Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107001/7/Br/Bk

Linz, 14.06.2000

VwSen-107001/7/Br/Bk Linz, am 14. Juni 2000

DVR. 0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 25. April 2000, AZ. VerkR96-9190-2000-Ro, mit welchem gegen ihn wegen einer Übertretung der StVO 1960 eine Ermahnung ausgesprochen wurde, nach der am 13. Juni 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG, iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 164/1999 - VStG;

II. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

§ 21 iVm § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem oben bezeichneten Bescheid über den Berufungswerber eine Ermahnung ausgesprochen, weil er am 24.3.2000 um 06.00 Uhr den Pkw der Marke Skoda Felicia mit dem Kennzeichen auf der Mauerkirchner Bundesstraße (B 142) in Richtung Dietraching bei Strkm 7,800, im Gemeindegebiet von Moosbach gelenkt und nach einem Verkehrsunfall (einer Kollision mit einem Feldhasen), mit dem sein Verhalten am Unfallsort im ursächlichen Zusammenhang stand und bei dem ein Sachschaden eingetreten ist, nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub verständigt habe, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist (Jagdleiter), nicht erfolgte.

1.1. Die Erstbehörde folgte der Verantwortung des Berufungswerbers von der Kollision mit dem Feldhasen nichts bemerkt zu haben und vermeintlich mit einem anderen Gegenstand kollidiert zu sein nicht. Die Behörde erster Instanz erachtete das Verschulden und die Folgen der Übertretung jedoch gering und sprach angesichts dieses Umstandes eine bloße Ermahnung aus.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ag. Rechtsvertreter abermals aus, von der Kollision mit dem Hasen zunächst nichts bemerkt zu haben. Er sei vielmehr der Auffassung gewesen mit einem anderen auf der Fahrbahn befindlichen Gegenstand kollidiert zu sein. Nach der Arbeit habe er an der Unfallstelle nach der Kollisionsursache zu suchen beabsichtigt und dort auch tatsächlich den in der Wiese liegenden und bereits verendeten Feldhasen gefunden. Auch habe er bei näherer Betrachtung der Kollisionsstelle (gemeint wohl am Fahrzeug) Haare vom Hasenfell gefunden. Der Berufungswerber räumt ein, dass er wohl einen Hasen von links auf die Fahrbahn laufen gesehen habe, diesem ausgewichen und zur Ansicht gelangt sei, dem Tier, ohne es überfahren zu haben, ausweichen gekonnt zu haben. Zum tatsächlichen Unfallszeitpunkt um 6 Uhr Früh habe er daher mangels Kenntnis des Unfalles noch keine Anzeige erstatten können. Dies sei ihm erst nach Bekanntwerden der Kollision mit dem Feldhasen um 14.00 Uhr möglich gewesen.

Abschließend meint der Berufungswerber, dass ein Hase als jagdbares Wild im Sinne des Oö. Jagdgesetzes grundsätzlich "herrenlos" sei und somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs.5 StVO nicht gegeben wären. Ebenfalls scheint er die Ansicht zu vertreten, dass der Jagdleiter, als bloß mit administrativen Tätigkeiten nach dem Jagdgesetz betrautes Organ, nicht als Adressat der Meldung nach § 4 Abs.5 StVO und auch nicht als Vertreter des Geschädigten in Betracht käme.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Auf Grund der spezifischen Ausführungen in der Berufung schien hier in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK intendierten Rechte, obwohl bloß eine Ermahnung ausgesprochen wurde, die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung geboten  (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau. Ebenfalls wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Berufungswerbers anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers erschien zur Berufungsverhandlung ohne Angabe von Gründen nicht. Lediglich der Berufungswerber der über die auch an ihn persönlich ergangene Ladung erschienen war, teilte mit, dass sein Rechtsvertreter wegen eines angeblichen Gerichtstermines zur Verhandlung nicht erscheinen werde.

Über Aufklärung darüber, dass in Abwesenheit seines Rechtsvertreters die öffentliche mündliche Verhandlung nicht durchgeführt werde, erklärte der Berufungswerber die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit seinem Rechtsvertreter betreffend dieses Berufungsverfahrens. Gleichzeitig ersuchte er um Zustellung des Berufungsbescheides an ihn persönlich.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber kollidierte in der Morgendämmerung des o.a. Tages auf der Fahrt von Mauerkirchen über Moosbach nach Altheim mit einem Feldhasen. Dabei entstand an dem von ihm gelenkten Fahrzeug ein Sachschaden an der Stoßstange im Ausmaß von ca. 10.000 S.

Der Berufungswerber hielt sein Fahrzeug nicht an und kümmerte sich auch offenbar nicht um den bei der Kollision getöteten Feldhasen. Ein Feldhase repräsentiert einen durchschnittlichen Wildbretwert von etwa 130 S.

Den Fahrzeugschaden stellte der Berufungswerber angeblich erst nach dem Arbeitsende zur Mittagszeit des Vorfallstages fest. Nachdem er den Schaden in einer Werkstätte besichtigen ließ und er von dort im Zusammenhang mit der Schadensliquidation durch die bestehende Kaskoversicherung auf die Notwendigkeit der Anzeigeerstattung aufmerksam gemacht wurde, wurde hinsichtlich des Verkehrsunfalles mit Sachschaden (Wild), am 24. März 2000 um ca. 14.20 Uhr, beim GP Altheim, unter GZ P-304/00-La, die Anzeige erstattet.

An der Fahrzeugvorderseite wurden auch Spuren (Haare) von der Kollision mit dem Wildkörper festgestellt. Im Zuge der nachfolgend vom Berufungswerber noch vorgenommenen Nachschau an der Unfallstelle entdeckte dieser den vermutlich anlässlich der Kollision getöteten Feldhasen.

Angesichts der zwischenzeitig verstrichenen Zeit ist von der objektiven Unverwertbarkeit des Wildbrets auszugehen.

4.1.1. Dieser Sachverhalt ergibt sich neben der Anzeige aus der Aussage des Berufungswerbers anlässlich der vom Oö. Verwaltungssenat durchgeführten Berufungsverhandlung. Nicht gefolgt vermag dem Berufungswerber jedoch darin werden, dass ihm die Kollision mit dem Feldhasen nicht unmittelbar bewusst geworden sein könnte. Es entspricht einer empirischen Erfahrungstatsache, dass ein Zusammenstoß mit einem ca. vier Kilogramm schweren Wildkörper einerseits deutlich akustisch und andererseits auch als Stoßeinwirkung bemerkt worden sein musste. Dies umso mehr als der Berufungswerber laut seinen eigenen Angaben den Feldhasen sogar noch auf die Straße wechseln sah. Dabei kann durchaus davon ausgegangen werden, dass ein objektiv nicht überhörbares Anstoßgeräusch die Folge war.

Die Darstellung, dass das in diesem Zusammenhang bemerkte Überfahren eines Gegenstandes, einem anderen Gegenstand zugeordnet worden wäre, muss als offenkundige Schutzbehauptung qualifiziert werden. Diese Verantwortung entbehrt jeglicher Realitätsnähe.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Der § 4 Abs.5 StVO 1960 lautet:

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

5.1.1. Es bedarf keiner weitergehenden rechtlichen Ausführung, dass mit der Tötung eines Feldhasen, neben dem Schaden am Fahrzeug ein weiterer Sachschaden entstanden ist. Nicht nachvollziehbar scheint die Rechtsansicht des Berufungswerbers, dass ein Feldhase "grundsätzlich herrenlos" zu bezeichnen wäre und in der Zerstörung dieser Sache nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs.5 StVO erfüllt werden könnten. Ebenso zutreffend erweist sich die in der anwaltlichen Berufungsschrift vertretene Auffassung, dass der Jagdleiter als Repräsentant der Jagdausübungsberechtigten (der genossenschaftlichen Jagdpächter gegenüber der Gesamtheit der Grundeigentümer) und somit des Kreises dem der Schaden erwachsen ist, nicht in Betracht käme (vgl. Pesendorfer-Rechberger, das oö. Jagdrecht, zu § 1 Rz. 3 u. 9). Dies steht im Widerspruch zur seit Jahrzehnten durch eine Vielzahl von höchstgerichtlichen Entscheidungen gesicherten Rechtsauffassung (vgl. etwa VwGH 20.10.1976, 137/71).

