Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107093/16/BI/La

Linz, 28.09.2000

VwSen-107093/16/BI/La Linz, am 28. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau M S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 5. Juni 2000, III-S-6.344/99/A, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, auf Grund des Ergebnisses der am 20. September 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Punkt 1) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt wird.

In den Punkten 2) und 3) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatzeitpunkt auf "17. Juli 1999" berichtigt wird, die Wortfolge "in W" zu entfallen hat und im Punkt 2) der Schuldspruch insofern ergänzt wird, als die Rechtsmittelwerberin insofern "keinen solchen Abstand vom nächsten vor ihr fahrenden Fahrzeug eingehalten hat ... , als dieser lediglich 2 bis 3 Fahrzeuglängen betrug".

II. Im Punkt 1) entfällt jeglicher Verfahrenskostenersatz.

Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 2) 300 S und 3) 400 S, insgesamt 700 S (entspricht 50,87 €), ds 20 % der verhängten Geldstrafen, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 und 62 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1, 45 Abs.1 Z1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz - VStG, §§ 7 Abs.1, 18 Abs.1 und 20 Abs.2 jeweils iVm 99 Abs.3 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960

zu II.: §§ 64 und 66 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit dem genannten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 7 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 3) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen in Höhe von 1) 500 S (24 Stunden EFS), 2) 1.500 S (60 Stunden EFS) und 3.) 2.000 S (72 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 17. Juli 2000 um 15.45 Uhr in W auf der I und auf der L Autobahn (A) das KFZ mit dem behördlichen Kennzeichen (D) gelenkt habe, wobei festgestellt worden sei, dass sie

1) von km 22.000 bis 14.500 der Innkreisautobahn (A8) und in weiterer Folge auf der L Autobahn (A ) von km 19.000 bis 14.500 ständig den linken Fahrstreifen befahren habe und daher nicht soweit rechts gefahren sei, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre,

2) von km 22,000 der A bis km 14,500 der A keinen solchen Abstand vom nächsten vor ihr fahrenden Fahrzeug eingehalten habe, dass jederzeit ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, selbst wenn das Vorderfahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre,

3) bei km 18,500 der Linzer Autobahn (A ) die für Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erheblich überschritten habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 400 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Nach den Parteien fristgerecht zugegangener Ladung wurde am 20. September 2000 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Erstinstanz, Mag. H, des kraftfahrtechnischen Sachverständigen Dipl.-Ing. H sowie des Zeugen RI F durchgeführt. Die Bw hat telefonisch mitgeteilt, dass sie weder selbst zur Verhandlung kommen noch einen Vertreter entsenden werde.

3. In der Berufung verweist die Bw auf ihre Aussage vom 4. Oktober 1999. Darin macht sie geltend, wenn sie tatsächlich durchgehend auf dem linken Fahrstreifen gefahren wäre, hätte der Polizist, der auf einer Straße mit zwei Spuren von der linken Seite gekommen sei, sie auf der Gegenfahrbahn als Geisterfahrer überholt haben müssen.

Sie frage sich, wie der Polizist aus einer Entfernung von 4 km hinter ihr durch ihr Fahrzeug hindurch einen Sicherheitsabstand zum vor ihr fahrenden Fahrzeug sehen habe können. Da das unmöglich sei, ergebe sich, dass dieser nur versuche, ihr etwas anzuhängen.

Zum Vorwurf, sie sei angeblich 180 km/h gefahren, habe sie vom Polizisten einen Beweis verlangt, worauf dieser gesagt habe, er sei Beweis genug. Das genüge ihr nicht. Sie verlange vielmehr ein Foto, aus dem ersichtlich sei, wie schnell sie gefahren sei. Es gebe vier Zeugen, die ihre Aussage bestätigen könnten.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der sämtliche Angaben der Bw im erstinstanzlichen Verfahren verlesen und erörtert, der Vertreter der Erstinstanz gehört, die Aussagen der im Rechtshilfeweg in Hamburg vernommenen Zeugen Ibrahim S, S A und U A - mit der Zeugin A A wurde seitens der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg kein Protokoll aufgenommen - verlesen und erörtert, der Meldungsleger zeugenschaftlich befragt und auf dieser Grundlage ein kraftfahrtechnisches Sachverständigengutachten durch den Amtssachverständigen Dipl.-Ing. H erstellt wurde.

