Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105873/15/Ki/Shn

Linz, 29.01.1999

VwSen-105873/15/Ki/Shn Linz, am 29. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des David J, vom 8. Oktober 1998, gegen das Straferkenntnis der BH Kirchdorf/Krems vom 1. Oktober 1998, VerkR96-3069-1998/Wa, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Jänner 1999 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten-beiträge.

Rechtsgrundlage: zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG zu II: § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die BH Kirchdorf/Krems hat mit Straferkenntnis vom 1. Oktober 1998, VerkR96-3069-1998/Wa, den Berufungswerber (Bw) für schuldig befunden, er habe am 28.2.1998 um ca 09.00 Uhr den PKW, Kennzeichen auf der Voralpenstraße B 122, im Gemeindegebiet von Sattledt, von Kremsmünster kommend in Richtung Sattledt gelenkt, wobei er 1. bei Strkm. ca 64,840 einen PKW und eine Zugmaschine überholte, obwohl andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende gefährdet oder behindert werden hätten können, zumal für diesen Überholvorgang die erforderliche Überholsichtweite nicht gegeben war und er 2. nicht einwandfrei erkennen konnte, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen hätte können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, zumal er zu Beginn seines Überholvorganges aufgrund des Tiefenabstandes der vor ihm fahrenden Fahrzeuge eine Behinderung oder Gefährdung der Lenker dieser Fahrzeuge nicht ausschließen konnte, 3. die beiden oben angeführten Fahrzeuge auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, nämlich vor einer Fahrbahnkuppe überholte. Er habe dadurch 1. § 16 Abs.1 lit.a StVO, 2. § 16 Abs.1 lit.c StVO und 3. § 16 Abs.2 lit.b StVO jeweils i.V.m. § 99 Abs.3a StVO verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO Geldstrafen in Höhe von jeweils 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 48 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von insgesamt 600 S (jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen) verpflichtet.

I.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis am 8. Oktober 1998 vor der BH Kirchdorf/Krems mündlich Berufung, weil er sich nicht schuldig fühle und weil ihm das Strafausmaß zu hoch bemessen erscheine.

I.3. Die Erstbehörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 10.000 S übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, verbunden mit einem Augenschein im Bereich des vorgeworfenen Tatortes, am 20. Jänner 1999. An dieser Berufungsverhandlung nahmen der Bw im Beisein eines Rechtsvertreters sowie ein Vertreter der BH Kirchdorf/Krems teil. Als Zeugin wurde Frau Hannelore H einvernommen, eine weitere geladene Zeugin, Frau Gertrud S, hat sich wegen Krankheit entschuldigt. An der Verhandlung nahm weiters ein verkehrstechnischer Amtssachverständiger teil.

I.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens werden nachstehende entscheidungswesentliche Fakten festgestellt:

