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des Landes Oberösterreich
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VwSen-106978/2/BI/FB

Linz, 30.05.2000

VwSen-106978/2/BI/FB Linz, am 30. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau R S, vertreten durch Rechtsanwalt K-H G, vom 18. April 2000 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 4. April 2000, VerkR96-10147-1998-Hu, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in den Punkten 1 und 3 Folge gegeben, das Straferkenntnis diesbezüglich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Im Punkt 2 wird die Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. In den Punkten 1 und 3 fallen keine Verfahrenskostenbeiträge an.

Im Punkt 2 hat die Rechtsmittelwerberin zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 200 S (entspricht 14,53 €), ds 20 % der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 19 und 45 Abs.1 Z2 Verwaltungsstrafgesetz - VStG, §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2.lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960, §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2. lit.a StVO 1960

zu II.: §§ 64 und 66 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem genannten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960, 2) §§ 4 Abs.5 1.Satz iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 und 3) §§ 4 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.500 S (48 Stunden EFS), 2) 1.000 S (24 Stunden EFS) und 3) 1.500 S (48 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 10. Juni 1998 um 10.20 Uhr im Gemeindegebiet von S, Westautobahn A1, bei ca km 162,000 in Richtung S den PKW, Kz. gelenkt und es dabei nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, unterlassen habe,

1) das von ihr gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten,

2) die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, unterblieben sei und

3) an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, weil sie sich mit ihrem Fahrzeug von der Unfallstelle entfernt habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 400 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG).

3. Die Bw verwahrt sich gegen den Vorwurf der Verkehrsunfallflucht und wendet ein, sie habe subjektiv kein Unfallgeräusch gehört und ihr sei auch nicht bewusst gewesen, an einem Unfall beteiligt zu sein. Sie habe keine Erfahrungen im dichten Straßenverkehr, insbesondere auf Autobahnen und erst recht im Baustellenverkehr. Die Reise sei ihre erste größere nach der Wiedervereinigung gewesen. Die Unerfahrenheit müsse zu ihren Gunsten gewertet werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Zeuge E P lenkte am Vorfallstag gegen 10.20 Uhr seinen PKW , einen V , auf der A1 von E kommend Richtung L, wobei er im Baustellenbereich S den rechten Fahrstreifen mit den dort erlaubten 80 km/h befuhr. Nach eigenen Aussagen befanden sich vor und hinter ihm LKW und auf dem linken Fahrstreifen wurde ständig überholt, sodass ein Wechsel des Fahrstreifens unmöglich war. Im Zuge eines solchen Überholmanövers wurde er von einem VW Golf mit dem deutschen Kennzeichen gestreift. Dabei wurde der linke Außenspiegel so heftig nach vorne geklappt, dass die Windschutzscheibe von der linken unteren Ecke ausgehend waagrecht zersprang. Der Zeuge schloss nicht aus, dass auch der rechte Außenspiegel des überholenden Golf beschädigt sein könnte. Er betonte, er habe beim Überholvorgang einen lauten Knall und Schlag gehört und gemeint, die linke Fahrzeugtür fehle jetzt. Er habe automatisch den PKW nach rechts verrissen. Es habe gestaubt und kleine Teile seien auf sein Fahrzeug gerieselt. Die Windschutzscheibe habe zu knistern begonnen und es habe sich ein Sprung gebildet sowie viele kleine Einschläge. Danach sei noch ein Knall gefolgt, als der Außenspiegel in die Ursprungslage zurückgeschnellt sei. Er habe das Kennzeichen des Golf erkennen können und es sich mit Kugelschreiber auf den linken Handrücken geschrieben. Im Staubereich vor E sei der PKW ca 2 Autolängen schräg links vor ihm gewesen und er habe versucht, der Lenkerin mit Hup- und Lichtsignalen Zeichen zu geben, auf die rechte Fahrbahn zu wechseln, was der Golf auch getan habe, sodass er gemeint habe, seine Zeichen seien erkannt worden. Als er dann am Ende des Baustellenbereichs wieder Zeichen gegeben habe, der Golf möge auf dem Pannenstreifen halten, sei dieser nach links ausgeschert und davongefahren.

Der Zeuge hat am 10. Juni 1999 um 10.35 Uhr den Verkehrsunfall bei der Autobahngendarmerie H angezeigt.