Da weder dem Geschädigten - hier dem Jagdleiter als bevollmächtigten Vertreter der Jagdpächter - noch der nächsten Gendarmeriedienststelle der Vorfall ohne unnötigen Aufschub, sondern der Gendarmerie erst nach über acht Stunden gemeldet wurde, ist im Ergebnis grundsätzlich der von der Behörde erster Instanz vertretenen Rechtsauffassung zu folgen gewesen.

Der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" ist wohl auf den Einzelfall bezogen zu beurteilen, wobei jedoch die Zeitdauer von mehr als acht Stunden keinesfalls als noch dieser Vorschrift entsprechend erachtet werden kann (vgl. VwGH 23.2.1990, 85/18/0185 mit weiteren Judikaturhinweisen). Mit dem letztgenannten Erkenntnis wurde bereits eine halbe Stunde als "unnötiger Aufschub" qualifiziert. Es kommt dabei nicht vordergründig auf die objektive Dauer bis zur Meldung, sondern die Nutzung der Zeit bis zur Meldung an (VwGH 24.2.1993, 92/02/0292).

Voraussetzung für die Meldepflicht ohne unnötigen Aufschub ist nach dieser Vorschrift ferner nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintretens eines Schadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist daher schon gegeben, wenn dem Lenker objektive Umstände zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. VwGH 15.2.1991, 87/18/0031 mit Hinweis auf die bei Gerhard-Terlitza, Straßenverkehrsordnung, 2. Aufl., auf S. 135 wiedergegebene Judikatur).

Hier war, wie oben ausgeführt, vom Wissen des Ereignisses auszugehen.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Als verfehlt erachtet der Oö. Verwaltungssenat jedoch auch die Rechtsauffassung der Behörde erster Instanz, dass im Unterbleiben einer Unfallmeldung ohne unnötigen Aufschub anlässlich eines offenkundig sofort bemerkten Wildunfalles sowohl das Verschulden gering als auch die Folgen der Übertretung bloß unbedeutend geblieben wären, während dies etwa bei einem Parkschaden grundsätzlich anders gesehen zu werden pflegt.

Es ist insbesondere bedauerlich, dass die Vielzahl der überfahrenen Wildtiere durch die Verkehrsteilnehmer nicht versorgt werden und durch das Unterbleiben der Meldung letztlich häufig bis zum Verenden dadurch verletzter Tiere auch mit unnötigen und oft vermeidbaren Qualen einhergeht. Ebenfalls repräsentieren die durch Wildunfälle auf Straßen getöteten Tiere einen erheblichen volkswirtschaftlichen Wert. Durch das vielfache Unterbleiben der Meldung bzw. die nicht rechtzeitig erfolgte Meldung wird das getötete Wild letztlich vielfach unbrauchbar, wodurch wertvolles Wildbret verloren geht. Hierdurch gelangt nicht zuletzt eine Respektlosigkeit gegenüber der Natur und deren Ressourcen zum Ausdruck.

6.2. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG scheinen im Falle des offenkundigen Überfahrens eines Feldhasen und das nachfolgende achtlose Liegenlassen bzw. die nicht ohne unnötigen Aufschub erstattete Meldung nicht gegeben. Der Ausspruch einer bloßen Ermahnung erfolge daher im gegenständlichen Zusammenhang zu Unrecht. Das Verschlechterungsverbot im Berufungsverfahren macht jedoch eine diesbezügliche Korrektur des Bescheides zum Nachteil des Berufungswerbers unzulässig.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Natur, respektlos, Qualen

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