Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-106977/3/Br/Bk

Linz, 09.05.2000

VwSen-106977/3/Br/Bk Linz, am 9. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 29. März 2000, Zl: VerkR96-5475-1999-OJ/HA, wegen mehrfacher Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht:

  1. Der Berufung wird in den Punkten 1., 2. und 3. keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich vollinhaltlich bestätigt;

in den Punkten 4. und 5. wird der Berufung Folge gegeben und das Straferkenntnis nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;

in den Punkten 6. und 7. wird das Straferkenntnis lediglich aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Z1 und Abs.3 Z1 und 3 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. In den Punkten 1. bis 3. werden zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten dem Berufungswerber als Kosten für das Berufungsverfahren 180 S (20% der bestätigten Geldstrafen [entspricht 13,08 €]) auferlegt.

Darüber hinaus entfallen Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 und § 66 Abs.1VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Erstbehörde hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen sieben Übertretungen nach § 134 Abs.1 KFG iVm der VO (EWG) 3820/85 Geldstrafen von dreimal 300 S, zweimal 3.000 S, einmal 5.000 S und einmal 10.000 S, sowie im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen im Ausmaß von dreimal 12, zweimal 72, einmal 120 und einmal 240 Stunden verhängt.

Nachfolgendes Tatverhalten wurde ihm zur Last gelegt:

"Sie haben am 22.10.1999 um ca. 17.55 Uhr das Sattelkraftfahrzeug, Kennzeichen und , welches ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t betrug, auf der Rohrbacher-Bundesstraße B 127 in Richtung Rohrbach bis Str.km 22,4 gelenkt, wobei festgestellt wurde, daß Sie

1) am Fahrzeug keine Aufschriften über den Zulassungsbesitzer

2) am Fahrzeug keine Aufschriften über die Achslasten angebracht hatten,

3) dabei auf der Fahrt von Ottensheim bis Gerling ohne Freisprechanlage telefoniert,

4) die Schaublättter der laufenden Kalenderwoche und das Schaublatt des letzten Lenktages der Vorwoche nicht mitgeführt bzw. dem Kontrollbeamten nicht ausgehändigt,

5) das Schaublatt unbegründet vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit dem Kontrollgerät entnommen und mehr als ein Schaublatt pro täglicher Arbeitszeit im Kontrollgerät eingelegt und zwar am 20.10.1999 (3 Schaublätter) und am 21.10.1999 (2 Schaublätter),

6) in der Zeit vom 18.10.1999 bis 22.10.1999 keine Ruhezeiten von 9 Stunden innerhalb von 24 Stunden eingelegt und

7) in der Zeit vom 18.10.19999 bis 2.10.1999 betrug die Tageslenkzeit mehr als 9 Stunden, da die Lenkzeit in diesem Zeitraum 57 Stunden betrug".

2. Begründend stützte die Erstbehörde ihre Entscheidung auf die Wahrnehmung des Meldungslegers und erachtete die Übertretung auf Grund der vorliegenden Fahrtenschreiber-Schaublätter als erwiesen.

Zur Begründung des Strafausmaßes wies die Behörde erster Instanz auf das Ausmaß der Fahrzeitüberschreitung hin. Sie erachtete diesen Umstand als straferschwerend und hielt mit Blick darauf die verhängten Geldstrafen als tat- und schuldangemessen.

2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung. Darin führt er wie folgt aus:

"In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache gibt der Beschuldigte bekannt, daß er Herrn D, Rechtsanwalt, K, mit seiner Vertretung beauftragt und ihm Vollmacht erteilt hat. Der Anwalt beruft sich auf die erteilte Vollmacht und begehrt sämtliche Zustellungen zu seinen Handen.

Der Beschuldigte erhebt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, VerkR96-5475-1999-0J/HA, vom 29.3.2000, zugestellt durch Hinterlegung am 6.4.2000, binnen offener Frist

B e r u f u n g

an den Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich.

Das Straferkenntnis wird zur Gänze angefochten.

1.) Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, er hätte am Fahrzeug keine Aufschriften über den Zulassungsbesitzer angebracht und habe dadurch gegen § 103 Abs 5 KFG verstoßen.

Nach ständiger Rechtsprechung kann die Unkenntnis eines Gesetzes dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (12.3.1969, VwSIg 7528 A uva). Gerade dies trifft aber auf den Beschuldigten zu. Es handelt sich bei dem Beschuldigten um einen Frächter, der ein Unternehmen in sehr bescheidenem Ausmaß betreibt, da er lediglich über zwei Leasingfahrzeuge verfügt, wobei er eines dieser Fahrzeuge selbst lenkt. Darüber hinaus hat der Beschuldigte sämtliche Verwaltungsaufgaben im Rahmen seines Unternehmens selbst zu erledigen und ist er insbesondere mit ständig wechselnden Rechtsvorschriften im Rahmen der Gesetzgebung der Europäischen Union konfrontiert. Dazu gehören insbesondere auch die Verordnungen der Europäischen Union Nr. 3820/85 und Nr. 3821/85, wobei die Verordnung Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr mit Verordnung Nr. 2135/98 vom 24.9.1998 geändert und eine Richtlinie 88/599/EWG über die Anwendung der Verordnungen Nr. 3820/85 und Nr. 3821/85 erlassen wurde. Allein der Text der Verordnung Nr. 2135/98 gemeinsam mit der Richtlinie 88/599/EWG ist 21 DIN A-4 Seiten lang und selbst für den ständig mit Verkehrsrechtsangelegenheiten betrauten Juristen nicht immer leicht verständlich formuliert. Zur Problematik des Zuganges zu den EU-Verordnungen und deren Verständlichkeit wird weiter unten noch näheres auszufahren sein.

