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VwSen-240096/2/Gf/Km

Linz, 20.07.1994

VwSen-240096/2/Gf/Km Linz, am 20. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der Oö. Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des Mag. M vom 20. Juni 1994 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 5. Mai 1994, Zl.

101-6/1, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö.

Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 5. Mai 1994, Zl. 101-6/1, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, daß das von dieser GmbH an einen Wiederverkäufer ausgelieferte Brot bzw. die ausgelieferten Semmeln nicht das erforderliche Mindestgewicht aufgewiesen hätten; dadurch habe er eine Übertretung des § 74 Abs. 1 i.V.m. § 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr.

86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 756/1992 (im folgenden: LMG) begangen, weshalb er gemäß § 74 Abs. 1 LMG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 8. Juni 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 20. Juni 1994 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns des Beschwerdeführers infolge dienstlicher Wahrnehmungen eines Lebensmittelaufsichtsorganes als erwiesen anzusehen sei. Unter den im Österreichischen Lebensmittelbuch festgelegten Mindestausbackgewichten seien jene zu verstehen, die Brot und Semmeln unmittelbar nach dem Verlassen des Backofens aufweisen müssen. Wenn Brot daher mit einem Ausbackgewicht von 970g verkauft werde, hätte dieses entsprechend gekennzeichnet werden müssen, was aber gegenständlich nicht geschehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers als strafmildernd zu werten gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß das beanstandete Brot - wie sich aus dem Bestellschein ergebe aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Wiederverkäufer mit einem Gewicht von 970g geliefert worden sei; es wäre daher nicht ihm, sondern dem Wiederverkäufer oblegen, die Ware entsprechend zu kennzeichnen. Außerdem habe die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis selbst eingestanden, daß sich das Ausbackgewicht ohnehin nicht mehr feststellen lasse. Schließlich könne bei einer ein- bis zweiprozentigen Gewichtsunterschreitung auch nicht von einer krassen Irreführung der Konsumenten gesprochen werden.

Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

2.3. Die belangte Behörde hat von der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung abgesehen und den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 101-6/1; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und mit der vorliegenden Berufung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht wird, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs. 1 LMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, der Lebensmittel, die falsch bezeichnet sind, in Verkehr bringt.

Nach § 8 lit. f LMG gelten Lebensmittel dann als falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrssauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind (wie z.B. das Gewicht), in Verkehr gebracht werden.

Die 3. Auflage des Österreichischen Lebensmittelbuches (ÖLMB 3 ) führt im Codexkapitel B 18 ("Backerzeugnisse") das Mindestausbackgewicht für Brot grundsätzlich mit 500g, 1000g, 1500g, usw. (Abs. 15) und für Semmeln mit 46g (Abs.

43) an und stellt fest, daß Abweichungen entsprechend gekennzeichnet sind.

4.2. Beim ÖLMB 3 handelt es sich nach übereinstimmender Auffassung in Judikatur und Lehre nicht um eine aufgrund des § 51 LMG ergangene Rechtsverordnung, sondern - bloß - um ein objektiviertes Sachverständigengutachten (vgl. die Nachweise bei W. Barfuß - H.J. Pindur - K. Smolka - O. Samsinger - G.

Onder - W. Olscher - F. Hinger, Österreichisches Lebensmittelrecht, 2. Auflage, Wien 1992, Kommentar zum VII.

Abschnitt, FN 3 und 4).

Die hier maßgeblichen Feststellungen lauten:

"15 Üblicherweise haben ganze Wecken dieser Beschaffenheit Ausbackgewichte von mindestens 500, 1000, 1500, 2000 oder 3000g, ganze Laibe werden zusätzlich auch mit 250g (Laibchen), 2500 oder 4000g ausgebacken. Davon abweichende Ausbackgewichte werden bei verpacktem Brot im Zusammenhang mit der Sachbezeichnung, bei nicht verpacktem Brot im örtlichen Bereich der feilgehaltenen Ware deutlich sichtbar und lesbar angegeben. Unter Ausbackgewicht versteht man das unmittelbar nach dem Verlassen des Backofens zu ermittelnde Gewicht." "43 'Weißgebäck', wie Semmeln (Kaisersemmeln, Langsemmeln, Kärntner Semmeln usw.), Laibchen (Laberl), Weckerl, Stangerl, Kipferl oder andere Ausformungen mit bestimmter ortsüblicher Bezeichnung, wird aus Weizenauszugsmehl oder Weizenkoch- und -backmehl hergestellt, dem bis zu 10% des Gesamtgewichtes der Mahl- und Schälprodukte Roggenvorschußmehl zugefügt werden kann. Kleinere Ausformungen werden als 'Jour-Gebäck' bezeichnet. Das Mindestausbackgewicht der Semmel beträgt 46g." Schon aufgrund der Textierung ist evident, daß mit diesen Feststellungen keine Norm geschaffen werden sollte; es handelt sich vielmehr bloß - wie es auch der Natur eines Sachverständigengutachtens entspricht - um die Festschreibung von Erfahrungswerten. Eine rechtliche Verpflichtung, daß in Verkehr gebrachtes Brot bzw. Semmeln das entsprechende Mindestausbackgewicht aufweisen müssen bzw. daß von dieser Regel abweichende Gewichte entsprechend kennzeichnungspflichtig wären, kann daraus sohin keinesfalls abgeleitet werden.

4.3. Aber auch aus der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl.Nr. 72/1993 (im folgenden: LMKV), läßt sich eine derartige Verpflichtung nicht begründen.

Zunächst folgt aus § 1 Abs. 1 LMKV, daß deren Vorschriften nur auf verpackte Waren anzuwenden ist. Als "verpackt" gelten nach § 1 Abs. 2 LMKV Waren dann, wenn sie in Behältnissen oder Umhüllungen beliebiger Art, deren Inhalt ohne Öff nen oder Veränderung der Verpackung nicht vermehrt oder vermindert werden kann, abgegeben werden sollen. Dies trifft im gegenständlichen Fall zwar für die in Netzen zu je 10 Stück ausgelieferten Semmeln, nicht jedoch für das Brot, das - wie von den Verfahrensparteien unbestritten blieb - dem Wiederverkäufer unverpackt geliefert wurde, zu.

Doch auch hinsichtlich der in Netzen ausgelieferten Semmeln sieht § 6 LMKV vor, daß es bei Gebäck hinreicht, wenn anstelle der Nettofüllmenge, die gemäß § 3 lit. a LMKV nach Kilogramm oder Gramm auszuzeichnen wäre, bloß die Stückzahl angegeben wird.

Insgesamt folgt daraus für den vorliegenden Fall, daß hinsichtlich des Inverkehrbringens von Brot und Semmeln keine rechtliche Verpflichtung besteht, daß diese ein bestimmtes Gewicht aufweisen müssen und daß daher eine in Verbindung mit dem Anbieten dieser Ware unterlassene Gewichtsangabe für den Fall, daß diese Gewichte die in den Abs. 15 und 43 des Codexkapitel B 18 angeführten Werte unterschreiten, auch keine Falschbezeichnung iSd § 74 Abs. 1 i.V.m. § 8 lit. f LMG darstellen kann.

4.4. Ein tatbestandsmäßiges Handeln des Beschwerdeführers liegt sohin nicht vor. Der gegenständlichen Berufung war daher schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 VStG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.

1 Z. 1 VStG einzustellen, ohne daß es noch eines Eingehens auf die Fragen der persönlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers und des Vorliegens der gebotenen Konkretisierung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses bedurfte.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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