Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-240103/2/Gf/Km

Linz, 27.04.1995

VwSen-240103/2/Gf/Km Linz, am 27. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des G gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 12. Dezember 1994, Zl. SanRB96-45-1994, wegen Übertretung des Lebensmittelgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird; der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wird hingegen abgewiesen.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö.

Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Art. 6 Abs. 1 MRK; Art. 90 Abs. 2 B-VG; § 24 VStG i.V.m.

§ 66 Abs. 4 AVG; § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 12. Dezember 1994, Zl. SanRB96-45-1994, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 2.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt, weil er es als Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, daß am 11.

November 1994 nicht den Vorschriften entsprechend gekennzeichnete Lebensmittel in Verkehr gebracht worden seien; dadurch habe er eine Übertretung des § 74 Abs. 5 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 756/1992 (im folgenden: LMG), i.V.m. § 1, § 2, § 3, § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c und § 6 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, BGBl.Nr. 627/1973 (im folgenden: LMKV 1973), begangen, weshalb er gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 15. Dezember 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 21. Dezember 1994 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde u.a. begründend aus, daß es aufgrund einer lebensmittelpolizeilichen Revision als erwiesen anzusehen sei, daß am 11. November 1994 die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses näher bezeichneten, jeweils nicht vorschriftsmäßig gekennzeichneten Lebensmittel an einen Gastgewerbebetrieb geliefert wurden, wofür er als außenvertretungsbefugtes Organ der verfahrensgegenständlichen GmbH einzustehen habe.

Im Zuge der Strafbemessung sei das Vorliegen einer einschlägigen Vorstrafe als erschwerend zu werten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien.

2.2. Dagegen wendet sich der Rechtsmittelwerber mit der Begründung, daß es ihm als Leiter eines Unternehmens mit 20 Beschäftigten nicht zugemutet werden könne, jeden einzelnen der ihm unterstellten Arbeitnehmer umfassend zu kontrollieren, sodaß sich notwendigerweise Lücken ergeben müßten, für die er aber deshalb nicht in jedem einzelnen Fall einstehen müsse, weil er seine Arbeitnehmer immer wieder entsprechend unterwiesen und kontrolliert habe.

Aus diesen Gründen wird - erschließbar - die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Schärding zu Zl.

SanRB96-45-1994; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und einerseits mit der vorliegenden Berufung ausdrücklich darauf verzichtet wurde sowie andererseits auch die belangte Behörde im Zuge der Berufungsvorlage keinen dementsprechenden Antrag gestellt hat, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25.000 S zu bestrafen, der den Bestimmungen der im § 77 Abs.

1 Z. 19 angeführten Rechtsvorschrift zuwiderhandelt.

§ 77 Abs. 1 Z. 19 LMG bestimmt, daß die LMKV 1973 so lange als Bundesgesetz in Kraft bleibt, bis ihren Gegenstand regelnde Verordnungen in Wirksamkeit getreten sind.

Mit § 12 Abs. 2 der Verordnung des BMfGSK vom 29. Jänner 1993, BGBl.Nr. 72/1993 (im folgenden: LMKV 1993), wurde klargestellt, daß die LMKV 1973 mit dem Inkrafttreten der LMKV 1993 - d.i. gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG am 30. Jänner 1993 außer Kraft getreten ist.

Zum Tatzeitpunkt (11. November 1994) war daher die LMKV 1973 seit nahezu 2 Jahren nicht mehr Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung.

Damit hat sich aber auch der in § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG normierte Deliktstypus maßgeblich geändert: Während es vor der Erlassung der LMKV 1993, nämlich mit dem Verweis auf die LMKV 1973, um eine Bestrafung wegen eines Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften (vgl. § 77 Abs. 1 LMG: "bleiben als Bundesgesetze ..... in Kraft") ging, stellt die LMKV 1993 nunmehr lediglich eine Rechtsvorschrift im Verordnungsrang dar, für die eine entsprechend generelle Strafbestimmung wie die etwa in anderen das Besondere Verwaltungsrecht regelnden Materiengesetzen vielfach vorzufindenden Blankettstrafnormen dergestalt, daß ein Verstoß gegen das Gesetz und jede auf dessen Grundlage ergangene Verordnungsbestimmung pauschal zu einer Verwaltungsübertretung erklärt wird - in dieser Allgemeinheit im LMG nicht existiert. Vielmehr wird allein schon aus dem Umstand, daß lediglich die Spezialstraftatbestände des § 74 Abs. 4 Z. 1 und des § 74 Abs. 5 Z. 2 LMG hinsichtlich der LMKV 1993, die ihrer eigenen Präambel entsprechend auf den §§ 7 Abs. 2, 10 Abs. 1 und 19 Abs. 1 LMG fußt, die einzigen Ansatzpunkte in Richtung einer Bestrafung auch wegen Übertretung bloßer Verordnungsbestimmungen bilden, die das LMG dominierende rechtspolitische Grundsatzentscheidung nach einer verschiedenartigen Bewertung des jeweils gravierend unterschiedlichen Unrechtsgehaltes einer Übertretung gesetzlicher einerseits bzw. lediglich verordnungsmäßiger Gebote andererseits deutlich.

Insgesamt ergibt sich daraus jedenfalls, daß § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG, der eine Bestrafung wegen Übertretung jener Bestimmungen der LMKV 1993, die auf § 10 LMG basieren, abdecken würde, einen anderen Strafrahmen vorsieht als § 74 Abs. 5 Z. 2 LMG, der eine Bestrafung wegen Übertretung jener Bestimmungen der LMKV 1993 ermöglichen würde, die sich auf § 19 LMG stützen, während schließlich eine Bestrafung hinsichtlich jener Bestimmungen der LMKV 1993, die auf § 7 Abs. 2 LMG fußen, nach derzeitigem Rechtsstand von vornherein nicht möglich ist. Und schließlich setzt eine Bestrafung neben der sonach gebotenen exakten Eruierung der jeweils maßgeblichen Rechtsgrundlage überdies zwingend voraus, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem § 44a Z. 1 VStG entsprechend nicht bloß eine Wiedergabe des Normtextes erfolgt, sondern vielmehr konkret umschrieben wird, inwiefern die in Verkehr gebrachte Ware nicht den Vorschriften der LMKV 1993 entsprach, was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist.

4.2. Der Oö. Verwaltungssenat sieht sich an diesem Punkt daher veranlaßt, auf seine insoweit ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach es ihm als einem von Verfassungs wegen zur Kontrolle der Verwaltung berufenen Organ nicht obliegen kann, substantielle Mängel des behördlichen Ermittlungsverfahrens - wie im vorliegenden Fall: Verkennung der anzuwen denden Rechtslage und gravierende Spruchmängel - aus eigenem zu substituieren und solcherart dem Art. 6 Abs. 1 MRK bzw.

dem Art. 90 Abs. 2 B-VG widersprechend die Funktion des unabhängigen Richters zu verlassen und stattdessen in jene des Anklägers zu schlüpfen (vgl. zuletzt VwSen-102629 v. 10.

März 1995); letztere kommt vielmehr ausschließlich der belangten Behörde als Partei des Verfahrens (vgl. § 51d VStG) zu.

4.3. Aus allen diesen Gründen war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird; im Hinblick auf die gemäß § 74 Abs. 6 LMG weiterhin offene Verfolgungsverjährungsfrist war diese jedoch hinsichtlich des Antrages auf Einstellung des Verwaltungsverfahrens abzuweisen, wobei die belangte Behörde für den Fall der Fortführung des Verfahrens insbesondere die Bestimmung des § 13 LMKV 1993, wonach verpackte Waren, die dieser Verordnung nicht entsprachen, noch bis 31. Dezember 1994 im Verkehr belassen werden durften, zu beachten haben wird.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 65 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichts hof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum