Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-106967/2/SR/Ri

Linz, 08.05.2000

VwSen-106967/2/SR/Ri Linz, am 8. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des E K, W, K, vertreten durch RA Dr. B, S, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von S vom 30. März 2000, Zl. VerkR96-636-1999 wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2 und § 51e Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie lenkten am 17.1.1999 gegen 15.00 Uhr den PKW mit Kennzeichen S im Ortsgebiet K auf der K Bezirksstraße ca. auf Höhe km, wobei Sie als Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug nicht Platz machten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 26 Abs. 5 1. Satz StVO 1960, i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie gem. § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

S 500,--

Falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von: 10 Stunden

Ferner haben Sie gem. § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen:

Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens: S 50,--

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 550,00 Schilling (entspricht 39,97 Euro)."

2. Gegen dieses am 4. April 2000 ihrem Vertreter zu eigenen Handen zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14. April 2000 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz persönlich eingebrachte Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass der Bw das bezeichnete Fahrzeug zur Tatzeit im Ortsgebiet K auf der K Bezirksstraße gelenkt und auf Höhe km einem herannahenden Einsatzfahrzeug nicht Platz gemacht hat.

2.2. Dagegen wendet der Bw unter anderem ein, dass § 26 Abs.5 StVO nur dann zur Anwendung gelangt, wenn der Verkehrsteilnehmer für das Einsatzfahrzeug ein Hindernis darstellt.

Die Bezirkshauptmannschaft S hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und auf die Teilnahme einer allfälligen mündlichen Verhandlung verzichtet; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende entscheidungsrelevante Sachverhalt:

In der Anzeige vom 29. Jänner 1999 führt der Beamte aus, dass er dem Fahrzeug des Bw gefolgt ist und sich auf der Höhe der Pfarrkirche K hinter dessem Fahrzeug befunden hat. Bei Strkm hat der Beamte am Dienstfahrzeug das Blaulicht eingeschaltet, um den Bw anzuhalten. Da der Bw das Blaulicht bis Strkm ignoriert hatte, wurde vom Beamten zusätzlich das Folgetonhorn eingeschaltet und die Nachfahrt bis Strkm (Wohnhaus des Bw) vorgenommen. Auf der Höhe des Hauses des Bw hat dieser das Fahrzeug abrupt abgebremst und ist abschließend in die Hauseinfahrt eingebogen.

Über Aufforderung gibt der Anzeiger in der Stellungnahme am 28. September 1999 an, dass im Zuge der Nachfahrt auf der K Straße bis zu Km ein Überholen auf Grund der Streckenbeschaffenheit bzw des Verkehrsaufkommens nicht möglich war. Der Bw hätte jedoch in diesem Bereich die Möglichkeit gehabt, dem Einsatzfahrzeug Platz zu machen. Nach Km wurde von einer Anhaltung Abstand genommen und es wurde auch nicht mehr versucht zu überholen, da angenommen wurde, dass der Bw zum Wohnhaus zufahren würden.

Aus dem Aktenvermerk vom 21. Jänner 2000 ergibt sich, dass der Amtssachverständige für Verkehrstechnik erhoben hat, dass die K Straße im gesamten gegenständlichen Bereich durchgehend eine Fahrbahnbreite von 6 m aufweist. Unmittelbar nach dem Gebäude des S-Marktes K ist die K Straße geradlinig geführt und in diesem Bereich wäre ein Platzmachen durch Anhalten am rechten Fahrbahnrand jederzeit möglich gewesen. Sodann folgt eine unübersichtliche Linkskurve, für welche ein derartiges Platzmachen nicht möglich gewesen wäre. Ca. 50 m nach dieser Kurve erfolgt die Kreuzung mit der S Straße, von der die K Straße nach einem kurzen Stück von ca. 30 m wiederum nach links (nunmehr in Fahrtrichtung St. R) abzweigt. Nach dieser durchfahrenen Links-Rechts-Kurvenkombination wäre ein Platzmachen durch Anhalten ab Strkm. bis durchgehend Strkm. jederzeit möglich gewesen. Im bezeichneten Aktenvermerk ist abschließend angeführt, dass ein Platzmachen durch Anhalten auf der in der Anzeige angegebenen Fahrtstrecke einerseits 150 m unmittelbar nach dem Gebäude des S-Marktes K möglich gewesen wäre und sodann in weiterer Folge ab Strkm. auf der K Straße.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die Unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit einer Geldstrafe in Höhe von 500 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen. Gemäß § 51e VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Entsprechend der gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Ziffer 25 StVO versteht man unter einem Einsatzfahrzeug ein Fahrzeug, das auf Grund kraftfahrrechtlicher Vorschriften als Warnzeichen (§ 22) blaues Licht und Schallzeichen mit Aufeinanderfolge von verschieden hohen Tönen führt, für die Dauer der Verwendung eines dieser Signale.

Das Gebot des § 26 Abs. 5 StVO wonach alle Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen haben, kann in sinnvoller Auslegung nur dann in Betracht kommen, wenn nach dem vorhersehbaren Fortbewegungsweg die anderen Verkehrsteilnehmer für den bevorzugten Straßenbenützer ein Hindernis bilden könnten (siehe auch ZVR 1974/1).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24.4.1978, Zahl 2391/77 ausgeführt, dass alle anderen Straßenbenützer gegenüber einem herannahenden Einsatzfahrzeug bestimmte Pflichten haben. Unter anderem dazu, dass mit dem Fahrzeug anzuhalten ist, wenn anders ein Vorbeifahren des Einsatzfahrzeuges nicht möglich sein sollte (Verwaltungsgerichtshof vom 5.6.1991, Zl. 91/18/0052).

Dem Ermittlungsergebnis der Behörde erster Instanz ist zu entnehmen, dass der Bw ein Anhalten auf Höhe Strkm (laut AV vom 21. Jänner 2000 - 150 m unmittelbar nach dem Gebäude des Smarktes K) und in weiterer Folge ab Strkm möglich gewesen wäre. Unverständlicherweise wurde dem Bw aber angelastet, nicht bei Strkm Platz gemacht zu haben. An letzterer Stelle wäre aber laut Angaben des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik ein Platzmachen nicht möglich gewesen. Der Bw kann somit die ihm von der Behörde erster Instanz angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen haben.

Unabhängig von der mangelhaften Anlastung scheint die Behörde erster Instanz die Rechtslage zu verkennen. Die oben zitierte Judikatur verdeutlicht, dass alle Straßenbenützer einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen haben, wenn diese für den bevorzugten Straßenbenützer ein Hindernis bilden. Den eindeutigen Angaben in der Anzeige ist zu entnehmen, dass der Beamte nur durch Nachfahren mit eingeschaltetem Blaulicht den Bw zum "Anhalten" veranlassen wollte. Diesem Aktenteil kann nicht entnommen werden, dass der Beamte das Fahrzeug des Bw überholen hätte wollen. Es wurden auch keine Ausführungen getätigt, denen entnommen werden kann, ob der Bw sein Fahrzeug verlangsamt oder beschleunigt hat, ob er am äußerst rechten Fahrbahnrand gefahren ist oder wie sich die Verkehrslage für den Beamten dargestellt hat. Aus § 26 Abs.5 StVO kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Bw auch dann anzuhalten hat, wenn der bevorzugte Straßenbenützer erkennbar nicht überholen will. Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nur ein Einsatzfahrzeug, dessen Lenker verkehrsbedingt nicht überholt, als herannahend zu qualifizieren (3.11.1977, 1806/76). Da aus der Anzeige ersichtlich ist, dass der Anzeiger ursprünglich nicht überholen sondern den Bw nur durch Nachfahren anhalten wollte, kann nicht auf ein "Herannahen" geschlossen werden.

Erst in der äußerst kurz gefassten Stellungnahme vom 28. September 1999 wird allgemein gehalten ausgeführt, dass ein "Überholen aufgrund der Streckenbeschaffenheit bzw. des Verkehrsaufkommens nicht möglich gewesen ist". Wo ein Überholen und somit auch ein Platzmachen aufgrund der Streckenbeschaffenheit nicht möglich gewesen ist, lässt sich daraus nicht erkennen. Auf die weiteren Widersprüchlichkeiten dieser "Stellungnahme" zu den Ausführungen des Amtssachverständigen wird nicht gesondert hingewiesen.

Gesamt betrachtet mangelt es der Anzeige des Beamten an einer glaubwürdigen Darlegung des Sachverhaltes. Abgesehen von der Sache im Sinne des Berufungsgegenstandes zeigt die Darstellung unter "lit. b Beweismittel" der Anzeige ein recht subjektives Bild des Meldungslegers. Einerseits fährt er unter Verwendung des Blaulichts weiter hinter dem Bw her, versucht diesen nicht mehr zu überholen bzw. anzuhalten, da er annimmt, dass der Bw zu seinem Wohnhaus zufahren wird, und andererseits kommt es vor dem Wohnhaus des Bw beinahe zu einem Auffahrunfall durch den Beamten, weil der Bw abrupt abgebremst hat und zu seinem Wohnhaus zufahren wollte.

§ 45 Abs.1 Z2 VStG (auszugsweise):

Die Behörde hat von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

......

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat ...

Da der Bw die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

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