Die Bw hat ausgeführt, sie lebe in M und sei damals mit einer namentlich genannten Beifahrerin bei dichtem Verkehr auf der Autobahn gefahren. Weder sie noch ihre Beifahrerin hätten von einem Unfall etwas mitbekommen und insbesondere keine Berührung ihres mit einem anderen PKW bemerkt. Als sie ein hinter ihr fahrender PKW-Lenker durch Hup- und Lichtzeichen belästigt habe, habe sie sich geängstigt und angenommen, dieser wolle trotz widriger Verkehrssituation überholen. Daraufhin habe sie die Fahrt fortgesetzt. Ihr sei nicht bewusst, dass sie ein Geräusch gehört hätte; insbesondere müsse es sich nach den Schilderungen des Zeugen um ein kurzes "trockenes" Geräusch handeln, wie wenn ein Stein von einem Reifen hochgewirbelt werde und gegen die Karosserie schlage. Wenn sie und ihre Beifahrerin ein solches Geräusch gehört hätten, hätten sie es nicht einer Berührung mit einem anderen Fahrzeug zugeordnet, da sonst keine Veranlassung zur Weiterfahrt bestanden hätte. Überdies sei dies für die Bw die erste längere Reise gewesen und sie sei Fahren im dichten Verkehr nicht gewöhnt, insbesondere in einer Baustelle, bei der die Fahrzeuge noch näher zusammenrücken. Sie habe sich deshalb ganz auf das Lenken konzentriert. Sie sei damals fast 67 Jahre alt gewesen und habe das objektiv sicher hörbare Geräusch des Aneinanderschlagens der Außenspiegel nicht richtig wahrgenommen bzw falsch gedeutet.

In seinem Gutachten vom 14. Juli 1999, BauME-010000/3721-1999-Inr/Lee, gelangt der kraftfahrtechnische Amtssachverständige Ing. I zu der Auffassung, dass grundsätzlich bei einer derart leichten Streifkollision, bei der das Gehäuse des Außenspiegels bzw die Windschutzscheibe beschädigt wurden, kein Anstoß als solcher wahrzunehmen ist, zumal sich der Außenspiegel mit relativ geringem Kraftaufwand wegklappen lasse. Bei einer derartigen Kontaktierung in Folge der beiden mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fahrenden Fahrzeuge müsse es sich um einen eher harten, schlagartigen Anstoß an der Karosserie der beiden Fahrzeuge gehandelt haben. Dabei müsste auch ein Anstoßgeräusch entstanden sein, das für beide Lenker im Wageninneren deutlich hörbar gewesen sein müsste, da die Karosserie die physikalische Eigenschaft besitze, die der eines Resonanzkastens ähnlich sei und die deutliche Hörbarkeit im Wageninneren bewirke.

Im ergänzenden Gutachten vom 10. November 1999 führt der Sachverständige weiters aus, ein solches Anstoßgeräusch unterscheide sich in Frequenzstruktur und Schallpegelhöhe mit Sicherheit von dem des Umgebungsgeräusches und musste jedenfalls eine erhöhte Aufmerksamkeit der Bw nach sich ziehen. Außerdem konnte dieser der zu geringe seitliche Sicherheitsabstand zum überholten Fahrzeug nicht entgangen sein. Auf Grund dieser Umstände hätte ihr zu Bewusstsein kommen müssen, dass es sich beim vernommenen Geräusch um ein Anstoßgeräusch mit dem überholten Fahrzeug gehandelt haben konnte. Über eine Kontaktaufnahme hätte sie sich Gewissheit darüber verschaffen können, ob tatsächlich eine Kontaktierung erfolgt sei. Bei gehöriger Aufmerksamkeit wäre die Bw daher durchaus in der Lage gewesen, die Kontaktierung wahrzunehmen.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

Im gegenständlichen Fall ist durch die Streifung der beiden Außenspiegel zweifellos ein Sachschaden im Sinne des § 4 StVO sowie der Judikatur des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes zur Definition des Begriffes "Verkehrsunfall" (vgl Erk v 25. September 1991, 91/02/0047, ua) entstanden, nämlich jedenfalls am PKW P - die Bw hat einen Schaden am von ihr gelenkten Fahrzeug nicht behauptet.

Zu Punkt 1 des Straferkenntnisses :

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Die Anhalteverpflichtung dient dazu, den in einem Verkehrsunfall verwickelten Lenker in die Lage zu versetzen, sich davon zu vergewissern, ob und welche weiteren Verpflichtungen ihn nach § 4 StVO treffen bzw ob solche Verpflichtungen für ihn nicht bestehen (vgl VwGH v 11. November 1992, 92/02/0161, ua).

Die Anhaltepflicht beschränkt sich auf den Bereich der Unfallstelle; von einem sofortigen Anhalten kann nicht die Rede sein, wenn erst in einiger Entfernung davon angehalten wird (vgl VwGH v 19. Februar 1982, 81/02/0267 ua).

Auf den gegenständlichen Fall bezogen vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, dass ein "sofortiges Anhalten" im Sinne der genannten Bestimmung weder der Bw noch dem Zeugen P möglich und zumutbar gewesen wäre. Autobahnbaustellen mit Gegenverkehrsbereichen ohne Pannenstreifen sind noch dazu bei offenbar regem Schwer-Verkehr für ein "sofortiges Anhalten" absolut nicht geeignet, weil hier Lebensgefahr bestünde. Der Bw kommt somit der Schuldausschließungsgrund des Notstandes iSd § 6 VStG zugute (vgl VwGH v 23. März 1988, 87/18/0131), weshalb das Verfahren diesbezüglich einzustellen war.

Zu Punkt 3 des Straferkenntnisses:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben dieselben Personen an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Im gegenständlichen Fall wurde der Bw zur Last gelegt, sie habe der Mitwirkungspflicht insofern nicht entsprochen, als sie sich mit ihrem Fahrzeug von der Unfallstelle entfernt habe.

Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts reicht so weit, als es zur Feststellung von Sachverhaltselementen, insbesondere zur Sicherung von Spuren am Unfallort oder sonstiger konkreter Beweismittel erforderlich ist (vgl VwGH v 20. Februar 1991, 90/02/0152).

Die Mitwirkungspflicht dient offenkundig dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Tatbestandsaufnahme zu erleichtern und zu gewährleisten, dass die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt. Sie besteht immer dann, wenn es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist ua dann der Fall, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organes der öffentlichen Sicherheit verlangt (vgl VwGH v 30. September 1998, 97/02/0543 ua).

Im gegenständlichen Fall erfolgte kein Identitätsnachweis, sodass der Zeuge P von sich aus den Verkehrsunfall mit Sachschaden bei der (nächstgelegenen) Autobahngendarmerie H meldete.

Eine Belassung des von der Bw gelenkten PKW an der Unfallstelle war schon deshalb nicht möglich, weil ein sofortiges Anhalten auf Grund der dortigen örtlichen Verkehrssituation nicht erfolgte. Es konnte daher auch eine Unfallaufnahme am Unfallort nicht erfolgen, weshalb der der Bw zur Last gelegte Vorwurf, sie habe sich mit ihrem Fahrzeug von dort entfernt, schon unter Bedachtnahme auf die Ausführungen zu Punkt 1 des Straferkenntnisses nicht gerechtfertigt ist, auch wenn unter solchen Umständen eine Klärung des Verschuldens am Zustandekommen des Verkehrsunfalls erschwert wird.

Dass die Bw insofern an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt habe, weil sie trotz erfolgter Kontaktaufnahme am Ende des E Berges durch den Zeugen Pfistermüller ihre Fahrt fortgesetzt habe, wurde ihr binnen der Verjährungsfrist nicht zum Vorwurf gemacht.

Zu Punkt 2 des Straferkenntnisses:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Die Meldepflicht nach § 4 Abs.5 StVO setzt das Wissen um einen solchen Unfall voraus, wobei es jedoch genügt, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können. Der Tatbestand ist schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl Erk v 28. September 1988, 88/02/0058; Erk v 26. Mai 1993, 92/03/0125, ua).

Auf der Grundlage der schlüssigen und glaubwürdigen Beschreibung des Zeugen P von der Streifung der beiden Außenspiegel beim Überholt werden und dem damit verbundenen Geräusch, das für ihn wie ein Knall bzw Schlag wahrnehmbar war, in Verbindung mit den aus der Situation nachvollziehbaren gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, dass die Bw zum einen beim Vorbeibewegen ihres PKW an dem mit niedrigerer Geschwindigkeit auf dem rechten Fahrstreifen der A1 fahrenden PKW des Zeugen erkennen hätte müssen, dass der seitliche Abstand zwischen den Fahrzeugen derart gering war, dass die Gefahr einer Streifung bestand. Gerade wenn, wie in Baustellenbereichen auf Autobahnen üblich, der linke Fahrstreifen nur 2 m breit ist, besteht für den diesen Fahrstreifen benützenden Lenker erhöhter Aufmerksamkeitsbedarf nach rechts, zumal gerade bei LKW-Verkehr die vorhandene Breite des rechten Fahrstreifens von 2,5 m zur Gänze ausgenützt werden muss. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass der Zeuge, der nach eigenen Angaben beabsichtigte, nach Möglichkeit vom für ihn wegen der vor und hinter ihm fahrenden LKW ungünstigen rechten auf den linken Fahrstreifen zu wechseln, zu weit nach links geriet, hätten der Bw bei augenscheinlich zu geringem Sicherheitsabstand in Verbindung mit einem für sie ungewohnten und möglicherweise nicht sofort eindeutig zuzuordnenden Geräusch Bedenken kommen müssen, ob es zwischen den beiden PKW an den seitlich herausragendsten Stellen, nämlich den Außenspiegeln, zu einer Streifung gekommen sein könnte. Sie hätte daher ihre erhöhte Aufmerksamkeit auf eventuell am PKW erkennbare Schäden oder auch Zeichen des Zeugen richten müssen, wenn nicht schon sie selbst von sich aus, je nach verkehrstechnischer Möglichkeit, eine Kontaktaufnahme versucht hat.

Der unabhängige Verwaltungssenat geht daher davon aus, dass die Bw bei Aufwendung der gehörigen Aufmerksamkeit das Zustandekommen des Verkehrsunfalls mit Sachschaden erkennen hätte müssen und auch in der Lage gewesen wäre, ihre ursächliche Beteiligung daran wahrzunehmen.

Im gegenständlichen Fall ist kein Identitätsnachweis dem Geschädigten gegenüber erfolgt, sodass die Bw verpflichtet gewesen wäre, den Verkehrsunfall bei der nächsten Gendarmeriedienststelle, der Autobahngendarmerie H, ohne unnötigen Aufschub zu melden.

Zum Verschulden ist zu bemerken, dass zwar durchaus nachvollziehbar ist, dass die offenbar eher ungeübte Bw auf ihr unbekannten Verkehrswegen im Ausland vorsichtig war; allerdings hat sie sich eine so weite Fahrt zugetraut und das Lenken eines PKW birgt auch auf deutschen Autobahnen Risken ua wegen der hohen erlaubten Richtgeschwindigkeit. Abgesehen davon ist aber zu bemerken, dass Autobahnbaustellen mit Gegenverkehrsbereichen in Deutschland auch nicht anders angelegt sind, wobei dort ebenfalls mit nicht unerheblichem Schwerverkehr zu rechnen ist. Ein undefinierbares und nicht zuzuordnendes Geräusch beim Überholen eines PKW völlig unbeachtet zu lassen, weil es vielleicht auch von einem Stein herrühren könnte - der allerdings auch nicht zu sehen war - und die Zeichen des Lenkers des überholten Fahrzeuges zwar zu bemerken, aber als "Belästigung" abzutun - obwohl die Bw bei der Fahrt im Kolonnenverkehr am Vormittag nicht allein im PKW war, sodass ihr sicher nichts passiert wäre - zeugt nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates von erheblicher Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit anderen Lenkern gegenüber. Von geringfügigem Verschulden kann daher nicht die Rede sein.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zur Ansicht, dass die Bw den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 10.000 S Geldstrafe bzw bei Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat zutreffend die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Bw als strafmildernd und keinen Umstand als erschwerend gewertet. Die finanziellen Verhältnisse wurden auf 2.500 DM Pension geschätzt und weder Vermögen noch Sorgepflichten angenommen. Dieser Schätzung ist die Bw nicht entgegengetreten, sodass sie auch im Rechtsmittelverfahren zugrunde zu legen war.

Der unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die festgesetzte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung als auch den finanziellen Verhältnissen der Bw. Sie liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält sowohl general- wie auch spezialpräventiven Überlegungen stand. Eine Herabsetzung der ohnedies mild bemessenen Strafe ist nicht gerechtfertigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz zu Punkt 2 bzw dessen Entfall in den Punkten 1 und 3 ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

Bei Verkehrsunfall (Streifung der Außenspiegel) im baustellenbedingten Gegenverkehrsabschnitt einer Autobahn ist ein "sofortiges Anhalten" lebensgefährlich und daher wegen Notstandssituation straflos. Ebenso ist ein Nicht-Mitwirken an der Sachverhaltsfeststellung durch Entfernen des Fahrzeuges von der Unfallstelle nicht vorwerfbar.

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