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Meldungsleger RI F (Ml), ein Beamter der Autobahngendarmerie W, fuhr am Vorfallstag gegen 15.45 Uhr auf der I (A ) aus Richtung S kommend in Richtung W, wobei ihm zwei auf dem linken Fahrstreifen der zweispurigen Richtungsfahrbahn mit augenscheinlich zu geringem Nachfahrabstand bei überhöhter Geschwindigkeit fahrende und ihn überholende PKW auffielen. Der Ml war mit einem Dienstmotorrad der Marke BMW K1100 mit etwa 100 PS auf Streifenfahrt und beschloss, den beiden PKW nachzufahren. Nach seinen Aussagen hatte er bei km 22.000 der A , dh auf Höhe der Betriebsumkehr P, den PKW der Bw eingeholt, was auf dem linken Fahrstreifen leicht möglich gewesen sei. Bei der Nachfahrt habe er fast von Beginn an Blaulicht und Folgetonhorn am Motorrad eingeschaltet. Trotzdem sei die Bw auf der Strecke über den Autobahnknoten W (km 14.500 der A8 = km 19.000 der L Autobahn A ) hinaus bis km 14.500 der A auf dem linken Fahrstreifen geblieben, obwohl es trotz regem Verkehr an mehreren Stellen möglich gewesen sei, sich der Rechtsfahrordnung entsprechend rechts einzuordnen. Die Bw sei dem PKW vor ihr mit gleicher Geschwindigkeit nachgefahren, die laut nicht geeichtem Tachometer des Motorrades je nach Verkehrslage zwischen 160 und 190 km/h, aber nie unter 160 km/h betragen habe, sodass für ihn offensichtlich gewesen sei, dass die beiden Fahrzeuge zusammengehörten.

Bei der Nachfahrt etwa im Abstand der Reaktionszeit - der Ml schloss dezidiert einen Abstand von 150 bis 200 m oder gar 4 km aus; auf Meter genau konnte er sich wegen der inzwischen verstrichenen Zeit nicht festlegen - konnte er zum Teil beim Blick durch die Scheiben des PKW der Bw zum Teil durch Blicke seitlich am PKW vorbei feststellen, dass die beiden PKW einen ständigen Abstand von nur zwei bis drei Fahrzeuglängen einhielten. Der Ml hat die Schätzung bei seiner zeugenschaftlichen Befragung so erklärt, dass sich im Verlauf der A und der A Leitpflöcke im Abstand von 33 m befinden, wobei beide Fahrzeuge innerhalb eines solchen Leitpflockabstandes, dh innerhalb von 33 m, fuhren.

Nach seiner Aussage fuhr er bei km 18.500 der A schon längere Zeit in einem konstanten Nachfahrabstand hinter dem PKW der Bw nach und konnte auf dem Tachometer des Motorrades eine Geschwindigkeit von 180 km/h ablesen. Bei km 14.500 machte die Bw ihm schließlich Platz, indem sie auf den rechten Fahrstreifen hinüber gewechselt sei. Er habe ihr Handzeichen gegeben, ihm zu folgen, was sie auch getan habe, und die Verfolgung des vor ihr fahrenden PKW aufgenommen. Bei der Nachfahrt hinter diesem PKW habe er dann die Geschwindigkeit von 210 km/h auf dem (nicht geeichten) Tacho des Motorrades ablesen können. Nachdem er auch diesem PKW überholt gehabe hatte, habe die Amtshandlung bei der Ausfahrt Terminal W stattgefunden und später auf seiner Dienststelle, der Autobahngendarmerie Wels. Er habe beide Lenker aufgefordert, ihm die Fahrzeugpapiere und den Pass zu zeigen. Er habe der Bw auch den Dienstausweis gezeigt. Diese habe ihm zu verstehen gegeben, dass sie Beamtin beim deutschen Zoll sei und "schon wisse, wie das laufe". Er habe auch registriert, dass sie sein Dienstmotorrad und dessen Tachometer fotografiert habe.

Aus den in der Verhandlung verlesenen Aussagen der Zeugen I S, S und U A geht hervor, dass I S, der Ehegatte der Bw, vom Beifahrersitz des von ihr gelenkten PKW beobachtete, dass beide Fahrzeuge, dh auch der vor ihnen von U A gelenkte PKW, etwa 3 bis 4 Minuten den linken Fahrstreifen befuhren. Er habe eine Geschwindigkeit von etwa 140 km/h festgestellt und den Sicherheitsabstand zum vorderen Fahrzeug für ausreichend befunden. Als sie dann auf dem rechten Fahrstreifen gewesen seien, seien sie vom Polizeibeamten auf einem Motorrad heraus gewunken worden, indem ihnen dieser Zeichen gegeben habe ihm zu folgen. Die Amtshandlung habe dann auf einer Tankstelle stattgefunden. Es seien Fahrzeugpapiere und Pässe verlangt worden und der Polizeibeamte habe sie als "Scheiß Ausländer" bezeichnet und habe einen aufgeregten Eindruck gemacht. Sie hätten nach dem Dienstausweis gefragt, aber diesen nicht gezeigt bekommen. Er habe weder im Fahrverhalten seiner Frau noch in dem seinem Schwagers U A, dem Lenker des PKW vor ihnen, ein Fehlverhalten erkannt.

S A gab an, er habe sich auf dem Beifahrersitz des von seinem Sohn U gelenkten PKW befunden und könne zu der von diesem eingehaltenen Geschwindigkeit nichts sagen. Der Abstand zwischen den beiden PKW habe 150 bis 200 m betragen. Sie seien etwa 5 Minuten auf dem linken Fahrstreifen gewesen, um andere PKW zu überholen. Dann habe sich ein Polizeimotorrad vor den Wagen gesetzt und sie seien auf eine Tankstelle gewunken worden. Beschimpfungen seitens des Polizeibeamten habe er erst gehört, nachdem seine Tochter dessen Motorrad fotografiert gehabt hatte.

U A gab an, er sei nicht die ganze Zeit auf dem linken Fahrstreifen gefahren und auch nicht so schnell. Er habe den Vorwurf des Polizeibeamten gegen ihn und seine Schwester nicht verstanden, weil er den Dialekt des Polizeibeamten nicht verstanden habe. Er habe aber mitbekommen, dass er die Möglichkeit einer Nichtaussage habe; davon habe er Gebrauch gemacht. Er sei von einem Polizisten auf der Wache beleidigt worden; es sei das Wort "Scheiß Türke" gefallen. Ihm habe der Polizist seine Namenskarte verweigert; seiner Schwester sei eine Karte ausgehändigt worden. Er habe das Gefühl gehabt, unter Druck gesetzt zu werden. Seine Mutter sei hinten im PKW gesessen und habe von dem Vorfall nichts mitbekommen.

Auf der Grundlage dieser Zeugenaussagen gelangt der kraftfahrtechnische Amtssachverständige Dipl.-Ing. H in seinem Gutachten zum einen zum Schluss, dass beim nicht geeichten Tacho des Gendarmerie-Motorrades zunächst 7% des Skalenendwertes - 15,4 km/h bei 220 km/h - von der zur Last gelegten Geschwindigkeit 180 km/h abzuziehen sind, davon noch 2% Toleranz für Schätzfehler beim Nachfahren, ds 3,29 km/h, was einen fehlerbereinigten Endwert von 161,3 km/h ergibt: Bei einer Anzeige des Motorrad-Tachometers von 180 km/h bei km 18.500 der A wäre demnach von einem tatsächlichen Geschwindigkeitswert von 161,3 km/h auszugehen.

Unter Zugrundelegung eines Mindestnachfahrabstandes des Ml zum PKW der Bw in einer Größenordnung etwa des Reaktionsweges, dh 50 m, wäre bei einem Abstand der PKW der Bw und des Zeugen A innerhalb eines Leitpflockabstandes von 33 m von einem Abstand von 12 m auszugehen, was dem in einer Reaktionszeit von 0,27 sek zurückgelegten Weg entspricht. Die Unterschreitung eines Mindest-Sicherheitsabstandes von 0,8 sek würde nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen bei überraschendem Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeuges zu einem unvermeidlichen Auffahren führen, weil der Abstand allein für das Reagieren aufgebraucht würde. Der Mindest-Nachfahrabstand bei einer Geschwindigkeit von 161,3 km/h müsste mindestens 36 m betragen.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum einen zu der Auffassung, dass es einem Beamten der Autobahngendarmerie, der im Hinblick auf Nachfahrten auf der Autobahn mit dem seiner Dienststelle zugeteilten und von ihm ständig benutzten Motorrad auch mit höheren Geschwindigkeiten geübt und versiert ist, zuzumuten ist, feststellen zu können, ob zwei hintereinander fahrende PKW den linken Fahrstreifen benutzen, ob sich auf dem rechten Fahrstreifen ausreichend große Lücken im aufgelockerten Kolonnenverkehr befinden, die ein Rechtseinordnen ohne Behinderung oder Gefährdung nachkommender Lenker ermöglichen und welchen Nachfahrabstand zueinander diese beiden PKW einhalten. Auf Grund seiner Schulung betreffend die Feststellung von Geschwindigkeiten im Nachfahren in einem annähernd gleichbleibendem Sicherheitsabstand ist ihm auch zuzumuten, einem PKW in einem solchen Abstand nachzufahren, der es ihm erlaubt, anhand des eigenen Tachowertes Rückschlüsse auf die von diesem PKW eingehaltene Geschwindigkeit zu ziehen, auch wenn er sich dabei an dem vom (ungeeichten) Tacho seines Motorrades angezeigten Wert zu orientieren hat.

Zum anderen vermag der unabhängige Verwaltungssenat auch keine Anhaltspunkte für irgendwelche Zweifel an den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zu finden. Die Reaktionszeit von 0,8 sek wurde der deutschen Praxis nachempfunden und auch die Berechnung der Tachoabweichung entstammt der deutschen Literatur, sodass die Bw nicht schlechter gestellt ist als bei einem ähnlichen Verfahren in Deutschland. Auch dort wird im Übrigen Hintereinanderfahren mit lebensgefährlichem Abstand zueinander bei hoher Geschwindigkeit nicht geduldet.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat Folgendes erwogen:

Zu Punkt 1):

Gemäß § 7 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens steht für den unabhängigen Verwaltungssenat ohne Zweifel fest, dass die Bw auf der vom Ml angegebenen Nachfahrtstrecke von km 22.000 der A8 bis km 14.500 der A ausschließlich den linken Fahrstreifen benützt hat, obwohl auf dem rechten Fahrstreifen immer wieder ausreichende Möglichkeiten zum Rechtseinordnen gemäß der Rechtsfahrordnung bestanden hätten. Auch die Zeugen S und A haben dieses Linksfahren bestätigt, auch wenn die Angaben über die Dauer mit 3 bis 4 bzw 5 Minuten variieren. Zu bedenken ist allerdings, dass eine Wegstrecke von 12 km mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 160 km/h (siehe unten) in einer Zeit von etwas mehr als 4 Minuten zu durchfahren ist. Die Zeugenangaben sind somit diesbezüglich schlüssig; die Ausführungen der Bw vom Ml als "Geisterfahrer" auf der Gegenfahrbahn sprechen hingegen für sich.

Allerdings ist in formeller Hinsicht davon auszugehen, dass der Bw der nunmehr seit der 19. StVO-Novelle ergänzte gesetzliche Wortlaut des § 7 Abs.1 StVO 1960 nicht vollständig zur Last gelegt wurde. Die Strafverfügung enthielt nicht das Tatbestandsmerkmal "ohne eigene Gefährdung" und innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist wurde eine Ergänzung auch nicht vorgenommen. Es war daher im Punkt 1) der Berufung Folge zu geben und das Verfahren gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG einzustellen.

Zu Punkt 2):

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

Der von der Bw eingehaltene Abstand zum PKW A wurde vom Sachverständigen nach den glaubhaften Schilderungen des Ml schlüssig mit etwa 12 m errechnet. Ein solcher "Sicherheitsabstand" entspricht einer Wegstrecke, die in 0,27 (!) sek durchfahren wird. Selbst wenn bei einem aus irgendeinem Grund plötzlich erforderlichen Bremsmanöver des vorderen PKW beiden der gleiche Bremsweg zuzubilligen ist, würde dies bedeuten, dass die Bw innerhalb von 0,27 sek auf das Aufleuchten der Bremslichter des vorderen PKW reagieren müsste, um ein Auffahren noch vermeiden zu können. Selbst bei einem jungen Lenker, dessen Reaktionszeit innerhalb der im Straßenverkehr üblichen Grenzen liegt, ist eine solche von 0,27 sek unwahrscheinlich und unmöglich.

Zugrundezulegen ist vielmehr eine - im Übrigen auch in Deutschland angenommene - Mindest-Reaktionszeit von 0,8 sek, was bei 161,3 km/h (siehe unten) einem Nachfahrabstand von mindestens 36 m - somit etwa in der Größenordnung eines Leitpflockabstandes - entsprechen würde, die die Bw laienhaft erkennbar nicht eingehalten hat. Die Aussagen der Zeugen, die den Abstand lapidar für ausreichend erachtet haben, sind diesbezüglich nicht relevant; der Nachfahrabstand des Ml von etwa 50 m und die dabei bestehende Sicht durch die Scheiben des PKW des Bw bzw seitlich daran vorbei ermöglichen hingegen sehr wohl eine Feststellung des in diesem Ausmaß zu geringen Nachfahrabstandes. Abgesehen davon ist für den unabhängigen Verwaltungssenat in keiner Weise nachvollziehbar, aus welchem Grund der Ml gegen Unbekannte einen "Privatkrieg" führen sollte. Seine Aufgabe ist vielmehr, für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen, wobei ihm beim Verdacht von Übertretungen die Erstattung von Anzeigen gegen uneinsichtige Fahrzeuglenker selbstverständlich offen steht.

Zu Punkt 3):

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Der Sachverständige hat im Wege einer - im Übrigen in Deutschland entwickelten - Berechnungsmethode schlüssig festgestellt, dass nach den entsprechenden Abzügen vom bei km 18.500 der A angezeigten Wert des ungeeichten Tachometers des Gendarmeriemotorrades letztendlich von einer von der Bw eingehaltenen Geschwindigkeit von 161,3 km/h auszugehen ist, was zweifellos über der auf Autobahnen generell und der A bei km 18.500 speziell erlaubten Geschwindigkeit von 130 km/h liegt.

Richtig ist, dass ein Foto von der zur Last gelegten Übertretung nicht erforderlich ist, sondern dass gemäß § 46 AVG iVm § 24 VStG die Aussage des Ml ebenso wie die Aussagen der übrigen Zeugen und des Gutachtens des Sachverständigen im Verwaltungsstrafverfahren zulässige Beweismittel sind, die vom über die Berufung erkennenden Mitglied des UVS der freien Würdigung zu unterziehen sind. Die Auskunft des Ml der Bw gegenüber war daher inhaltlich richtig.

Dass ein Motorradlenker im Rahmen einer Nachfahrt mit 160 km/h über 12 km nicht auch noch in der Lage ist, ein Foto anzufertigen, liegt wohl auf der Hand. Es wurde auch nie die Anfertigung eines Fotos, das der Bw nicht gezeigt worden wäre, behauptet.

Aus all diesen Überlegungen gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Überzeugung, dass die Bw die ihr nunmehr in modifizierter bzw berichtigter Form gemäß § 44a Z1 VStG - die Strafverfügung und das Rechtshilfeersuchen der Erstinstanz an die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Oktober 1999 sind im Hinblick auf die zu gewährende Akteneinsicht, dh Einsicht auch in die Anzeige, als rechtzeitige Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Frist, die am 17. Jänner 2000 abgelaufen ist, zu werten; der Tatzeitpunkt war hinsichtlich der Jahresangabe als offenkundiger Schreibfehler gemäß § 62 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG zu berichtigen - in den Punkten 2) und 3) zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und ihr Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal ihr auch nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass sie an der Nichtbefolgung der genannten Bestimmungen kein Verschulden trifft. Im Fall der Unkenntnis der auf österreichischen Autobahnen zu beachtenden Geschwindigkeitsbeschränkungen wäre sie verpflichtet gewesen, sich vor der Einreise entsprechend zu informieren. Im Übrigen sind an den Grenzübertrittsstellen entsprechende Informationstafeln angebracht.

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen für die genannten Übertretungen gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S Geldstrafe bzw im Nichteinbringungsfall bis zu 2 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses - zutreffend - die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Bw als Milderungsgrund berücksichtigt, nichts als erschwerend gewertet und im Übrigen von der Bw unwidersprochen deren Monatseinkommen mit umgerechnet mindestens 17.000 S, also etwa 2.400 DM, beim Fehlen jeglicher Sorgepflichten angenommen.

Der unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die Strafen liegen jeweils im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, entsprechen dem jeweiligen Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung und sollen die Bw in Hinkunft zur genauesten Beachtung der straßenpolizeilichen Bestimmungen - jedenfalls in Österreich - anhalten. Es steht ihr frei, bei der Vollzugsbehörde die Bezahlung der Geldstrafen in Teilbeträgen zu beantragen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz in den Punkten 2) und 3) und dessen Entfall im Punkt 1) ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Bissenberger

Beschlagwortung:

§ 7 Abs.1 StVO wurde idFd 19. StVO-Novelle ergänzt à vorstehender Tatvorwurf erfolgte während Frist nicht, Ergebnis unzulässig à Einstellung; Punkte 2) und 3) nach Ergebnissen des Beweisverfahrens bestätigt, auch Strafhöhe.

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