Es liegt geradezu auf der Hand, daß die Unkenntnis der Bestimmung des § 103 Abs 5 KFG durch den Beschuldigten deswegen unverschuldet ist, da in Anbetracht der EU-Verordnungs- und Richtlinienflut auf Grundlage der nach den Verhältnissen des Beschuldigten erforderlichen Sorgfalt eine nähere Befassung mit Detailvorschriften des KFG dem Beschuldigten nicht zumutbar war. Sollte die Berufungsbehörde dennoch der Ansicht sein, die Unkenntnis der Bestimmung des § 103 Abs 5 KFG durch den Berufungswerber sei verschuldet, so liegt ein Sachverhalt vor, der die Anwendung des § 21 VStG rechtfertigt. Dazu wird auf die Ausführungen weiter unten verwiesen.

2.) Das eben Ausgeführte gilt ebenso für die angebliche Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs 1 iVm § 27 Abs 2 KFG. Ebenso wie das Unterlassen der Aufbringung von Aufschriften über den Zulassungsbesitzer hat auch das Unterlassen des Anbringens der Aufschriften über die Achslasten eigentlich keine Folge nach sich gezogen. Dazu kommt, daß Grund für die Unterlassung auch hier die nach Ansicht des Berufungswerbers unverschuldete Nichtkenntnis der Vorschrift des § 102 KFG war.

3.) Dem Berufungswerber wird weiters vorgeworfen, er hätte die Schaublätter der laufenden Kalenderwoche sowie das Schaublatt des letzten Lenktages der Vorwoche nicht mitgeführt bzw den Kontrollbeamten nicht ausgehändigt, er hätte unbegründet das Schaublatt vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit dem Kontrollgerät entnommen und mehr als ein Schaublatt pro täglicher Arbeitszeit im Kontrollgerät eingelegt, er hätte keine Ruhezeiten von neun Stunden innerhalb von 24 Stunden eingehalten und es habe in der Zeit vom 18.10.1999 bis 2.10.1999 die Tageslenkzeit mehr als neun Stunden betragen.

Gemäß § 134 Abs 2 KFG ist eine Zuwiderhandlung gegen die in § 134 Abs 1 KFG angeführten Vorschriften nicht als Verwaltungsübertretung zu ahnden, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Diese Bestimmung ist ein einfachgesetzlicher Ausfluß des verfassungsrechtlich normierten Doppelbestrafungsverbotes. Gegen den Beschuldigten ist zu 9 U 31/00 b des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung ein Verfahren wegen Beweismittelfälschung und Unterdrückung eines Beweismittels anhängig. Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens sind die Punkte 4 und 5 des hier bekämpften Straferkenntnisses aber auch die Punkte 6 und 7, wobei es hier um die Überschreitung der Tageslenkzeit geht. Da diese Tatvorwürfe in den Zuständigkeitsbereich der Gerichte fallen, ist die Verwaltungsbehörde zur Ahndung zumindest in diesem Umfang unzuständig und der bekämpfte Bescheid jedenfalls in diesem Punkt als rechtswidrig aufzuheben.

4.) Darüber hinaus wird dem Beschuldigten in Punkt 5) des Straferkenntnises der Vorwurf gemacht, er hätte das Schaublatt unbegründet vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit dem Kontrollgerät entnommen und mehr als ein Schaublatt pro täglicher Arbeitszeit im Kontrollgerät eingelegt. Nach neuester Rechtsprechung des VwGH darf das Einlegen eines neues Schaublattes innerhalb der täglichen Arbeitszeit nach der Entnahme des Schaublattes nicht zusätzlich zur Bestrafung wegen der vorzeitigen Entnahme dieses Schaublattes geahndet werden, da dieser Sachverhalt, also das Einlegen der Tachoscheibe von der Bestrafung wegen vorzeitiger Entnahme konsumiert wird (VwGH vom 21.4.1999, 98/03/0356 = ÖJZ 2.000, 314). Es ist daher das neuerliche Einlegen von Schaublättern dem Beschuldigten nicht vorzuwerfen und ist das Straferkenntnis in diesem Umfang aufzuheben.

5.) Darüber hinaus ist hinsichtlich der Punkte 4) und 5) des bekämpften Straferkenntnisses auf obige Ausführungen zur Komplexität der Rechtslage zu verweisen. Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist die EWG-Verordnung 3821/85 anzuwenden, die zuletzt mit Verordnung Nr. 2135/98 geändert wurde. Darüber hinaus wurde die Richtlinie 88/599/EWG über die Anwendung der Verordnungen Nr. 3820/85 und Nr. 3821/85 erlassen. Abgesehen davon, daß der Zugang zu diesen teilweisen unmittelbar anwendbaren Normen des Rates der Europäischen Union für nicht ständig mit dieser Materie befaßte Personen schwierig ist, da die Verordnungen ja nicht im BGBl abgedruckt sind, das Amtsblatt der Europäischen Union aber nicht leicht einsehbar ist, ist es einem Kleinunternehmer, der laufend selbst einen LKW lenken muß, nicht möglich und zumutbar, die diesbezüglich detaillierten Regelungen unter Berücksichtigung der laufenden Änderungen ständig in Erfahrung zu bringen und richtig auszulegen. Es ist dem Beschuldigten daher nicht vorzuwerfen, daß er die einschlägigen Regelungen nicht kennt und diesen daher zuwiderhandelt. Bereits aus diesem Grund ist der bekämpfte Bescheid rechtswidrig.

6.) Gemäß Art 15 Abs 7 der VO Nr. 3821/85 muß der Fahrer dem zuständigen Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit das Schaublatt für die laufende Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist, vorlegen können. Die Verordnung zielt hier also auf eine Möglichkeit des Lenkers, die entsprechenden Tachoscheiben vorzulegen, ab. Entgegen der rechtsirrigen Ansicht der erstinstanzlichen Behörde wird aber nicht eine Pflicht zur Vorlage der Scheiben normiert. Der Umstand, daß die Tachoscheiben mitgeführt wurde, ergibt sich schon daraus, daß diese im Rahmen der im Zuge der gerichtlichen Vorerhebung durchgeführten Hausdurchsuchung vorgefunden wurden. Da der Beschuldigte somit jeder Zeit die Möglichkeit hatte, die Tachoscheiben vorzulegen, liegt ein Verstoß gegen Art 15 Abs 7 der zitierten Bestimmung nicht vor. Der Beschuldigte hätte die Schaublätter jederzeit vorlegen können, nur das wird aber von der Verordnung 3821/85 gefordert.

Nach der Rechtsprechung gilt Art 90 Abs 2 B-VG, der für das Strafverfahren den Grundsatz des Anklageprozesses normiert, auch im Verwaltungsstrafverfahren (VfSlg 5235, 5295, 9950, 11.829, 11.923). Da nach dem VfGH aus dem Anklageprinzip ein verfassungsrechtliches Verbot der Selbstbezichtigung abzuleiten ist, darf der Gesetzgeber keine Regelungen treffen, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichten, Beweise gegen sich selbst zu liefern (VfSlg 9950, 11.829, 12.454). Wenn im bekämpften Bescheid in Punkt 4) dem Beschuldigten der Vorwurf gemacht wird, er hätte die Tachoscheiben der laufenden Kalenderwoche dem Kontrollbeamten nicht ausgehändigt, so ist über den Umstand hinaus, daß dies von der angeführten Gesetzesstellen, nämlich Art 15 Abs 7 der EWG-Verordnung 3821/85 gar nicht gefordert wird (siehe dazu die obigen Ausführungen), dies verfassungswidrig, da man dem Beschuldigten für den Fall der Annahme einer solchen Verpflichtung zur Selbstbezichtigung zwingen würde.

7.) Die zu den Punkten 4) und 5) des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Argumente gelten grundsätzlich auch für die Punkte 6) und 7), wobei es hier um Nichteinhalten von Ruhezeiten bzw Überschreitung der Tageslenkzeit geht. Auch die erstinstanzliche Behörde übersieht, daß nach Art 6 Abs1 der Verordnung 3820/85 die Gesamtlenkzeit zumindest zweimal pro Woche auf zehn Stunden verlängert werden darf. Der Vorwurf der erstinstanzlichen Behörde, wonach in der Zeit vom 18.10.1999 bis 2.10.1999 die Tageslenkzeit mehr als neun Stunden überschritten habe, begründet auch dann keine Rechtswidrigkeit, wenn man zugunsten der Behörde von einem Schreibfehler ausgeht und statt 2.10.1999 den 20.10.1999 annimmt. Wie bereits erwähnt, ist nämlich eine Verlängerung dieser Tageslenkzeit möglich und der Vorwurf der erstinstanzlichen Behörde daher nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus ist auch hier die Rechtslage komplex geregelt und liegt ein nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum seitens des Beschuldigten vor. Nach allgemeiner Strafrechtsdogmatik handelt es sich hier um einen Schuldausschließungsgrund (Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, AT Rz 16 zu Z 18) und kann der Beschuldigte daher mangels Verschuldens nicht bestraft werden.

8.) Nach ständiger Rechtsprechung kann unter Notstand im Sinn des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muß sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (VwGH vom 27.5.1987, 87/03/0112; VwGH vom 27.6.1990, 89/03/0293 uva). Wirtschaftliche Nachteile begründen dann Notstand im Sinn des § 6 VStG, wenn sie die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedrohen (VwGH vom 26.5.1987, 86/17/0016; VwGH vom 15.6.1992, 91/10/0249; VwGH vom 17.9.1982, 90/19/0463 uva). Bereits bei seiner Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach am 3.1.2000 hat der Beschuldigte angegeben, er sei auf Grund seiner prekären finanziellen Lage zur Überschreitung der genannten Verwaltungsnormen gedrängt worden. Zu seiner Einkommens- und Vermögenslage gab er an, er habe S 900.000,-- Schulden bei der Bank und sei für eine Gattin und zwei Kinder sorgepflichtig. Nähere Umstände zur Vermögenssituation und zu den Gründen für die Verschuldung des Beschuldigten wurden nicht erhoben, dies wird ausdrücklich als Verfahrensmangel gerügt, der den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Gerade hier liegt ein Fall vor, in dem die Lebensmöglichkeit des Beschuldigten und seiner Familie selbst unmittelbar bedroht gewesen wäre, hätte er nicht die vorgeschriebenen Ruhe- und Tageslenkzeiten unter- bzw überschritten. Um die mit seinen Kreditverbindlichkeiten verbundene Zinsbelastung bewältigen zu können, mußte der Beschuldigte, dem es auf Grund seiner prekären finanziellen Situation nicht möglich war, einen LKW-Lenker zu beschäftigen, überdurchschnittlich viele LKW-Fahrten durchführen, um ein entsprechendes Einkommen zu erzielen. Wie bereits erwähnt, geschah dies aber nicht etwa aus Gewinnoptimierungsgründen, sondern allein deswegen, um die wirtschaftliche Existenz der Familie sichern zu können. Dies stellt geradezu den klassischen Fall eines wirtschaftlichen Notstandes und somit eines Entschuldigungsgrundes dar, da der Beschuldigte einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung sich und andere aus einer schweren unmittelbaren Gefahr retten konnte. Diese Gefahr konnte zumutbarerweise nicht anders als durch Begehung der objektiv strafbaren Handlung behoben werden und war diese wirtschaftliche Zwangslage auch nicht selbst verschuldet (in diesem Sinn VwGH vom 17.6.1987, 85/01/0172; VwGH vom 17.9.1992, 90/19/0463; VwGH vom 2.12.1993, 93/09/0186 uva).

Zur Strafbemessung:

Im Rahmen der Strafbemessung geht die erstinstanzliche Behörde davon aus, daß mildernde Umstände nicht vorlägen, erschwerend hingegen die gravierenden Über- bzw. Unterschreitungen zu werten seien.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe - soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen - gegeneinander abzuwägen. Die Milderungs- und Erschwerungsgründe sind so wie im StGB auch im VStG nicht taxativ aufgezählt. Die schon von der früheren Rechtsprechung gehandhabte Praxis, auf die Strafzumessungsgründe des StGB zurückzugreifen, hat in § 19 Abs 2 VStG ihre gesetzliche Grundlage (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 840 Rz 3).

Gemäß § 34 Abs 1 Ziff 2 StGB ist ein Milderungsgrund insbesondere, wenn der Täter bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht. Der Beschuldigte hat in seiner bereits einmal angesprochenen Vernehmung vom 3.1.2000 vor der BH Rohrbach auf seine Unbescholtenheit verwiesen. Dieser Umstand hätte von der erstinstanzlichen Behörde mildernd berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus sieht § 34 Abs 1 Ziff 10 StGB als Milderungsgrund den Umstand vor, daß der Täter durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückführende drückende Notlage zur Tat bestimmt wurde. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zum entschuldigenden Notstand gemäß § 6 VStG verwiesen. Sollte die Berufungsbehörde wider Erwarten nicht zur Annahme des entschuldigenden Notstandes gelangen, so ist dieser Umstand zumindest im Rahmen der Strafbemessung als mildernd zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch auf den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Ziff 12 StGB zu verweisen, wonach es ein Milderungsgrund ist, daß die Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum begangen wurde, insbesondere wenn der Täter wegen vorsätzlicher Begehung bestraft wird. Auch dies ist für den Fall, daß die Berufungsbehörde von einem vorwerfbaren Rechtsirrtum ausgehen sollte, im Rahmen der Strafbemessung mildernd zu berücksichtigen. Weiters haben die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten trotz Vollendung keinen Schaden herbeigeführt und ist dies als mildernd im Sinn des § 34 Abs 1 Ziff 13 StGB zu berücksichtigen.

Als weiterer und durchaus zugunsten des Beschuldigten schwerwiegendster Milderungsgrund hätte allerdings der des § 34 Abs 1 Ziff 17 StGB herangezogen werden müssen. Der Beschuldigte hat in seiner Vernehmung am 3.1.2000 vor der BH Rohrbach ein reumütiges Geständnis abgelegt: "Ich bestreite die mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht. "

Darüber hinaus wurde die Tat im Sinn des § 34 Abs. 1 Ziff 18 StGB schon vor längerer Zeit begangen und hat sich der Beschuldigte seither wohlverhalten.

Auch dies ist im Rahmen der Strafbemessung zugunsten des Beschuldigten mildernd zu berücksichtigen.

Darüber hinaus wurde von der erstinstanzlichen Behörde § 21 VStG zu Unrecht nicht angewandt. Nach dieser Bestimmung kam die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Wie bereits weiter oben umfassend dargestellt, kann nach Ansicht des Berufungswerbers von einem Verschulden überhaupt nicht die Rede sein. Bejaht die Berufungsbehörde jedoch ein Verschulden, so ist dieses insbesondere unter Berücksichtigung auf den umfassenden Rechtsirrtum des Berufungswerbers geringfügig im Sinn des § 21 VStG. Die Folgen der Übertretung sind nicht nur unbedeutend, es haben die Übertretungen keinerlei Folgen nach sich gezogen. Nach ständiger Rechtsprechung hat die Behörde hinsichtlich der Anwendung des § 21 VSTG kein Ermessen, sondern ist das Verfahren einzustellen, wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.

Es werden daher die

A n t r ä g e :

Der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich möge

1.) Der Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben; in eventu

2.) der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid aufheben und in der Sache selbst dahingehend entscheiden, daß die ausgesprochene Geldstrafe wesentlich reduziert wird;

3.) für den Fall eines Strafausspruches dem Beschuldigten Ratenzahlung gewähren.

L, am 20.4.2000 J."

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Ferner wurde im Wege des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung in Erfahrung gebracht, dass der Berufungswerber im Zusammenhang mit dieser Anzeige auch wegen des Verdachtes nach §§ 293, 295 StGB angezeigt wurde und er von diesem Gericht am 28. April 2000, GZ: 9 U 31/00 b, zu 120 Tagessätzen verurteilt wurde.

4. Da keine 10.000 S übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte hier mangels einer Bestreitung von Tatsachen bzw ausdrücklich nur auf rechtliche Erwägungen beschränktes Berufungsvorbringen, unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z1 VStG).

5. Unbestritten ist, dass der Berufungswerber in der Zeit vom 18. bis 22. Oktober 1999 den o.a. LKW-Zug während einer Zeitdauer von 57 Stunden lenkte. Wie der Anzeige des GP O GZ P 1234/99 vom 11.11.1999 entnommen werden muss, wurde die Lenkzeit von täglich jeweils neun bzw. zweimal wöchentlich zehn Stunden während des Zeitraumes vom 18. bis 22. Oktober 1999 im Umfang von zehn Stunden jedenfalls überschritten. Ob von dieser Überschreitung jeder einzelne Tag betroffen war, wurde von der Erstbehörde nicht festgestellt.

Die Schaublätter der laufenden Kalenderwoche (gemeint vom 18. bis 22. Oktober 1999) und des letzten Lenktages der Vorwoche wurden anlässlich der Anhaltung nicht mitgeführt bzw. nicht vorgewiesen. Gemäß der Anzeige wurde das Schaublatt vor dem Ende der täglichen Arbeitszeit aus dem Kontrollgerät entnommen.

Nicht näher nachvollziehbar ist jedoch der im Punkt 6. und 7. umschriebene Tatvorwurf, wonach einerseits "in der Zeit vom 18.10.1999 bis 22.10.1999 keine Ruhezeiten von 9 Stunden innerhalb von 24 Stunden eingelegt worden seien", andererseits wurde nicht aufgegliedert, in welchem Umfang die Fahrzeiten an den einzelnen Tagen überschritten wurden. Beim Datum "2."10.1999 im Punkt 7 handelt es sich offenbar um einen Schreibfehler. Als richtiges Datum wäre wohl der "22."10.1999 gemeint gewesen.

Damit ist jedenfalls nicht erkennbar, welches konkrete Verhalten in welchem Umfang bestraft werden sollte, weil einerseits in sich widersprüchlich der Zeitraum vom 18. bis 22. Oktober 1999 genannt ist, welcher jedoch im gleichen Satz wieder auf 24 Stunden eingeschränkt wurde. Da dem Wortlaut des Art. 6 der VO (EWG) 8320/85 als Tageslenkzeit jeweils die Gesamtlenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten in Betracht zu ziehen ist, ist die Überschreitung an mehreren Tagen jeweils als Einzeldelikt zu werten, deren objektiver Tatunwertgehalt je nach dem Ausmaß der Überschreitung zu beurteilen ist.

Sowohl der Meldungsleger als auch die Behörde nahmen offenbar davon Abstand an Hand der Schaublätter die tatsächlichen Fahr- bzw. Ruhezeiten an den fraglichen Tagen aufzugliedern.

Anlässlich dieser Amtshandlung durch die Gendarmerie ergab sich der Verdacht der Verfälschung der "Tachographenscheiben" durch den Berufungswerber betreffend der Fahrten mit dem von ihm gehaltenen und auch gelenkten LKW-Zug. Vom LG Linz wurde am 25. Oktober 1999 unter 16 Ns 140/99 eine Hausdurchsuchung angeordnet.

Gegen den Berufungswerber wurde im Zusammenhang mit seinem Umgang mit den Schaublättern der im untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit den darauf aufgezeichneten Fahr- und Ruhezeiten steht, am 28. November 1999 wegen Verdacht nach § 293 und § 295 StGB eine Anzeige an den Bezirksanwalt beim Strafbezirksgericht Urfahr-Umgebung erstattet. In dieser Anzeige war als Zeitraum jedoch nur der 19., 20., 21. u. 22. Oktober 1999 genannt. Anlässlich einer Strafverhandlung am 28. April 2000 wurde der Berufungswerber wegen dieser Anzeige-(Anklage)punkte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.

6. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat rechtlich erwogen:

6.1. In den Punkten 1. bis 3. wurden die Tatvorwürfe einerseits inhaltlich nicht bestritten. Das Tatverhalten wurde von der Behörde erster Instanz zutreffend subsumiert, sodass diesbezüglich auf die Ausführungen im Straferkenntnis zu verweisen ist. Wenn der Berufungswerber unter Hinweis auf § 103 Abs.5 KFG zu vermeinen vorgibt, dass es geradezu auf der Hand liege auf Grund der Normenflut in diesem Regelungsbereich nicht sämtliche Normen kennen zu können und daher diese Unkenntnis unverschuldet sei, vermag ihm nicht gefolgt werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass von jedem Lenkberechtigungswerber für die Klassen C und C+E exakt die Kenntnis dieser Vorschriften betreffend die erforderlichen Aufschriften (§ 103 Abs.5 KFG und § 102 Abs.1 iVm § 27 Abs.2 KFG) aber auch hinsichtlich der Fahr- und Ruhezeiten im Rahmen der Fahrprüfung erwartet wird. Umso mehr muss daher die Kenntnis vom Halter eines solchen Fahrzeuges erwartet werden.

Als juristisch geradezu nicht nachvollziehbar muss in diesem Zusammenhang das Argument der 21 DIN A-4 Seiten umfassenden VO (EWG) 3520/85 im Verband mit einschlägigen Bestimmungen des KFG und einer darin darzutun versuchten "entschuldbaren Rechtsunkenntnis" qualifiziert werden. Würde man dieser Rechtsansicht folgen, würden sich viele Bereiche der Rechtsordnung die sehr weitgehende fachspezifische Regelungen zum Inhalt haben, als reiner Selbstzweck ad absurdum führen.

Auch konnte der Berufungswerber mit seinem Vorbringen nicht in Ansätzen dartun, wodurch es ihm an der Einhaltung dieser Vorschrift schuldbefreiend ermangelt hätte. Selbst mit dem Hinweis auf die Anwendung des § 21 VStG vermag ihm nicht gefolgt werden, weil einerseits selbst eine tatsächliche Unkenntnis dieser Vorschrift für eine dem spezifischen Verkehrskreis zuzuordnende Person (dem Berufungswerber) ein nicht bloß geringes Verschulden repräsentiert und andererseits die Folgen einer solchen Unterlassung keinesfalls bloß unbedeutend sind. Der Oö. Verwaltungssenat erblickt es als nicht unbedeutendes Schutzziel einerseits den Zulassungsbesitzer, andererseits auch die Gewichte eines Lastkraftwagens jederzeit leicht feststellen zu können. Damit scheidet die Anwendung des § 21 VStG bereits ex lege aus.

Als unzutreffend erweisen sich schließlich auch die umfassenden Vorbringen eines Notstandes im Sinne des § 6 VStG. Selbst mit der Vielzahl an Judikaturzitaten vermag hier der Berufungswerber die Überschreitung der Fahrzeiten nicht zu rechtfertigen. Insbesondere legte der Berufungswerber damit nicht dar, wodurch er mit seinen Fahrtzeiten eine unmittelbare Bedrohung seiner Lebensmöglichkeiten abgewendet hätte (VwGH 19.12.1973, 319/73 u. VwGH 26.5.1987, 86/17/0016). Unter Notstand begreift sich ein Fall von Kollision von Pflichten und Rechten, in dem jemand sich oder einem anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarer Weise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (VwGH 17.6.1987, 85/01/0172 mit Hinweis auf VwGH 25.11.1986m 86/04/0116 u.a.). Wirtschaftliche Interessen vermögen grundsätzlich keinen Notstand im Sinne des § 6 VStG begründen (vgl. VwGH 17.9.1992, 90/19/0463). Unerfindlich bleibt, worin hier der Berufungswerber in seiner Fahrzeitüberschreitung seine wirtschaftliche Existenz zu retten können glaubt, um überhaupt zur Ansicht gelangen zu können, dass die im Fachkreis als notorisch bekannt geltenden Vorschriften für ihn im Ergebnis nicht zur Anwendung gelangen sollten.

Von einer krassen Verkennung der Rechtslage kann angesichts der rechtsfreundlichen Vertretung wohl nicht ausgegangen werden.

Der Oö. Verwaltungssenat übersieht aber nicht, dass es gerade wirtschaftliche Interessen sind, die einer Einhaltung der Fahrzeiten bzw. Ruhezeiten häufig entgegenstehen. Dabei haben jedoch wirtschaftliche Interessen des Einzelnen im Rahmen der Rechtsgüterabwägung gegenüber dem öffentlichen Interesse der Verkehrssicherheit in den Hintergrund zu treten.

6.1.1. Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers wurde bereits mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2.12.1999 eine den § 44a Z1 VStG gerecht werdende, nämlich die jeweilige Gesamtlenkzeit bzw. Ruhezeit erkennen lassende und somit taugliche Verfolgungshandlung gesetzt. Die im fortzusetzenden Verfahren betreffend die Punkte 6. u. 7. allenfalls vorzunehmenden Ergänzungen bzw. Aufschlüsselungen dieser Zeiten, vermochten den Berufungswerber weder in seinen Verteidigungsrechten einzuschränken noch lief er ob der zur Aufhebung führenden Mängel Gefahr wegen einer gleichen Tat nochmals bestraft zu werden. Hinsichtlich der im Zusammenhang mit diesen Tatbildern zu stellenden Erfordernissen an die Tatumschreibung kann auf ein jüngstes Erkenntnis des VwGH verwiesen werden (VwGH 9. Februar 1999, 97/11/0165, 0166).

6.2. Im Recht ist der Berufungswerber jedoch mit seinem Hinweis auf das Verbot der Doppelbestrafung bzw. Doppelverfolgung betreffend die Punkte 4. und 5. des angefochtenen Straferkenntnisses.

Das hier im Zusammenhang mit der Verfälschung der Schaublätter (Tachographenscheiben) zum Gegenstand der strafrechtlichen Verfolgung gemachte Verhalten ist strafrechtlich unter den nachgenannten Bestimmungen subsumierbar:

Fälschung eines Beweismittels:

§ 293 StGB. (1) Wer ein falsches Beweismittel herstellt oder ein echtes Beweismittel verfälscht, ist, wenn er mit dem Vorsatz handelt, dass das Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht werde, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, wenn die Tat nicht nach den §§ 223, 224, 225 oder 230 mit Strafe bedroht ist.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer ein falsches oder verfälschtes Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht.

Unterdrückung eines Beweismittels:

§ 295 StGB. Wer ein Beweismittel, das zur Verwendung in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren bestimmt ist und über das er nicht oder nicht allein verfügen darf, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, ist, wenn er mit dem Vorsatz handelt, zu verhindern, dass das Beweismittel im Verfahren gebraucht werde, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, wenn die Tat nicht nach den §§ 229 oder 230 mit Strafe bedroht ist.

Das Regelungsziel des Art. 15 Abs.2 und Abs.7 der VO (EWG) 3821/85 liegt insbesondere in der Kontrollierbarkeit der Lenk- und Ruhezeiten betreffend den Einsatz von dem im Personen- und Güterbeförderung im Straßenverkehr in den (nunmehr EU-) Mitgliedsstaaten eingesetzten Fahrzeugen.

Mit dem Verfälschen eines diesbezüglichen Beweismittels wird daher eben diesem Schutzziel entgegengewirkt, sodass eine darauf gestützte Anklage bzw. Bestrafung so vollständig erschöpft wird, dass einerseits für ein (zusätzliches) Strafbedürfnis auch noch nach einer Verwaltungsstrafnorm kein Raum mehr bleibt bzw. andererseits im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation des Art. 4 des 7. ZPEMRK eine abermalige Bestrafung verschiedener aber im engen Konkurrenzverhältnis stehender Tatverhalten, im Sinne des Grundsatzes "ne bis in idem" zu entfallen hat (vgl. den Bericht der EKMR vom 9. April 1997, Beschwerde 22541/93, Marte/Achberger gg. Österreich, Newsletter 1997, 211 f, sowie VfGH 11.3.1998, G262/97, G328/97 mit weiteren Judikaturhinweisen).

Es scheint evident, dass das im Gerichtsverfahren zum Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung gestandene Verhalten im engen inhaltlichen Konkurrenzverhältnis steht und sich der Tatbestand der Fälschung bzw. Unterdrückung des Beweismittels mit der angeblich verweigerten Herausgabe bzw. der vorzeitigen Entnahme sowohl objektiv als auch subjektiv tatseitig weitgehend überschneidet. Mit der o.a. gerichtlichen Bestrafung wurde daher ein wesentliches auch die Verwaltungsstraftatbestände bildendes Segment - nämlich das zu verschleiern versuchte Fahrverhalten - erfasst. Der Berufungswerber wollte durch die Verfälschung der Schaublätter den Zweck der Verwaltungsvorschrift iwS als gewahrt darstellen. Der wesentliche Aspekt des Tatverhaltens, der den Gegenstand der Ahndung der Verfälschung des Beweismittels bildete, ist demnach weitgehend vom Gegenstand des Normzwecks der Verwaltungsvorschrift umfasst (Karim Giese, Newsletter 6/1997 mit Hinweis auf EGMR Gradinger/Österreich, v. 23. Oktober 1995, A/328-A u.a.). Für die Punkte 6. u. 7. (Lenkzeit- und Ruhezeitüberschreitung) ist ein mit dem Gerichtsdelikt in Konkurrenz tretendes Tatverhalten kaum anzunehmen.

Im Lichte dieser Ausführungen können Ausführungen zu den vorgebrachten Bedenken mit Blick auf die vermeintlich unzulässige Durchbrechung des Anklagegrundsatzes iSd Art. 90 Abs.2 B-VG unterbleiben.

6.2.1. Gemäß Art 6 Abs.1 der EG-Verordnung 3820/85 darf die Tageslenkzeit die genannte Gesamtanzahl zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit von 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.

Die hier verfahrensgegenständlichen Fahrten liegen innerhalb von fünf Tagen, sodass hier jedenfalls zweimal von einer zulässigen Lenkzeit von zehn Stunden auszugehen gewesen ist. Somit ist hier von einer Lenkzeitüberschreitung im fraglichen Zeitraum von zehn Stunden auszugehen.

Bei einem gänzlich undifferenzierten und einen Zeitraum von fünf Tagen umfassenden Tatvorwurf ist eine Zuordnung des jeweiligen Unwertgehaltes (im Spruchpunkt 6. und 7.) und die Basis für die Festsetzung der jeweiligen Einzelstrafe nicht gewährleistet.

Nach dem sich aus § 22 VStG ergebenden Kumulationsprinzip sind bei Vorliegen einer Mehrheit von Verwaltungsübertretungen mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen. Die Verhängung einer Gesamtstrafe für alle oder mehrere Übertretungen ist rechtswidrig (VwGH 28.10.1993, 91/19/0134 mit Hinweis auf VwGH 30.4.1987, 86/09/0088).

Da sich jedenfalls dem erstinstanzlichen Straferkenntnis nicht entnehmen lässt (auch nicht in Verbindung mit seiner Begründung), wie die verhängten Gesamtstrafen (5.000 bzw. S 10.000) auf die zur Last gelegten beiden Verwaltungsübertretungen aufzuteilen sind und sich diese Zeiten wohl auch voneinander unterscheiden (sodass eine Aliquotaufteilung der Gesamtstrafe schon aus diesem Grund fraglich wäre), gibt es - ohne Vorwegnahme einer Beurteilung die von der Erstinstanz zu leisten ist - keinen Maßstab an Hand dessen die Einzelstrafen festzulegen wären. Diese Fehlleistung der Behörde erster Instanz kann von der Berufungsbehörde ohne Eingriff in die Kompetenz der Erstbehörde nicht saniert werden (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Daher war der Schuldausspruch ersatzlos aufzuheben, ohne jedoch gleichzeitig in diesen Punkten das Verfahren auch einzustellen.

Der Oö. Verwaltungssenat hat bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. schon VwSen-102696 v. 10.3.95 = ZUV 1995/1/25; s.a. VwSen-130182 v. 17. April 1997 und VwSen-390072 v. 13.Oktober 1998), dass substanzielle Mängel des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens - die hier jedenfalls im Unterbleiben der Auswertung der Schaublätter zu erblicken sind - vom Tribunal das nach Art. 129 B-VG von Verfassungs wegen nicht als ein Verwaltungsorgan, sondern als ein Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle eingerichtet ist, weshalb die gleichzeitige Ausübung der richterlichen und anklagenden Funktion durch diesen mit seiner verfassungsmäßigen Aufgabenstellung unvereinbar wäre, nicht so umfangreich substituiert werden.

6.2.2. Es kann daher an dieser Stelle dahingestellt bleiben, inwieweit sich die Schutznormen der Einhaltung der Ruhezeiten nach Art. 8 der VO 3820/85 mit der erfolgten Bestrafung wegen der Lenkzeitüberschreitung - die hier vom Unternehmer selbst gesetzt wurde - an sich überschneiden und gemäß dem Doppelbestrafungsverbot überhaupt ausschließen könnten.

6.2.3. Gemäß § 134 Abs.1 erster Satz KFG 1967 ist derjenige, der diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieser Bundesgesetze erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Art.5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABlNr L 370 vom 31 12 1985, Seite 1, sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, zuwiderhandelt (sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet [§ 134 Abs.2 Z2 KFG]) mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 S im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Zur Strafbemessung:

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Auch die der h. aufrecht erhaltenen Bestrafung zugrunde liegenden Handlungen schädigten in nicht unerheblichem Maße das an der Verkehrssicherheit bestehende Interesse, dem die Strafdrohung dient.

Der objektive Unrechtsgehalt der Taten kann selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden. Es bedürfte wohl keiner näheren Ausführungen, dass von potenziellen Übermüdungen von Lenkern erhebliche Sicherheitsrisiken einhergehen, deren Folgen letztlich fatal sein können. Die umfangreichen Ausführungen zur Strafzumessung können angesichts der weitgehenden Aufhebung des Straferkenntnisses ebenfalls dahingestellt bleiben.

Dass die Einhaltung der hier von der Bestätigung umfassten Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund der obigen Feststellungen anzunehmen.

Selbst angesichts einer prekären wirtschaftlichen Lage des Berufungswerbers konnte im Hinblick auf die mit 3 x 300 S verhängten Geldstrafen kein Fehler in der Strafzumessung aufgezeigt werden.

7.2. Über das in der Berufung gestellte Ratenansuchen hat die Erstbehörde abzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Doppelbestrafung, Schaublätter, Fälschung, Fahrzeitüberschreitung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum