Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-105642/2/Ki/Shn

Linz, 23.07.1998

VwSen-105642/2/Ki/Shn Linz, am 23. Juli 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Martin W, vom 10. Juli 1998 gegen das Straferkenntnis der BH Rohrbach vom 24. Juni 1998, VerkR96-3549/1997/Win, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Rohrbach hat mit Straferkenntnis vom 24. Juni 1998, VerkR96-3549/1997/Win, über den Berufungswerber (Bw) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil er am 24. November 1997, um 14.30 Uhr, als Lenker des Kombinationskraftwagens mit dem behördlichen Kennzeichen auf der Berggasse in Haslach a.d.M. zwischen den Häusern Nr.38 und 41, in Richtung Ortszentrum fahrend, so weit rechts gefahren ist, daß eine Fußgängerin zum Ausweichen in die angrenzende Wiese genötigt wurde. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 100 S (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 10. Juli 1998 Berufung mit dem Antrag, daß das gegen den Beschuldigten behängende Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werde. Im wesentlichen wird der Tatvorwurf bestritten.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.1 VStG).

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und wie folgt erwogen:

Gemäß § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960 liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht.

Im vorliegenden Fall wurde dem Bw vorgeworfen, daß er "so weit rechts gefahren sei" daß eine Fußgängerin zum Ausweichen in die angrenzende Wiese genötigt wurde. Im Verfahrensakt findet sich eine Niederschrift über die zeugenschaftliche Einvernahme der diesbezüglich betroffenen Person. Als verfahrensrelevant wird hier folgende Passage ihrer Aussage zitiert: "... Zum Vorfall vom 24.11.1997, um14.30 Uhr, möchte ich feststellen, daß ich schon bevor er meine Position erreichte, auf der Wiese ging. Ich machte einen raschen Schritt, als ich sah, daß er direkt auf den Fahrbahnrand zufuhr. Der Beschuldigte hätte mich mit Sicherheit gestreift, wenn ich meine Richtung auf der Fahrbahn beibehalten hätte. Er befand sich meiner Schätzung nach mit dem PKW nämlich nur einige Zentimeter vom Fahrbahnrand entfernt, als er auf meiner Höhe fuhr. Zum Zeitpunkt der Begegnung mit dem Beschuldigten befand sich kein anderes Fahrzeug im Bewegungsbereich, sodaß er etwa ausweichen hätte müssen. ..." Bereits vor Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens hat die betreffende Person im Rahmen einer Einvernahme vor dem Gendarmerieposten Haslach ua erklärt, daß es bereits im November 1996 zu einem Vorfall mit Wakolbinger Martin gekommen sei, wobei er mit seinem Fahrzeug an ihnen, ihrem Bruder Gerald und ihr, in so knappem Abstand vorbei fuhr, daß sie vom rechten Außenspiegel des Fahrzeuges gestreift wurden. Sie seien am rechten Rand des Ortschaftsweges Bergstraße gegangen. Weil sie außer einem Schock unverletzt blieben, sei der Vorfall nicht zur Anzeige gebracht worden. In weiterer Folge habe sich das Zusammentreffen mit Martin Wakolbinger auf der Straße derart gestaltet, daß sie als Fußgänger ihn in der Anfahrt schon erkannt habe, weil er die Geschwindigkeit erhöht habe und mit gefährlicher Geschwindigkeit in geringem Abstand an ihr vorbeigefahren sei. Die Steigerung des Verhaltens sei gewesen, indem er mit hoher Geschwindigkeit auf sie zugefahren sei und sie dadurch von der Fahrbahn in die Wiese treten oder teils springen mußte. So sei es auch gestern (24.11.1994) gegen 14.30 Uhr geschehen, als sie sich auf der Bergstraße auf dem Heimweg von der Schule befunden habe. Zwischen den Häusern Baier und Zauner sei sie in ihrer Richtung auf der linken Fahrbahnseite gegangen. Sie habe dann den VW-Golf des Martin Wakolbinger von ihm gelenkt aus der Gegenrichtung kommen sehen. Das Verhalten bzw das absichtliche Zufahren auf sie sei derart erkennbar gewesen, weil, wenn er seine Fahrtrichtung beibehalten hätte, sie normal weitergehen und er ohne Veränderung weiterfahren hätte können. Er habe aber bewußt und erkennbar auf sie zugelenkt, sodaß sie erst am Fahrbahnrand, und weil dies nicht genügte, zur Gänze von der Fahrbahn auf die Wiese ausweichen mußte.

Die erkennende Berufungsbehörde vertritt die Auffassung, daß die Vorwürfe, welche den Bw treffen, einen Sachverhalt darstellen, welcher ausschließlich durch ein Gericht einer strafrechtlichen Beurteilung zu unterziehen ist. Sollte nämlich der Bw den ihm vorgeworfenen Sachverhalt tatsächlich verwirklicht haben, so wäre sein Verhalten durchaus dahingehend zu beurteilen, daß er die Zeugin zumindest durch gefährliche Drohung zu einer Handlung genötigt hat (§ 105 StGB) bzw er sie gefährlich bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (§ 107 StGB). Selbst dann, wenn dem Bw in diesem Fall kein Vorsatz zu unterstellen ist, wäre auch in Betracht zu ziehen, daß gemäß § 89 StGB die fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen mit strafrechtlichen Konsequenzen verknüpft ist. All diese Tatvorwürfe sind jedoch nicht von einer Verwaltungsbehörde sondern ausschließlich von einem Gericht zu prüfen, weshalb im vorliegenden konkreten Fall die im Straferkenntnis bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklichen dürfte. Eine Aussetzung des Strafverfahrens gemäß § 30 Abs.2 VStG ist im vorliegenden Fall nicht in Betracht zu ziehen. Gemäß § 44a Z1 leg.cit. hat nämlich der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Es ist daher im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Zu Recht weist in diesem Punkt der Bw darauf hin, daß sich weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ein Hinweis darauf findet, wie weit rechts (abstandsmäßig) der Beschuldigte gefahren sein soll, sodaß ein Verstoß gegen das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Bestimmtheitsgebot vorliegt.

Laut Judikatur des VwGH erfordert die Tatumschreibung einer Übertretung nach § 7 Abs.1 auch die Konkretisierung, wie weit rechts ein Fahrzeuglenker gefahren ist (vgl VwGH 22.11.1985, 85/18/0101).

Im vorliegenden Fall wurde dem Bw zwar vorgeworfen, er sei so weit rechts gefahren, daß eine Fußgängerin zum Ausweichen in die angrenzende Wiese genötigt wurde, es wurde jedoch im erstinstanzlichen Verfahren in keiner Weise erhoben, in welcher Entfernung zum Fahrbahnrand der Bw tatsächlich unterwegs gewesen ist. Der Umstand, daß eine Fußgängerin zum Ausweichen in die angrenzende Wiese genötigt wurde, erfüllt das Bestimmtheitsgebot nicht, geht doch daraus nicht hervor, wie weit die Fußgängerin selbst vom Fahrbahnrand entfernt gewesen ist. Es hätten daher auch zu dieser Frage entsprechende Ermittlungen angestellt werden müssen und es hätte unter Zugrundelegung des Ermittlungsergebnisses innerhalb der gemäß § 31 Abs.2 VStG festgelegten Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten ein entsprechend konkreter Tatvorwurf erhoben werden müssen.

Im Hinblick darauf, daß es der erkennenden Berufungsbehörde nach Ablauf der zitierten Verfolgungsverjährungsfrist verwehrt ist, den Tatvorwurf dem Bestimmtheitsgebot entsprechend zu ergänzen, mußte die angefochtene Entscheidung der Erstbehörde mangels Bestimmtheit behoben und jedenfalls auch aus diesem Grund das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bw eingestellt werden.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. K i s c h Beschlagwortung: Im Falle der Nichtbehebung des durch Hinterlegung zugestellten Auftrages um Lenkerauskunftserteilung stellt die Nichterteilung der Auskunft kein strafbares Verhalten dar.

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum