Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-105876/13/BI/FB

Linz, 19.01.1999

VwSen-105876/13/BI/FB Linz, am 19. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn C S, A, S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M P, P, E, vom 6. Oktober 1998 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 28. September 1998, VerkR96- 484/1997/Win, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 2. Dezember 1998 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch insofern ergänzt wird, als der Rechtsmittelwerber "als Lenker des PKW, Kz. " gehandelt hat, und der Überholvorgang ca bei km 3,290 der T-Landesstraße (Ortsende von S Richtung R) begann.

Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 400 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 441 Z1 und 19 VStG, §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960. zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S (60 Stunden EFS) verhängt, weil er am 24. Februar 1997 um 10.36 Uhr "den PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen auf der T-Landesstraße im Bereich von Strkm 3,350 bis 3,180 insofern verbotenerweise überholt" habe, als sowohl der entgegenkommende als auch der Lenker des letzten (vierten) überholten Fahrzeuges zum Abbremsen und Ablenken ihres Fahrzeuges genötigt worden seien. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 2. Dezember 1998 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines rechtsfreundlichen Vertreters RA Dr. P, des Behördenvertreters Herrn W, der Zeugen RI E M und J S sowie des technischen Amtssachverständigen Ing. H S durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde von beiden Parteien verzichtet. 3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, seinem Beweisantrag auf Einholung eines objektiven Gutachtens sei nicht Folge gegeben worden. Die Annahme der Höchstgeschwindigkeit des Gegenverkehrs von 100 km/h sei willkürlich und stehe mit den festgestellten örtlichen Verhältnissen in Widerspruch, weil auch für den Gegenverkehr das Gebot des Fahrens auf Sicht bestanden habe. Die Beweiswürdigung der Erstinstanz stütze sich hauptsächlich auf das genannte Gutachten, ohne sich mit seinen Argumenten auseinanderzusetzen. Dieses Gutachten sei nicht schlüssig, weil seine tatsächliche Überholgeschwindigkeit, ferner der Nachfahrabstand der voranfahrenden Fahrzeuge, das Ausmaß der Geschwindigkeitsverminderung beim Erstfahrzeug, die tatsächliche Geschwindigkeit des Gegenverkehrs und die diesem zumutbare Höchstgeschwindigkeit unbekannt seien. Unbestritten sei seine freie Sicht auf die Gegenfahrbahn und die Tatsache, daß zum Zeitpunkt des Überholmanövers ein Gegenverkehr nicht erkennbar gewesen sei. Die Verkehrssituation sei ausschließlich durch das unvermutete Abbremsen des ersten PKW veranlaßt worden. Nach den Aussagen des Meldungslegers müßte die Kolonne im Ortsgebiet bei einer Geschwindigkeit von ca 60 km/h die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten haben. Dieser habe die Fahrgeschwindigkeit offenbar von seinem Tachometer abgelesen und gleichzeitig auch sein Überholmanöver beobachtet.

Auch die rechtliche Beurteilung des Straferkenntnisses werde bekämpft, zumal das Ausmaß der Überholstrecke einerseits von der Fahrgeschwindigkeit des oder der zu Überholenden abhänge und andererseits von der tatsächlich feststellbaren Geschwindigkeit des Überholenden. Der Überholvorgang sei zunächst unbedenklich gewesen, wobei sich die Frage stelle, ob er einkalkulieren hätte müssen, daß das Erstfahrzeug plötzlich und unerwartet abbremsen würde, um in einen nicht erkennbaren Güterweg einzubiegen. Dies sei der einzige Grund, warum er wegen des sich verringernden Abstandes zwischen Erst- und Zweitfahrzeug nicht mehr in die Fahrbahnlücke einfahren habe können. Gehe man davon aus, daß der Abstand zwischen den überholten Fahrzeugen ausreichend gewesen sei und diese bei seiner Annäherung maximal 50 km/h gefahren seien, so sei ein Gegenverkehr für ihn nicht erkennbar gewesen und er habe letztlich mit ausreichender Geschwindigkeit überholt, sodaß der Überholvorgang selbst nicht bedenklich gewesen sei. Das unvermittelte Abbremsen des Erstfahrzeuges auf offener Fahrbahn sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen. Die gebotene Fahrt zum Krankenhaus habe sich für ihn zumindest subjektiv als Notwehrsituation dargestellt, zumal er ja nicht über medizinische Kenntnisse verfügte. Dies sei zumindest ein einem Rechtfertigungsgrund naheliegendes Vorkommnis gewesen, das schuldbefreiend zu werten gewesen wäre. Bei der Strafbemessung wird das Vorhandensein der genannten Notsituation, das Fehlen von Erschwerungsgründen und der Milderungsgrund der bisherigen Unbescholtenheit angeführt und beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu dieses zur Ergänzung an die Erstinstanz zurückzuverweisen, in eventu den Strafausspruch so abzuändern, daß die Strafe gemäß § 20 VStG auf die Hälfte herabgesetzt oder gemäß § 21 von deren Verhängung abgesehen werde. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung unter Beiziehung beider Parteien, der angeführten Zeugen und Durchführung eines Ortsaugenscheins sowie Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens durch einen anderen als dem im erstinstanzlichen Verfahren tätigen Amtssachverständigen. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 24. Februar 1997 etwa gegen 10.36 Uhr den PKW auf der T-Landesstraße von H kommend Richtung R und schloß im Ortschaftsbereich S auf vier PKW auf, die mit nicht mehr eruierbarem Abstand hintereinander Richtung R fuhren. Unmittelbar vor dem Beschuldigtenfahrzeug befand sich der PKW des Meldungslegers RI M, der mit seinem Privatfahrzeug Richtung R unterwegs war. Erstes Fahrzeug in der Kolonne war ein PKW mit Tiroler Kennzeichen, dessen Lenker am Ortsende von S auf etwa 60 km/h beschleunigte. Die T-Landesstraße verläuft nach dem Ortsende von S noch ein kurzes Stück annähernd gerade und beschreibt dann eine als übersichtlich zu bezeichnende Linkskurve, in der sich rechts zunächst ein bebautes Grundstück mit einer mit Steinen gekennzeichneten Einfahrt befindet und anschließend das neue Feuerwehr-Zeughaus. Dem gegenüber auf der anderen Straßenseite steht ein Transformator, der die Sicht auf den ankommenden Verkehr kurzfristig beeinträchtigt. Ansonsten ist die genannte Kurve übersichtlich und auch der an den Transformator Richtung R anschließende Straßenabschnitt ist frei einsehbar. Von der Ortstafel S Richtung Rohrbach besteht laut Feststellungen des Amtssachverständigen eine Sichtweite bis zum Strkm 2,750, demnach 540 m. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Rechtsmittelwerber ausgeführt, er sei damals mit seinem Bruder als Beifahrer Richtung R gefahren, um diesen wegen bei einer Armverletzung erlittener Schmerzen ins Krankenhaus zu bringen. Dazu geht aus der bereits von der Erstinstanz eingeholten Krankengeschichte des Zeugen J S hervor, daß dieser nach dem gegenständlichen Vorfall wegen einer Prellung im linken Ellbogengelenk, herrührend von einem Mopedsturz am Vorabend des 24. Februar 1997, im Krankenhaus R versorgt wurde. Sowohl der Rechtsmittelwerber als auch der Zeuge J S gaben bei der mündlichen Verhandlung inhaltlich übereinstimmend an, daß der Rechtsmittelwerber auf die Kolonne im Ortsgebiet von S aufgeschlossen und aufgrund der geringen Geschwindigkeit - die Kolonne beschleunigte nach dem Ortsende nur auf 60 km/h - etwa auf Höhe des Ortsendes mit dem Überholmanöver begonnen hatte. Nach diesen Aussagen ist weder dem Rechtsmittelwerber noch dem Zeugen S ein aus Richtung R im Gegenverkehr ankommender PKW aufgefallen; dieser sei erstmals im Bereich des neuen Feuerwehr-Zeughauses aufgefallen und der Rechtsmittelwerber habe bei dessen Ansichtigwerden versucht, sich hinter dem ersten Fahrzeug der Kolonne, dem PKW mit Tiroler Kennzeichen einzuordnen. Der Lenker habe aber offensichtlich etwas gesucht, weil er nach rechts geblinkt und plötzlich gebremst habe. Es sei ihm daher nichts anderes übriggeblieben, als auch noch diesen PKW zu überholen, wobei der entgegenkommende PKW stark abbremsen habe müssen, aber es sei sich noch ausgegangen. Er sei dann Richtung Krankenhaus weitergefahren und es habe ihn erst später der Gendarmeriebeamte angerufen und ihm von der Anzeigeerstattung Mitteilung gemacht. Zum Vorfallszeitpunkt sei es hell gewesen, aber beim Ansetzen zum Überholen sei ihm der Gegenverkehr noch nicht aufgefallen, sondern erst, als er sich etwa in Höhe des Transformators befunden habe. Der Zeuge J S hat ausgeführt, er habe erst, als sein Bruder das erste Kolonnenfahrzeug überholen habe wollen, den Gegenverkehr gesehen. Nach den Angaben des Meldungslegers RI M war dessen PKW in S das vierte Fahrzeug in einer Kolonne mit etwa 50 km/h und einem Abstand von ca. 15 m zum vorderen PKW. Im Bereich zwischen den beiden linksseitig beim Ortsende Richtung R befindlichen Häusern habe ihn dann ein PKW überholt und ihm sei der Gegenverkehr etwa beim Ende des Ortsgebietes aufgefallen. Das erste Fahrzeug der Kolonne habe nach dem Ortsende nur auf etwa 50 bis 60 km/h beschleunigt; er konnte sich aber nicht erinnern, ob dieser PKW geblinkt habe oder irgendwo eingebogen sei. Aus welchem Grund das erste Fahrzeug langsamer wurde, konnte er nicht sagen, jedenfalls sei die ganze Kolonne fast zum Stillstand gekommen und auch der Gegenverkehr sei auf Höhe des neuen Zeughauses beinahe zum Stillstand gekommen und das Überholmanöver sei sich noch knapp ausgegangen. Nach der Aussage des Zeugen sei der BeschuldigtenPKW das fünfte Fahrzeug in der Kolonne gewesen. Zu den Abständen zwischen den anderen PKW konnte er keine Aussage machen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte nicht mehr eruiert werden, ob der Rechtsmittelwerber tatsächlich drei oder vier PKW überholt hat, wobei für den unabhängigen Verwaltungssenat die Wahrnehmung des Zeugen RI M insofern als glaubwürdiger zu beurteilen ist, weil dieser zum einen nur als Beobachter an dem Vorfall beteiligt war und zum anderen als Gendarmeriebeamter im Hinblick auf die Wahrnehmung von Vorgängen im Straßenverkehr eher geübt ist. Bereits in der Anzeige ist angeführt, daß der Rechtsmittelwerber das fünfte Fahrzeug in der Kolonne war und der Zeuge hat auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung diese Aussage nicht geändert.

Der Zeuge J S hat sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung offensichtlich sehr auf die Beschuldigtenverantwortung konzentriert und diese sowohl hinsichtlich des Ansichtigwerdens des Gegenverkehrs als auch der angegebenen Geschwindigkeiten gestützt. Er hat damit seine Aussage gegenüber der vor der Erstinstanz am 18. Juni 1997 insofern abgeändert, als er nun den Beginn des Überholmanövers in etwa mit dem Ortsende S Richtung R bestätigte, obwohl er bei seiner ersten Aussage noch angegeben hatte, sein Bruder habe auf Höhe des alten Feuerwehr-Zeughauses auf die aus vier Fahrzeugen bestehende Kolonne aufgeschlossen und direkt zum Überholen angesetzt. Auch in diesem Licht ist davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber doch vier und nicht die von ihm angegebenen nur drei PKW überholt hat. Erwiesen ist, daß das erste Fahrzeug in der Kolonne nach dem Passieren des Ortsendes von S bloß auf ca 60 km/h beschleunigt hat, woraus nach übereinstimmenden Aussagen sowohl der Rechtsmittelwerber als auch der Meldungsleger geschlossen haben, daß der Lenker dieses Fahrzeuges etwas gesucht habe. Nach der durchaus glaubwürdigen Beschuldigtenverantwortung hat sich dies in der Folge auch insofern bewahrheitet, als der Lenker beim unmittelbar in der Kurve gelegenen Haus rechts geblinkt und dort in die Einfahrt eingebogen ist. Erwiesen ist auch, daß etwa auf Höhe der Hauseinfahrt, in die dieser PKW rechts eingebogen ist, die Begegnung zwischen dem BeschuldigtenPKW und dem im Gegenverkehr aus Richtung R kommenden PKW stattfand, die insofern glimpflich verlief, als der Gegenverkehr ebenso wie die überholte Kolonne fast zum Stillstand kam, sodaß der Rechtsmittelwerber letztendlich doch das Überholmanöver knapp beenden konnte. Geht man davon aus, daß der Rechtsmittelwerber sein Überholmanöver tatsächlich im Bereich des Ortsendes von S begonnen hat und daß von diesem Punkt aus eine Sicht von 540 m besteht, so mußte für ihn der aus Richtung Rohrbach kommende PKW bereits von diesem Punkt aus einwandfrei erkennbar gewesen sein, auch wenn sich der Meldungsleger nicht erinnern konnte, ob dieser PKW beleuchtet war. Die Sicht für den Beschuldigten bei Beginn des Überholmanövers war, wie bereits oben ausgeführt, mit Ausnahme des Transformators bis km 2,750, demnach auf eine Strecke von 540 m, uneingeschränkt einsehbar. Für den in Richtung R fahrenden Lenker bewegen sich die aus der Gegenrichtung kommenden Fahrzeuge von links nach rechts fahrend Richtung Transformator, sodaß eine Abschätzung der Geschwindigkeit dieser Fahrzeuge durchaus möglich ist. Wenn daher der Rechtsmittelwerber ausführt, es sei ihm bei Beginn des Überholmanövers kein Gegenverkehr aufgefallen, sondern diesen habe er erstmals in etwa auf Höhe des Transformators bzw des neuen Feuerwehr-Zeughauses gesehen, so erscheint dies angesichts der beim Ortsaugenschein festgestellten örtlichen Gegebenheiten gänzlich unglaubwürdig und wäre nur mit dessen mangelnder Aufmerksamkeit oder damit zu erklären, daß der Rechtsmittelwerber wegen der geringen Kolonnengeschwindigkeit gemeint hat, er werde bei voller Beschleunigung noch im Bereich vor dem Transformator die Kolonne überholt haben, und möglicherweise deshalb den noch "weit entfernten" Gegenverkehr nicht beachtet hat. Die Aussage des Meldungslegers bei der mündlichen Verhandlung, dem der Gegenverkehr schon aufgefallen ist, als er selbst das Ortsende von S passiert hat, ist mit dem Straßenverlauf und der damit verbundenen Sicht in der Natur durchaus in Einklang zu bringen und deshalb glaubwürdig. Die Beschuldigtenverantwortung hinsichtlich des Fahrverhaltens des Lenkers des ersten Kolonnen-Fahrzeuges, nämlich sowohl die Einhaltung der Geschwindigkeit nach dem Ortsende S als auch das Abbremsen, wurde auch vom Zeugen RI M glaubhaft bestätigt. Der nunmehr beigezogene Amtssachverständige Ing. Sallaberger hat sich jeglicher Wertung des Verhaltens der beteiligten Verkehrsteilnehmer enthalten und allein die örtliche Situation unter Vorgabe der Annahme einer aus vier PKW bestehenden Kolonne durch die Verhandlungsleiterin berücksichtigt, sowie die allgemeinen Regeln für die Errechnung der Zulässigkeit der Einleitung eines solchen Überholvorganges herangezogen. Die gutachtlichen Feststellungen sind schlüssig, nachvollziehbar und als Grundlage für die Beurteilung des Tatverhaltens einwandfrei geeignet.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen: Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das sich aus dieser Bestimmung ergebende Tatbild darin, daß der Lenker eines Fahrzeuges seinen Überholvorgang ungeachtet dessen, daß andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, indem er mit dem Überholen beginnt und den Überholvorgang nicht abbricht, solang dies noch möglich ist. Es kommt daher bei dieser Bestimmung auf ein für den Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden-können anderer Straßenbenützer bei Beginn des Überholvorganges bzw was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während dieses Vorganges an (vgl ua Erk v 20. März 1996, 94/03/0103 mit Vorjudikatur).

Das Beweisverfahren hat ergeben, daß der Rechtsmittelwerber im Bereich des Ortsendes von S zum Überholen der vier vor ihm befindlichen, mit ca 60 km/h fahrenden PKW angesetzt hat. Zu diesem Zeitpunkt war er in der Lage, den weiteren Straßenverlauf auf eine Länge von 540 m zu überblicken, wobei die kurze Sichtbehinderung durch den Transformator zu vernachlässigen ist.

Der technische Sachverständige hat bei der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar errechnet, daß unter Zugrundelegung einer überholten Kolonne von vier Fahrzeugen mit einer Gesamtlänge von 20 m sowie drei Nachfahrabständen von je 15 m, sohin einer Kolonnenlänge von 65 m, sowie der Einleitung eines Überholvorgangs aus einem Sicherheitsabstand von einer Wegstrecke, die der Fahrstrecke von 1 sec entspricht, und unter Berücksichtigung desselben Sicherheitsabstandes beim Einordnen bei einer Kolonnengeschwindigkeit von 60 km/h und einer durchschnittlichen Beschleunigung von 1,8 m/sec² zwei Varianten zu berücksichtigen sind: Geht man davon aus, daß der Rechtsmittelwerber seinen PKW, einen Citroen Xantia mit 121 PS, nur auf die auf Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h beschleunigt hat, so ergibt sich daraus eine Überholstrecke von 308 m und eine Überholzeit von 12,34 sec, während der der Gegenverkehr unter Berücksichtigung der erlaubten 100 km/h 342 m zurückgelegt hat, sodaß die Überholsichtweite für den Rechtsmittelwerber mindestens 651 m betragen hätte müssen. Hat der Rechtsmittelwerber hingegen sein Fahrzeug durchgehend beschleunigt, und die Endgeschwindigkeit von etwa 129 km/h erreicht, so hätte die Überholstrecke "nur" 280 m betragen und die Überholzeit 10,69 sec, während der der Gegenverkehr bei 100 km/h eine Strecke von 296 m zurückgelegt hätte, sodaß eine Überholsicht für den Rechtsmittelwerber von 578 m erforderlich gewesen wäre. Tatsächlich bestand vom Ortsende S bis km 2,750 eine Sicht von nur 540 m, die unter Berücksichtigung der Geschwindigkeit des Gegenverkehrs von 100 km/h jedenfalls zu kurz gewesen wäre, selbst wenn der Rechtsmittelwerber - diesbezüglich konnten keine Feststellungen getroffen werden - die erlaubte Höchstgeschwindigkeit tatsächlich eingehalten hat. Somit bestand schon bei Beginn des Überholmanövers keine Möglichkeit, dieses ohne Risiko durchzuführen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung für einen zum Überholen ansetzenden Fahrzeuglenker davon auszugehen ist, daß ein PKW im Gegenverkehr auf einer Freilandstraße eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h einhalten darf und auch der Straßenverlauf der T-Landesstraße für den Gegenverkehr annähernd gerade erfolgte, sodaß kein Grund ersichtlich ist, warum der PKW im Gegenverkehr diese Geschwindigkeit nicht auch eingehalten haben soll. Der Rechtsmittelwerber hätte demnach bereits zu diesem Zeitpunkt wegen der für ihn bereits sichtbar gewesenen Annäherung des Gegenverkehrs einen Überholvorgang nicht mehr einleiten dürfen, zumal er dessen mögliche Gefährdung und Behinderung tatsächlich nicht auszuschließen vermochte.

Unabhängig davon ist das Fahrverhalten des Lenkers des ersten Kolonnenfahrzeuges zu sehen. Aufgrund des Fahrverhaltens dieses Lenkers beschleunigte die Kolonne außerhalb des Ortsgebietes S lediglich auf 60 km/h, obwohl dort ohne weiteres eine höhere Geschwindigkeit gefahren werden kann. Da für die nachfolgenden Fahrzeuge nicht ersichtlich war, aus welchem Grund das erste Kolonnenfahrzeug nicht beschleunigt wurde, war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls von einer unklaren Verkehrssituation auszugehen, aus der der Rechtsmittelwerber keineswegs den Schluß ziehen durfte, daß die Kolonne diese Geschwindigkeit beibehalten würde, bis er sein Überholmanöver beendet hätte. Er durfte auch keineswegs darauf vertrauen, daß sich die Kolonnengeschwindigkeit weder nach oben noch nach unten ändern würde und auch nicht darauf, daß die Sicherheitsabstände innerhalb der Kolonne sich nicht verändern würden, sodaß ihm möglicherweise ein Abbrechen des Überholmanövers und Einordnen innerhalb der Kolonne ohne Gefährdung und Behinderung der in der Kolonne befindlichen Verkehrsteilnehmer möglich sein würde. Wenn der Rechtsmittelwerber nun als Grund für das sogar aus seiner Sicht nur knapp beendetes Überholmanöver angibt, daß letztlich der Lenker des ersten Kolonnenfahrzeuges es zu verantworten habe, daß er das Überholmanöver nur beenden habe können, weil der Gegenverkehr fast bis zum Stillstand abgebremst habe, so ist dem schon deshalb nichts abzugewinnen, weil er aus den angeführten Gründen nicht darauf vertrauen durfte, daß die anderen Lenker der in der Kolonne befindlichen Fahrzeuge entsprechend mitwirken würden, um ihm ein gefahrloses Beenden seines Überholmanövers zu ermöglichen.

Die geltend gemachte "Notwehrsituation" vermag der unabhängige Verwaltungssenat nicht zu erblicken. Der Zeuge J S hatte bereits am Vorabend bei einem Mopedunfall eine Verletzung des linken Ellbogengelenkes erlitten und klagte am Vorfallstag über Schmerzen, die im Krankenhaus R abgeklärt werden sollten. Es war somit weder eine Erste-Hilfe-Leistung erforderlich, da seit dem Unfall die Nacht und zumindest ein halber Vormittag vergangen waren, und schon gar nicht ist eine Notstandssituation iSd § 6 VStG darin zu erblicken. Für die Einleitung und Durchführung des oben beschriebenen Überholvorgangs, um den Zeugen S schneller ins Krankenhaus bringen zu können, bestand kein Grund, weil im Zustand des Zeugen keine unmittelbar drohende Gefahr für dessen Leben oder Gesundheit, die es abzuwenden gegolten hätte, zu finden ist. Ein Rechtfertigungsgrund ist dem Rechtsmittelwerber diesbezüglich nicht zuzugestehen. Fest steht jedoch, daß der Rechtsmittelwerber bereits bei Beginn des Überholmanövers aufgrund der Nähe des im Gegenverkehr aus Richtung R ankommenden PKW nicht ausschließen konnte, daß er den Lenker dieses PKW und eventuelle weitere Fahrzeuginsassen behindern oder gefährden würde, und aufgrund des knappen Einordnens des Beschuldigtenfahrzeuges nach dem Überholvorgang war der Lenker dieses entgegenkommenden PKW gezwungen, diesen fast bis zum Stillstand abzubremsen, sodaß von einer tatsächlich erfolgten Behinderung und Gefährdung im gegenständlichen Fall - und zwar auch der Insassen des ersten Kolonnenfahrzeuges, das durch das knappe Wiedereinordnen des BeschuldigenPKW zum unvorhergesehenen Abbremsen genötigt war - auszugehen ist. Für den unabhängigen Verwaltungssenat steht daher fest, daß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand - mit der aufgrund der Bestimmungen des § 44a Z1 VStG vorzunehmenden geringfügigen Korrektur auf der Grundlage des Tatvorwurfs in der Strafverfügung vom 19. März 1997 - erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die von der Erstinstanz verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung als auch den finanziellen Verhältnissen des Rechtsmittelwerbers angemessen ist. Mangels entsprechender Mitteilung durch den Rechtsmittelwerber geht der unabhängige Verwaltungssenat hiebei vom durchschnittlichen Einkommen eines Kraftfahrers von etwa 12.000 S netto monatlich sowie der Sorgepflicht für die Ehegattin und dem Nichtbestehen von Vermögen aus. Mildernd war kein Umstand, da der Rechtsmittelwerber wegen einer aus dem Jahr 1995 stammenden Vormerkung nicht verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist. Auch der geltend gemachte Milderungsgrund gemäß § 34 Abs.1 Z11 StGB kann nicht erblickt werden. Erschwerend war hingegen, daß der Rechtsmittelwerber den entgegenkommenden PKW-Lenker ebenso wie den Lenker des ersten Kolonnenfahrzeuges und eventuelle weitere Fahrzeuginsassen tatsächlich behindert und gefährdet und damit einen Erfolg herbeigeführt hat, der über das Tatbild des § 16 Abs.1 1. Alt. StVO 1960 hinausgeht. Die verhängte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens (§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis zu 10.000 S bzw bis zu zwei Wochen EFS vor), wobei weder die Voraussetzungen des § 20 noch die des § 21 VStG vorliegen, zumal in der oben dargelegten Verkehrssituation keineswegs ein geringfügiges Verschulden, wohl aber eine tatsächlich eingetretene Behinderung und Gefährdung als Folge des inkriminierten Verhaltens zu erblicken ist, und auch die Abwägung der (fehlenden) Milderungsgründe mit dem (nicht unerheblichen) straferschwerenden Umstand nicht zugunsten des Rechtsmittelwerbers ausschlägt. Die verhängte Strafe ist auch im Hinblick auf general- sowie vor allem spezialpräventive Überlegungen geradezu geboten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Bissenberger Beschlagwortung: Beweisverfahren ergab Erkennbarkeit des Gegenverkehrs bei Beginn des Überholmanövers; Wiedereinordnen unter Gefährdung und Behinderung des Gegenverkehrs und des ersten überholten PKW = Erschwerungsgrund -> Bestätigung.

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