Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-105762/12/Sch/Rd

Linz, 17.11.1998

VwSen-105762/12/Sch/Rd Linz, am 17. November 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau Brigitte H vom 4. August 1998, vertreten durch die Rechtsanwälte gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20. Juli 1998, VerkR96-18688-1997-K, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung am 4. November 1998 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 1 des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, dieses in diesem Punkt behoben und das Verfahren eingestellt. Des weiteren werden die zu Faktum 2 verhängte Geldstrafe auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden sowie die zu Faktum 3 festgesetzte Geldstrafe auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 150 S (20 % der zu den Fakten 2 und 3 festgesetzten Geldstrafen). Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 bzw 45 Abs.1 Z1 VStG. zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Straferkenntnis vom 20. Juli 1998, VerkR96-18688-1997-K, über Frau Brigitte H, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 14 Abs.3 StVO 1960, 2) § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 3) § 4 Abs.5 Satz 1 StVO 1960 Geldstrafen von 1) 300 S, 2) 1.500 S und 3) 1.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 24 Stunden, 2) 48 Stunden und 3) 24 Stunden verhängt, weil sie am 23. November 1997 gegen 17.00 Uhr im Ortsgebiet von Pasching am "Dehner-Parkplatz", Pluskaufstraße 10, das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen gelenkt habe, wobei sie 1) sich als Lenkerin eines Fahrzeuges beim Rückwärtsfahren nicht von einer geeigneten Person habe einweisen lassen, obwohl es die Verkehrssicherheit erfordert gehabt hätte, 2) es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil sie sich anschließend mit ihrem Fahrzeug von der Unfallstelle entfernt habe und daher nicht mehr festgestellt werden konnte, ob sie zur Tatzeit noch fahrtüchtig gewesen sei, und 3) es unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben sei. Überdies wurde die Berufungswerberin zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von insgesamt 280 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Zu Faktum 1 des Straferkenntnisses (Verwaltungsübertretung gemäß § 14 Abs.3 StVO 1960):

In diesem Zusammenhang ist auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der festgestellt hat, daß nicht jedes Ausparken aus einer Parklücke schlechthin zur Beiziehung eines Einweisers verpflichte, vielmehr müsse dafür eine vom Normalfall abweichende besondere Situation vorliegen (VwGH 30.1.1979, 2727/78). Ob die Verkehrssicherheit einen Einweiser erfordert hätte, hängt auch nicht allein davon ab, ob es dabei zu einem Unfall gekommen ist (VwGH 4.11.1971, 2113/70).

Weder aus dem erstbehördlichen Aktenvorgang selbst noch der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses läßt sich schlüssig ableiten, welche besondere vom Normalfall abweichende Situation im Zusammenhang mit dem Ausparkvorgang der Berufungswerberin vorgelegen wäre, die die Verpflichtung zur Beiziehung eines Einweisers begründet hätte. Der von der Erstbehörde begründend hiefür angeführte Konnex von Rückwärtsfahrt und Anstoß an ein anderes Fahrzeug alleine reicht dafür nach der obigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus. Auch im Zuge der Berufungsverhandlung und der durchgeführten Stellprobe konnte nicht nachvollzogen werden, inwiefern ein Einweiser, wie von der Erstbehörde behauptet, aus Gründen der Verkehrssicherheit beigezogen hätte werden müssen. Der Berufung hatte daher in diesem Punkt, ohne auf das entsprechende Vorbringen noch näher eingehen zu müssen, Erfolg beschieden zu sein. Zu den übrigen Tatvorwürfen im angefochtenen Straferkenntnis: Voraussetzung für die Verpflichtungen nach § 4 StVO 1960 ist nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von einem Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände (Anstoßgeräusch, ruckartige Anstoßerschütterung) zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (VwGH 6.7.1984, 82/02A/0072).

Daß die Berufungswerberin von einem Anstoß ihres PKW an ein anderes Fahrzeug nichts bemerkt hätte, hat sie nicht einmal selbst behauptet. Nach der glaubwürdigen Aussage des bei der Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen S hat er das Anstoßgeräusch sogar noch aus einer Entfernung von etwa 20 bis 25 m wahrgenommen, was auf eine gewisse Intensität des Anstoßes schließen läßt. Der Umstand des tatsächlich erfolgten Anstoßes kann daher als gegeben angenommen werden. Auch ist unbestritten, daß die Berufungswerberin aus ihrem Fahrzeug ausgestiegen ist und die Fahrzeuge im Bereich der Anstoßstelle in Augenschein genommen hat. In der Folge habe sie gegenüber dem Zeugen angegeben, die Angelegenheit "regeln" zu wollen. Der Zeuge entfernte sich zunächst, kam aber nach kurzer Zeit direkt an die Unfallstelle zurück, um sich zu überzeugen, ob die Berufungswerberin zumindest eine Nachricht am zweitbeteiligten Fahrzeug hinterlassen hätte. Tatsächlich ist dies aber nicht der Fall gewesen. Der Zeuge hat daraufhin unter Zuhilfenahme seiner Fahrzeugbeleuchtung - es herrschte zum Vorfallszeitpunkt weitgehende Dunkelheit - das immer noch am Parkplatz stehende zweitbeteiligte Fahrzeug in Augenschein genommen und konnte dabei eine Delle im Bereich des rechten vorderen Kotflügels des Fahrzeuges wahrnehmen. Der Genannte hatte - offenkundig begründet in gewissen Erfahrungen seinerseits beruflich bedingt als Beamter einer städtischen Sicherheitswache - schon die Kennzeichen der beteiligten Fahrzeuge notiert. In der Folge gab er diese an die zuständige Gendarmerie weiter. Der Lenker des abgestellten Fahrzeuges kam erst zu einem späteren Zeitpunkt zu seinem PKW, als sich nämlich sowohl die Berufungswerberin als auch der erwähnte Zeuge schon längst von der Örtlichkeit entfernt hatten. Zu Hause in der Garage angelangt las der Genannte eine an seinem Fahrzeug angebrachte Verständigung der Gendarmerie im Zusammenhang mit einem vorgefallenen Verkehrsunfall. Er nahm sein Fahrzeug in der Folge genauer in Augenschein und entdeckte die Beschädigung. Dieser Zeuge hat glaubwürdig angegeben, daß diese Nachschau keinesfalls eine besondere Akribie benötigt hätte, vielmehr sei ihm der Schaden bei der Nachschau gleich aufgefallen.

Es sind nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür zutage getreten, daß dieser Zeuge von Bestrebungen geleitet worden wäre, der Berufungswerberin einen "Altschaden" unterzuschieben. Dagegen sprechen einerseits seine glaubwürdigen Angaben im Hinblick auf die erstmalige Wahrnehmung dieses Schadens und andererseits der Umstand, daß er den Ersatz des Sachschadens nicht etwa bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung, sondern bei der eigenen Kasko-Versicherung geltend gemacht hat.

Wenn die Berufungswerberin behauptet, sich nach dem Anstoß hinreichend im Hinblick auf allfällige Fremdschäden überzeugt zu haben, so kann dieser Verantwortung nicht gefolgt werden. Zumal die damals herrschende Dunkelheit die Möglichkeit der Besichtigung des abgestellten Fahrzeuges beeinträchtigt hatte, so hätte erwartet werden müssen, daß sie sich ihrer Fahrzeugbeleuchtung, wie etwa der erste erwähnte Zeuge, zur Nachschau bedienen würde. Auch wäre die Nachschau nicht nur auf den Stoßstangenbereich der beiden Fahrzeuge zu lokalisieren gewesen. Diese beschränkte Nachschau begründet die Berufungswerberin damit, der Anstoß sei in diesem Bereich erfolgt. Diesbezüglich erscheinen ihre Aussagen aber nicht überzeugend, da die erwähnte Delle am abgestellten Fahrzeug hinsichtlich ihrer Höhe durchaus mit der Stoßstangenkante des Fahrzeuges der Berufungswerberin korrespondiert.

Die Berufungsbehörde ist angesichts dieser Sachlage zu der Ansicht gelangt, daß die Rechtsmittelwerberin keinesfalls zu Recht davon ausgehen konnte, daß durch den Anstoß keinerlei Sachschaden entstanden wäre. Die Wahrnehmung der Beschädigung am abgestellten Fahrzeug wäre ihr bei genauerer Nachschau ohne weiteres möglich gewesen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, daß die von ihr ursprünglich kundgetane Absicht, an diesem Fahrzeug eine Verständigung zu hinterlassen, ohnedies keine Befreiung von den Pflichten des § 4 StVO 1960 bewirkt hätte.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war durch das abgeführte Ermittlungsverfahren somit hinreichend geklärt, sodaß von weiteren Beweisaufnahmen Abstand genommen werden konnte.

Im Hinblick auf die Strafbemessung schließt sich die Berufungsbehörde allerdings weitgehend den Ausführungen in der Berufungsschrift an. Wenngleich Übertretungen des § 4 StVO 1960 grundsätzlich nicht als "Bagatelldelikte" abgetan werden können, so müssen auch stets die Besonderheiten des Einzelfalles beachtet werden. Im vorliegenden Fall hat die Berufungswerberin immerhin gewisse Maßnahmen gesetzt, die die Annahme rechtfertigen, daß es ihr nicht vorsätzlich darum ging, dieser Bestimmung zuwiderzuhandeln.

Des weiteren hat die Erstbehörde den sehr wesentlichen Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Berufungswerberin nicht berücksichtigt, da aktenwidrigerweise vom Nichtvorliegen von Milderungsgründen ausgegangen wurde. Auch wurde glaubwürdig dargelegt, daß das monatliche Nettoeinkommen der Berufungswerberin nicht jenes Ausmaß erreicht, wie es von der Erstbehörde angenommen wurde.

Angesichts dieser Erwägungen erschien der Berufungsbehörde die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen und damit auch der Ersatzfreiheitsstrafen auf ein entsprechendes Maß vertretbar. Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

S c h ö n

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum