Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107068/9/Sch/Rd

Linz, 26.09.2000

VwSen-107068/9/Sch/Rd Linz, am 26. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 10. Kammer (Vorsitzender: Dr. Leitgeb; Berichter: Dr. Schön; Beisitzer: Mag. Gallnbrunner) über die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des H vom 28. Juni 2000, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 8. Juni 2000, VerkR96-1459-2000, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 10.000 S (entspricht 726,73 €) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 10 Tage herabgesetzt werden.

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 1.000 S (entspricht 72,67 €). Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 bzw 20 VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Straferkenntnis vom 8. Juni 2000, VerkR96-1459-2000, über Herrn H, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 16.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 384 Stunden verhängt, weil er am 16. April 2000 um 22.16 Uhr das Herrenfahrrad der Marke Taifun Cosmos in A auf der Spielbergstraße in Richtung Ortszentrum bis auf Höhe des Hauses A, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt: 0,82 mg/l) gelenkt habe.

Überdies wurde der Berufungswerber zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 1.600 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig eine auf das Strafausmaß beschränkte Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Strafbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.3 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Der Berufungswerber begründet seine auf das Strafausmaß beschränkte Berufung damit, dass das Ergebnis der Alkomatuntersuchung insofern ungenau sei, als er am gegenständlichen Tag, ohne viel feste Nahrung zu sich genommen zu haben, eine geringe Menge Alkohol kurz vor der gegenständlichen Lenker- und Fahrzeugkontrolle konsumiert habe. Dieser Umstand habe zu einem höheren Alkoholgehalt in der Atemluft geführt, als es dem Tatsächlichen entsprochen habe. Überdies sei er unbescholten und würde seine soziale und wirtschaftliche Lage ein geringeres Strafausmaß rechtfertigen.

Zumal sich die Berufung ausdrücklich auf die Straffrage beschränkt, sind der Schuldspruch und auch der dort festgehaltene Messwert der Atemluftalkoholuntersuchung in Rechtskraft erwachsen, sodass sich weitergehende Erwägungen diesbezüglich erübrigen.

Dieses Vorbringen vermag aber unbeschadet dessen auch deshalb nicht zu überzeugen, da es nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit erstattet wurde, sondern erst in der Berufung. Abgesehen davon ist es bezüglich der Alkoholmenge völlig unbestimmt gehalten, sodass es auch aus diesem Grund nicht weiter erörterbar ist.

Überdies erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die schädliche Wirkung des Alkohols auf die Fahrtüchtigkeit sofort eintritt, also bereits in der Anflutungsphase. Die Ansicht, dass die Anstiegsphasen sich besonders nachteilig auf die Fahrtüchtigkeit auswirken, steht mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft in Einklang (VwGH 27.10.1982, 82/03/0012 uva).

Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 beträgt die gesetzliche Mindestgeldstrafe 16.000 S für den, der ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.

§ 20 VStG sieht vor, dass, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, 92/02/0280, die Kriterien für eine Anwendung des § 20 VStG bei Alkoholdelikten determiniert. Neben der Unbescholtenheit des Täters und dem Fehlen von nachteiligen Folgen der Tat darf der gesetzliche "Grenzwert" nur geringfügig überschritten worden sein.

Diese Voraussetzungen liegen nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates im konkreten Fall vor. So hat der Berufungswerber zum einen (lediglich) ein Fahrrad gelenkt, wobei nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass ein Radfahrer für allfällige übrige Verkehrsteilnehmer, von denen um ca 22.00 Uhr - der Tatzeit - in einer kleinen Ortschaft wie A wohl nur sehr wenige unterwegs sein dürften, eine wesentlich geringere Gefahr darstellt als etwa ein alkoholisierter Kraftfahrzeuglenker. Konkrete negative Folgen der Tat lagen ohnedies nicht vor.

Des weiteren steht der sehr wesentliche Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers außer Zweifel. Schließlich ist auch das weitere vom Verwaltungsgerichtshof verlangte Kriterium erfüllt, dass nämlich der relevante (hier: strafsatzändernde) Alkoholwert von 0,8 mg/l Atemluftalkoholgehalt nur geringfügig, nämlich um 0,02 mg/l, überschritten wurde.

Somit lagen die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 20 VStG vor, womit dem Berufungswerber ein Rechtsanspruch auf dessen Anwendung entstanden ist.

Die nunmehr festgesetzte Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S entspricht den Strafzumessungskriterien des § 19 VStG; einer Herabsetzung auf das nach § 20 VStG grundsätzlich möglich gewesene Ausmaß von 8.000 S stand allerdings der generalpräventive Aspekt der Strafe entgegen. Es soll auch bei besonders gelagerten Fällen, wie dem gegenständlichen, nicht der Eindruck erweckt werden, Alkoholdelikte würden mit einer unangemessenen Nachsicht geahndet werden.

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Leitgeb