, der Gattin des oa Zeugen. Der Zeuge E gab an, daß er zur Tatzeit am Tatort exakt 70 km/h fuhr, als er von dem vom Beschuldigten gelenkten LKW überholt wurde. Als sich dieser LKW auf gleicher Höhe mit seinem PKW befand, sei dieser LKW aufgrund eines sich aus der Gegenrichtung nähernden LKW´s nach rechts gelenkt worden, weshalb er abrupt seinen PKW abbremsen mußte, um einen seitlichen Zusammenstoß zu verhindern. Hätte er seine Fahrgeschwindigkeit beibehalten, wäre er durch den LKW eingeklemmt worden. Die belangte Behörde gibt im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht konkret wieder, worin sie die Gefährdung oder Behinderung (bzw die Möglichkeit hiezu) anderer Straßenbenützer durch den dem Beschuldigten zur Last gelegten Tatbestand sieht. Doch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses kann erschlossen werden, daß sie davon ausging, daß durch das Fahrmanöver des Beschuldigten der Zeuge E sowie die in seinem PKW mitfahrende Gattin und Tochter gefährdet bzw behindert werden konnten. Dieser Schluß drängt sich auch deshalb auf, weil es, wenn die Erstbehörde davon ausgegangen wäre, daß der Gegenverkehr behindert oder gefährdet wurde oder hätte werden können, es zur Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z1 VStG auch der Anführung des Gegenverkehrs bedurft hätte (vgl. VwGH 20.11.1985, 84/03/0274). Dies ist jedoch nicht erfolgt. Zu prüfen ist daher, ob die im Fahrzeug des Zeugen E befindlichen Personen durch den Überholvorgang des Beschuldigten gefährdet oder behindert wurden oder hätten werden können. Die Erstbehörde hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß zur Herstellung des Tatbestandes bereits eine abstrakte Gefährdung genügt.

Wenn der Zeuge E - wie die Strafbehörde aufgrund dessen Angaben angenommen hat - seinen PKW mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h gelenkt hat, so muß der Beschuldigte seinen LKW mit einer wesentlich höheren Geschwindigkeit gelenkt haben. Das dies nicht der Fall war, hat das Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat ergeben. Der im vom Beschuldigten-LKW mitfahrende Zeuge Peter Brandl gab bei der Berufungsverhandlung ua. an, daß beim ggst. LKW zur Tatzeit offenbar ein Getriebeschaden vorlag und der Beschuldigte sich daher kaum zu schalten traute, weil nicht gewiß war, ob überhaupt noch ein Gang hineinzubringen ist. Der Getriebeschaden könne auch bewiesen werden. Seines Erachtens sei das überholte Fahrzeug höchstens 40 km/h und der überholende Beschuldigte ca. 60 bis 65 km/h gefahren. Der O.ö. Verwaltungssenat ließ auch von einem Amtssachverständigen das Schaublatt des Fahrtschreibers auswerten. Diese Auswertung ergab, daß zur Tatzeit (14.5.1997 um 19.49 Uhr) das Schaublatt nicht mehr im Kontrollgerät eingelegt war. Es besteht jedoch die Möglichkeit, daß die Uhr des Kontrollgerätes vom Lenker nicht richtig eingestellt wurde und daher der Geschwindigkeitsschreiber die Fahrgeschwindigkeit zeitversetzt registrierte. Diese Feststellung deckt sich auch mit der Aussage des Zeugen B, wonach die Fahrt um ca. 19.45 Uhr beendet wurde. Selbst unter der Annahme, daß die Uhr des Kontrollgerätes nicht richtig eingestellt gewesen war, ist das weitere Auswertungsergebnis wie folgt entscheidungswesentlich:

Die Aufzeichnungen auf der vorliegenden Tachographenscheibe beginnen am 14.5.1997 um ca. 19.00 Uhr und enden um 19.38 Uhr. Die in dieser Zeitspanne gefahrene Höchstgeschwindigkeit beträgt 72 km/h um ca. 19.35 Uhr. Anschließend fällt der Geschwindigkeitsaufschrieb auf die Grundlinie ab. Um 19.38 Uhr wurde das Kontrollgerät geöffnet und die Tachographenscheibe entnommen. Die Auswertung erfolgte unter Zuhilfenahme einer Diagramm-Auswertescheibe und mittels Vergrößerung der Scheibe. Unregelmäßigkeiten, welche auf einen technischen Defekt bzw eine Manipulation schließen lassen, konnten nicht festgestellt werden.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen festgestellt werden kann, daß der Beschuldigte den ggst. LKW zur Tatzeit (noch) gelenkt hat. Selbst unter der Annahme, daß dies der Fall gewesen wäre, wurde der vom Beschuldigten gelenkte LKW mit einer Höchstgeschwindigkeit von 72 km/h gelenkt. Damit fallen die von der belangten Behörde als erwiesen festgestellten Sachverhaltselemente in sich zusammen, woraus resultiert, daß der Beschuldigte ausgehend von diesen Sachverhaltsannahmen nicht tatbestandsmäßig handeln konnte, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. zu II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. F r a g n e r

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