Frau Gertrud S erstattete am 28. Februar 1998 beim Gendarmerieposten Kremsmünster eine Anzeige. Danach fuhr sie an diesem Tage um ca 09.08 Uhr mit ihrem PKW auf der B122 von Kremsmünster kommend in Richtung Sattledt. Vor ihr sei der PKW mit dem Kennzeichen gefahren, vor diesem ein weiterer PKW, Kennzeichen. Vor diesen PKW's sei ein Traktor gefahren. Sie sei auf diese Fahrzeuge aufgeschlossen, weil diese hinter dem Traktor etwa 20-30 km/h fuhren. Sämtliche Fahrzeuge seien etwa 200 Meter vor einer Fahrbahnkuppe im Gemeindegebiet Sattledt gefahren. Plötzlich habe der PKW, etwa 70-80 Meter vor der unübersichtlichen Fahrbahnkuppe (etwa 2,5 Plastikleitpflöcke) vorher zum Überholen angesetzt. Dieser habe in weiterer Folge den vor ihm fahrenden PKW und den Traktor überholt. Nach dem Überholen des PKW habe er kurz gezögert den Traktor auch zu überholen und dann den Überholvorgang des Traktors auch durchgeführt. Der Überholvorgang sei erst nach der unübersichtlichen Bergkuppe abgeschlossen gewesen. Sie habe dessen Einordnen in den fließenden Verkehr aufgrund der Unübersichtlichkeit nicht mehr beobachten können. Dieser Fahrzeuglenker habe zwar beim Überholvorgang niemanden behindert, weil glücklicherweise kein Gegenverkehr herrschte, doch das habe er weder zu Beginn noch während seines Überholvorganges sehen können. Am 1. März 1998 wurde Frau Hannelore H ebenfalls beim Gendarmerieposten Kremsmünster einvernommen. Sie führte dort aus, daß es richtig sei, daß sie am 28.2.1998 gegen 09.00 Uhr mit dem PKW ihrer Mutter, Kennzeichen, auf der B122 von Kremsmünster in Richtung Sattledt unterwegs war. Etwa 1 km vor Sattledt sei sie einem Traktor, der mit etwa 30-40 km/h fuhr, nachgekommen. Sie dürfte etwa 200 Meter hinter diesem Traktor nachgefahren sein, weil für sie ein gefahrloses Überholen nicht möglich war. Während dieser Zeit sei ihr aus Richtung Kremsmünster ein weiterer PKW nachgekommen. Dieser könnte mit etwa 70 km/h gefahren sein. Als dieser zum Überholen ansetzte, hatte sie durch die vor ihr liegende Bergkuppe nicht genügend Sicht zum Überholen, so daß der Überholer auch zuwenig Sicht gehabt haben müsse. Als dieser zum Überholen ansetzte, könnte sie zwei bis drei Plastikpflocklängen von der Bergkuppe entfernt gewesen sein. Sie habe nicht sehen können, wie sich der Überholer wieder nach rechts einordnete, weil dies nach einer Kuppe geschehen sei und sie dort hin zu der Zeit noch keine Sicht hatte. Die Überholgeschwindigkeit dürfte bei etwa 70 km/h gelegen sein. Als sie dieses Überholmanöver sah, habe sie sofort an einen Unfall gedacht bzw gedacht, daß dies ein Selbstmörder sei. Sie habe sich nachher auch gedacht, daß dieser angezeigt werden müßte. Im Falle eines Gegenverkehrs wäre ihres Erachtens ein Unfall unvermeidbar gewesen. Der nunmehrige Bw wurde am 28.2.1998 ebenfalls beim Gendarmerieposten Kremsmünster einvernommen. Er führte aus, daß es richtig sei, daß er am 28.2.1998 gegen 09.00 Uhr mit dem PKW seiner Gattin, Kennzeichen, Marke Audi 80, auf der B122 von Kremsmünster Richtung Sattledt unterwegs war. Ca 1 km vor Sattledt dürfte er mit einer Geschwindigkeit von ca 80 km/h gefahren sein. Bei der vom Anzeiger angegebenen Stelle sei er einem PKW und einem vor diesem PKW fahrenden Traktor nachgekommen. Er habe seine Geschwindigkeit verringern müssen, weil die vor ihm fahrenden Fahrzeuge nur etwa 25-30 km/h fuhren. Wie weit er die Geschwindigkeit verringerte, könne er nicht sagen. Er habe kurz mit dem Überholen warten müssen und dann, als er Sicht über die Fahrbahnkuppe hatte, zum Überholen angesetzt. Den Überholvorgang dürfte er mit ca 70 km/h durchgeführt haben. Es sei richtig, daß er vorerst zögerte zu überholen, dies jedoch nicht aufgrund des kurzen Sichtbereiches, sondern wegen des vor ihm fahrenden PKW, daß der nicht vor ihm den Überholvorgang durchführte. Da dieser PKW-Lenker nicht blinkte bzw keine Anstalten machte, selbst zu überholen, habe er zum Überholen angesetzt. Er habe während des Überholvorganges niemanden behindert und sich nach dem Überholen gefahrlos wieder einordnen können. Es habe kein Gegenverkehr geherrscht. Als er zum Überholen ansetzte, hatte er zwar keine freie Sicht bis zum Ortsbereich Sattledt, jedoch seines Erachtens genügend Sicht für einen sicheren Überholvorgang, da die Fahrzeuge ja nur mit etwa 25 km/h unterwegs waren. Die genaue Sicht in Metern bei Beginn des Überholvorgangs könne er nicht mehr angeben. Da die vor ihm gefahrenen Fahrzeuge so langsam fuhren, sei der Überholvorgang auf kurze Distanz möglich. Er fühle sich in keiner Weise einer Verwaltungsübertretung schuldig, da er niemanden behindert habe.

