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VwSen-105506/9/GU/Pr

Linz, 07.07.1998

VwSen-105506/9/GU/Pr Linz, am 7. Juli 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung der Frau V. V., vertreten durch RA Dr. H. B., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 7. April 1998, Zl.III/S-28.318/97-4, wegen Übertretung der 3. KFG Novelle nach der am 18. Juni 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 1. Sachverhalt VStG eingestellt.

Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 45 Abs.2 AVG, § 65 VStG, Art.III Abs.2 Z2 der 3. KFG Novelle.

Entscheidungsgründe:

Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Rechtsmittelwerberin mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, am 19.8.1997 um 15.10 Uhr in Linz, als Beifahrer(in) des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen, deren Sitzplatz nach kraftfahrgesetzlicher Anordnung mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet war, die Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes nicht erfüllt zu haben, wie bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt worden sei.

Wegen Verletzung des Art.III Abs.1 1. Satz der 3. KFG Novelle wurde ihr in Anwendung des Art.III Abs.5b leg.cit. eine Geldstrafe von 300 S im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 30 S auferlegt.

Die I. Instanz stützt ihr Straferkenntnis auf die Angaben eines Straßenaufsichtsorganes. In ihrer dagegen erhobenen Berufung macht die rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte im wesentlichen geltend, daß der als Zeuge namhaft gemachte Gatte und Lenker des PKW, der diesen gelenkt habe und über den Sachverhalt konkrete Angaben hätte machen können, nicht vernommen worden sei. Der Sachverhalt habe sich nämlich wesentlich anders zugetragen, als von der Behörde aufgrund der bloßen Aussage des Meldungslegers angenommen. Im erstinstanzlichen Verfahren, auf welches in der Berufung verwiesen wurde, hatte die Rechtsmittelwerberin dargetan, daß es wohl richtig sei, daß sie zum Zeitpunkt der Beanstandung durch das Sicherheitswacheorgan der Bundespolizeidirektion Linz im Wagen sitzend nicht angegurtet gewesen sei. Bei ganz geringer Gefahr, wie etwa beim Einparken oder beim langsamen Rückwärtsfahren sei der Nichtgebrauch des Gurtes gerechtfertigt. Dies gelte umsomehr, wenn sich der Wagen zum Zeitpunkt der Beanstandung noch nicht in Bewegung befunden habe, was tatsächlich der Fall gewesen sei. Im Ergebnis begehrt die Rechtsmittelwerberin wegen der Sache nicht bestraft zu werden. Aufgrund der Berufung wurde am 18. Juni 1998 in Gegenwart der Beschuldigten und der rechtsfreundlichen Vertretung die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die Beschuldigte vernommen und ihr Gelegenheit zur Rechtfertigung geboten sowie B. und K. G. als Zeugen vernommen.

Demnach steht lediglich fest, daß sich die Beschuldigte und ihr Gatte, B. V., am 19.8.1997 gegen 15.10 Uhr, in dem auf die Fa. "A." zugelassenen PKW mit dem Kennzeichenunangegurtet befanden. Der Ort der Beanstandung lag in Linz, höchstwahrscheinlich im Nahbereich des zur Verladerampe des Hauptbahnhofes Linz andockenden Straßenbereiches vor dem Bahnhofspostamt Richtung Haupteingang. Diese Unsicherheit bei der näheren Bestimmung des Tatortes hat - wie aufzuzeigen sein wird - maßgeblich mit dem vom UVS in der Hauptsache gefällten Spruch bezug.

Der als Zeuge vernommene Meldungsleger will den, mit dem auffälligen Kennzeichen von der Kärntnerstraße kommenden PKW dann wahrgenommen und sich eingeprägt haben, als er sich in der Nähe des Bahnhofspostamtes dienstversehend befand, wobei er im Vorbeifahren wahrgenommen haben will, daß die Insassen nicht angegurtet waren, um sich dann das auffällige Kennzeichen zu merken, aber den PKW aus den Augen verloren habe und ein zweites Mal, etwa 15 bis 20 Minuten später, als er in der Nähe der Laderampe des Hauptbahnhofes stand, den PKW vom Bahnhofspostamt in Fahrt entgegenkommend angehalten haben um dabei festzustellen, daß der Lenker und seine Beifahrerin nicht angegurtet gewesen seien.

Der Zeuge B. V. hingegen sagte im wesentlichen der Rechtfertigung der Beschuldigten entsprechend aus, daß das Fahrzeug zur fraglichen Zeit nur einmal von der Kärntnerstraße kommend Richtung Bahnhofspostamt bewegt worden sei, der PKW auf den unmittelbar vor dem Bahnhofspostamt befindlichen, von der beschriebenen Fahrtrichtung her, links neben dem Haupteingang gelegenen zweiten oder dritten Stellplatz abgestellt worden sei.

Bei der Vorbeifahrt am Busbahnhof sei an dessen Beginn in der Nähe des Zebrastreifens ein Polizist aufgefallen, der sich dann später, als beide Gatten in das Bahnhofspostamt gegangen waren, um dort eine Erledigung zu treffen um sich anschließend in den PKW zu setzen und noch unangegurtet im Begriffe waren, unter Bewegung des PKW von ca. einen Meter vom Stillstand rückwärts aus dem Stellplatz fahrend, durch ein Klopfen am Seitenfenster der Beschuldigten (Beifahrerin) bemerkbar gemacht habe und beide wegen des Unangegurtetseins beanstandet habe. Sowohl der Meldungsleger als auch der Zeuge B. V., welcher ausdrücklich auf sein Entschlagungsrecht aufmerksam gemacht wurde aber aussagen wollte, wurden vor ihrer Vernehmung eindringlich ermahnt, die Wahrheit anzugeben und sie wurden auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage aufmerksam gemacht. Beiden drohen im Falle einer absichtlich falschen Beweisaussage die gerichtliche Verurteilung, wobei dem Gatten der Beschuldigten das Privileg des § 290 StGB nicht zukommt. Beiden Zeugen drohen in einem solchen Fall daneben auch schwere wirtschaftliche Nachteile, dem Beamten dienstrechtliche Folgen, dem Zeugen die Abschiebung nach Rußland und die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz als Geschäftsführer der Fa. "A." mit dem Sitz in Linz, an dem der Zeuge die dominierenden Geschäftsanteile besitzt.

Der Zeuge fiel in der mündlichen Verhandlung durch eine scharfe Beobachtungsgabe und ein gutes Erinnerungsvermögen auf. Zieht man den weiteren Umstand in Betracht, daß eine zweite Fahrt rund um den Bahnhofsvorplatz zur Parkplatzsuche mit einem 15 bis 20-minütigen Abstand, also nach den örtlichen Verhältnissen als bei weitem zu lange dauernde Zeitspanne betrachtet werden muß, ein sonstiger plausibler Umstand nach der Lage des Falles nicht greifbar ist, so erscheint eine zweite Fahrt weniger wahrscheinlich. Die zeitliche Abfolge läßt die Darstellung der Aussage des Zeugen B. V. mit einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad dahingehend erscheinen, daß insgesamt nur eine Fahrt im Weg von der Kärntnerstraße zum Bahnhofspostamt stattgefunden hat, das Auto vom Zeugen vor dem Bahnhofspostamt in einer Parklücke geparkt wurde, die Gatten im Postamt zu tun hatten und anschließend den PKW bestiegen, um mit diesem den Stellplatz zunächst rückwärtsfahrend verlassen zu wollen.

Nicht unplausibel erschien die Verantwortung der Rechtsmittelwerberin, daß es ihr angesichts der ungeachtet des Verfahrensausganges zu tragenden Anwaltskosten im Verhältnis zu der äußerst geringen Geldstrafe um das Prinzip ging und sie damit zum Ausdruck brachte, daß sie sich nicht leichtfertig einem ungerecht erscheinenden Vorwurf aus pekuniären Gründen beugen wollte.

Der Meldungsleger war, was seinen ersten Beobachtungsort und den Tatort anlangt, in der mündlichen Verhandlung unsicher, obwohl er sich sonst an die Auffälligkeit des PKW und daran erinnern konnte, daß der Zulassungsbesitzer nicht identisch mit dem Lenker war und daß er die Reisepässe der Insassen kontrollierte. Diese Unsicherheit des Tatortes, wobei zumindest feststeht, daß er nicht, wie es zunächst im erstinstanzlichen Verfahren erscheinen mochte, etwa vor dem Hauptgebäude des Hauptbahnhofes gelegen war, sondern allenfalls in der Nähe der Verladerampe Ecke Bahnhofspostamt, rückte die Verantwortung der Beschuldigten in die Nähe des Realistischen. Am ehesten wahrscheinlich ist, daß der Meldungsleger zum auffälligen PKW, der zwischenzeitig am Parkstreifen vor dem Bahnhofspostamt abgestellt war, Vorpaß hielt, und nach Einsteigen der Benützer und Herausfahren aus dem Stellplatz den PKW anhielt, um die Insassen, die noch nicht angegurtet waren, zu beanstanden, wobei der PKW bereits parallel zum Bahnhofspostamt stand oder eventuell im Begriffe war, geradeaus Fahrt aufzunehmen, wobei sich die Gurtenanlegepflicht noch in einer Grauzone befand. Alles in allem verblieben nach durchgeführter mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Tatvorwurfes Zweifel, die einen Schuldspruch nicht vertretbar erscheinen ließen, zumal gemäß Art.III Abs.2 Z2 der 3. KFG Novelle eine Angurtepflicht bei ganz geringer Gefahr, wie etwa beim Einparken oder langsamen Rückwärtsfahren (so auch etwa beim Ausparken) oder bei besonderer Verkehrslage, nicht besteht. Aus all diesen Gründen war mangels Erwiesenseins einer strafbaren Handlung mit der Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens vorzugehen (§ 45 Abs.1 Z1 1. Sachverhalt VStG). Nachdem die Berufung im Ergebnis Erfolg hatte, ist die Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs.1 VStG von der Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Berufungsverfahren befreit.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. Guschlbauer Beschlagwortung: Beweiswürdigung - Beim Ausparken besteht auch für die Beifahrerin keine Gurtenanlegepflicht

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