Bei einer weiteren Einvernahme am 7. Mai 1998 hielt der Bw seine Aussagen vom 28. Februar 1998 aufrecht und führte ergänzend zu dieser Aussage an, daß es sich bei der Fahrbahnkuppe um die erste Kuppe handelte und nicht um die Kuppe unmittelbar vor Sattledt. Der Abstand zwischen den Kuppen betrage 300 Meter, welchen er gemessen habe. Von der von der Anzeigerin S angegebenen Stelle, die er zu nahe der Kuppe gewählt erachte, betrage der Abstand zur Kuppe (freie Sicht) nicht wie von Sölkner angegeben 70-80 Meter, sondern von ihm gemessene 130 Meter. Die Zeugin H gebe in ihrer Aussage an, daß sie nicht genügend Sicht für einen Überholvorgang gehabt hätte und nehme an, daß auch er zu wenig Sicht für einen Überholvorgang gehabt haben müsse. Da H mit ihrem PKW zu nahe am vor ihr fahrenden großen Zugfahrzeug gefahren sei, konnte sie gar keine Sicht nach vorne haben und nicht beurteilen, ob er genügend Sicht hatte. Wäre sie nicht so knapp am Zugfahrzeug nachgefahren, hätte sie gefahrlos überholen können, da sie insgesamt 300 Meter freie Sicht gehabt hätte. Bei einer zeugenschaftlichen Einvernahme im Strafverfahren am 15. Juni 1998 bestätigten die beiden Zeuginnen im wesentlichen ihre ursprünglich vor der Gendarmerie gemachten Aussagen. Im weiteren Verfahren wurde ein verkehrstechnisches Amtssachverständigen-gutachten erstellt, in welchem ausgehend von den Angaben im Akt gutächtlich festgestellt wurde, daß aufgrund der geringen Sicht gerade die Überholstrecke eingesehen werden konnte. Diese reicht als notwendige Sicht nicht aus, da auch die Strecke, die der Gegenverkehr in der Zeit des Überholvorganges zurücklegt, zu berücksichtigen ist.

Nach Gewährung des Parteiengehörs wurde in der Folge das nunmehr angefochtene Straferkenntnis vom 1. Oktober 1998, VerkR96-1369-1998/Wa, erlassen. In der Begründung dieses Straferkenntnisses wird im wesentlichen ausgeführt, daß aufgrund der zeugenschaftlichen Aussagen sowie des Gutachtens des Amtssachverständigen in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in freier Beweiswürdigung als erwiesen anzusehen ist. Der Rechtsmittelwerber hat gegen das Straferkenntnis am 8. Oktober 1998 vor der BH Kirchdorf mündlich Berufung erhoben und das Sachverständigengutachten angezweifelt. Nach seinen Berechnungen sei ein gefahrloses Überholen möglich gewesen. Auch stimme der Überholbeginn wie von den Zeugen angeführt nicht und seien die Zeugenaussagen teilweise unrichtig. Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bestritt der Bw weiterhin den ihm zur Last gelegten Sachverhalt, er erklärte, daß er von Kremsmünster kommend zunächst die erste Kuppe, welche in eine Linkskurve verläuft, passiert hatte. Nach Passieren dieser Kuppe, nachdem er wieder Sicht hatte, noch vor Km 64,8 habe er bei einer Sicht von ca 300 Meter sein Fahrzeug etwas nach links versetzt, um zu schauen, ob sich ein Überholvorgang ausgeht. Als er mit seinem Fahrzeug auf Höhe der hinteren Stoßstange des zuerst überholten PKWs war und sah, daß immer noch frei war, habe er sein Fahrzeug beschleunigt. Die erschienene Zeugin Hannelore H erklärte, daß sie auf der B122 in Richtung Sattledt mit einer Geschwindigkeit von ca 70 km/h unterwegs war. Da vor ihr ein Traktor auf die Hauptstraße eingefahren ist, sei sie, nachdem sie den Traktor nicht überholen konnte, langsam mit der Geschwindigkeit heruntergegangen. Im Rückspiegel habe sie beobachtet, daß ein PKW mit gleicher Geschwindigkeit nachkam, dieser habe sich schon auf der linken Seite befunden. Sie habe sich dann auf den Traktor konzentriert und geglaubt, daß sich der erwähnte PKW hinter ihr einordnen werde. Nachdem dieser jedoch keine Anstalten gemacht hat, sich wieder einzuordnen, habe sie danach getrachtet, zumindest eine PKW-Länge Abstand zum Traktor einzuhalten, es sei jedoch sehr schnell gegangen. Glaublich habe der PKW-Lenker bei Überholbeginn bzw während des Überholens die Geschwindigkeit nicht verringert, er dürfte seine Geschwindigkeit von 70 km/h beibehalten haben. Sie habe es auch so aufgefaßt, daß der PKW-Lenker auch Frau S überholt hätte. Beim anschließenden Augenschein im Bereich des vorgeworfenen Tatortes (km 64,840) bestritt der Bw weiterhin, daß er dort das inkriminierende Überholmanöver durchgeführt hätte. Dieser Überholvorgang habe sich schon vorher, nämlich bei ca km 64,7 ereignet. Dort hatte er nach der Linkskurve genügend Sicht. Die Zeugin H erklärte im Rahmen des Augenscheines, daß sich das Überholmanöver bereits im Bereich der Kuppe bei km 64,6 ereignet hätte, sie sei sich diesbezüglich ganz sicher. Sie könne nicht angeben, wo der Überholvorgang beendet war, jedenfalls im Bereich der "Rundfunkhinweistafel", welche sich schätzungsweise 100 Meter nach Strkm 64,6 in Richtung Sattledt befindet, sei das Fahrzeug des Bw noch immer auf dem linken Fahrstreifen gewesen.

Zur Örtlichkeit wird festgehalten, daß die B122 in Richtung Sattledt etwa im Bereich des Strkm 64,6 bergauf verläuft, in der Folge verläuft die Fahrbahn über Strkm 64,8 hinaus in etwa gerade, wobei bei Strkm 64,8 die Sichtweite tatsächlich nur mehr 120 - 130 Meter beträgt.

Auf eine Einvernahme der Zeugin S wurde einvernehmlich verzichtet.

I.6. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch (und damit der Strafvorwurf), wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Im Hinblick darauf, daß der Beschuldigte ein Recht darauf hat, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen wurde, muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen werden, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und es muß der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Aus diesem Grunde kommt ua auch dem Tatort eine wesentliche Bedeutung zu, wobei das an die Tatortumschreibung zu stellende Erfordernis nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes ist. Bezogen auf den konkreten Fall, insbesondere im Hinblick auf den Streckenverlauf der B122 im Bereich des vorgeworfenen Tatortes, ist eine exakte Bezeichnung des Tatortes schon deshalb unabdingbar, zumal sowohl im Bereich vor dem Strkm 64,6 als auch bei Strkm 64,84 keine entsprechende Überholsicht gegeben ist. Dazwischen wäre es, wie der Ortsaugenschein ergeben hat, durchaus möglich, daß bei einem zügigen Überholmanöver ein langsam fahrender Traktor bzw ein dahinter fahrender PKW vorschriftsmäßig überholt werden.

Angenommen den Fall, der Bw hätte tatsächlich iSd Anzeige ein vorschriftswidriges Überholmanöver durchgeführt, so müßte in jedem Fall der Tatort exakt bezeichnet sein, um den oben dargelegten Rechten des Beschuldigten zu entsprechen.

Diesbezüglich sind jedoch in bezug auf den genauen Tatort im Verlaufe der mündlichen Berufungsverhandlung, insbesondere während des durchgeführten Augenscheines, Zweifel dahingehend hervorgekommen, ob der Bw nun tatsächlich bei Strkm 64,840 oder bereits im Bereich des Strkm 64,600 bzw in einem Bereich dazwischen den Überholvorgang durchgeführt hat. Wenn auch im erstinstanzlichen Verfahren die beiden Zeuginnen diesbezüglich übereinstimmende Angaben machten, so hat Frau H nunmehr beim Lokalaugenschein doch eine andere Stelle angegeben, wo der Bw angeblich überholt hat. Gerade im Hinblick auf die gemäß § 51i VStG statuierte Unmittelbarkeit des Verfahrens, wonach, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht genommen werden darf, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist, ist den bei der Berufungsverhandlung getätigten Aussagen der Zeugin H entsprechend Bedeutung beizumessen.

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Dazu wird festgestellt, daß auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" anzuwenden ist, wonach das für den Beschuldigten günstigste Verfahrensergebnis der Entscheidung zugrundezulegen ist. Wenn sohin nach Durchführung der Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein Freispruch zu erfolgen. Nachdem, wie bereits dargelegt wurde, der exakte Tatort der dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht festgestellt werden kann, dieser Tatort jedoch ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die gegenständliche Bestrafung darstellen würde, kann die dem Bw zur Last gelegte Tat nicht mit einer zur konkreten Bestrafung führenden Sicherheit als erwiesen angesehen werden, weshalb der Berufung (in dubio pro reo) Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilagen Mag. K i s c h Beschlagwortung: Differenzierte Aussagen der Belastungszeugen - Unmittelbarkeitsgrundsatz d. Erg. d. mündl. Verhandlung - in dubio pro reo zugunsten des Beschuldigten

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