Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-107095/3/SR/Ri

Linz, 22.09.2000

VwSen-107095/3/SR/Ri Linz, am 22. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des P F K, geb., Sstraße, A/D, gegen die Spruchpunkte 1 und 2 des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von E, vom 14. Juni 2000, VerkR96-2148-1999, wegen Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

I. Die Berufung gegen die Spruchpunkte 1 und 2 wird in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen und diesbezüglich das Straferkenntnis bestätigt.

Der diesbezügliche Strafausspruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird aufgehoben. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als gemäß § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 21, § 51e Abs.3 Z3 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 26/2000 - VStG

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit oben bezeichnetem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von E wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"1. Sie haben am 22.11.1999 um 11.05 Uhr als Lenker des LKW's der Marke VW, Type LT 35, mit dem amtlichen Kennzeichen in L auf der Rrstraße vor dem Objekt Rstraße Nr. verbotener Weise den Gehsteig benützt, indem Sie das Fahrzeug auf diesem so abstellten, dass das Kraftfahrzeug mit der rechten Fahrzeugseite und beiden Rädern ca. 0,5 Meter am Gehsteig stand.

2. Sie haben am 22.11.1999 um 11.05 Uhr in L, Rstraße, als Lenker den LKW der Marke VW, Type LT 35, mit dem amtlichen Kennzeichen, im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" abgestellt.

3. Sie haben sich am 22.11.1999 als Lenker des Lastkraftfahrzeuges der Marke VW, Type LT 35, mit dem amtlichen Kennzeichen, vor Antritt der Fahrt, obwohl es zumutbar war, nicht davon überzeugt, dass das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspricht.

Mängel: Am LKW fehlten an der rechten Außenseite sämtliche Gewichtsangaben, wie Eigengewicht, höchstes zulässiges Gesamtgewicht, höchste zulässige Achslasten und die höchste zulässige Nutzlast.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

  1. § 8 Abs.4 erster Satz i.V.m. § 99 Abs.3 lit.a der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl.Nr. 159/1960 i.d.g.F. (StVO 1960)
  2. § 24 Abs.1 lit.a i.V.m. § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960
  3. §§ 102 Abs.1 und 27 Abs.2 i.V.m. § 134 Abs.1 KFG 1967

Wegen diesen Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von

  1. S 700,--
  2. S 700,--
  3. S 400,--

falls diese uneinbringlich sind, Ersatzfreiheitsstrafen von

  1. 24 Stunden
  2. 24 Stunden
  3. 13 Stunden

gemäß

  1. und 2. § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960
  2. 3.  § 134 Abs.1 KFG 1967

    Ferner haben Sie gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52/1991 i.d.g.F. (VSTG) zu zahlen: S 180,--

    Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 1.980,-- Schilling (=143,89 Euro). Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen § 54 d VStG)."

  3. Gegen dieses am 16. Juni 2000 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 30. Juni 2000 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen begründend aus, dass die angelasteten Übertretungen von zwei Polizeibeamten festgestellt worden seien, deren Zeugenaussagen bereits im Hinblick auf die Stellung und der Wahrheitspflicht ungleich höher zu bewerten gewesen seien, als die Angaben des Bw, der sich ohne strafrechtlicher Sanktion nach jeder Seite hin frei verantworten könnte. Die Verwaltungsübertretung sei vom Bw nicht bestritten worden, sondern es sei lediglich auf eine Bewilligung des Magistrates der Stadt L hingewiesen worden.

Bei der Strafbemessung wäre auf § 19 VStG Bedacht genommen worden, strafmildernde und straferschwerende Gründe seien nicht bekannt geworden.

2.2. Dagegen führt der Bw aus, dass das Verwaltungsstrafverfahren mangels Zeugeneinvernahme mangelhaft sei. Es würde nicht angehen, dass ihm schuldhaftes Verhalten zugerechnet würde, obwohl der Schulwart und der Vater glaubhaft erklärt hätten, dass das Abstellen im Halteverbot und das Befahren des Gehsteiges aufgrund einer bescheidmäßig erteilten Ausnahmegenehmigung zulässig sei. Von der im Erkenntnis angeführten Gewichtsbegrenzung sei ihm niemals etwas mitgeteilt worden.

Da die Berufung betreffend der angefochtenen Spruchpunkte unklar formuliert war wurde der Bw um Konkretisierung ersucht. Am 15. September 2000 teilte der Bw telefonisch mit, dass die Anfechtung nur die Spruchpunkte 1 und 2 umfasst hat. Die schriftliche Bestätigung langte am 21. September 2000 beim unabhängigen Verwaltungssenat ein.

Ergänzend zu den Berufungsausführungen führte der Bw aus, dass es bereits vor der gegenständlichen Amtshandlung eine Beanstandung der Polizei gegeben hätte. Damals sei dem einschreitenden Organ vom Schulwart der Bescheid vorgewiesen worden und der Beamte hätte daraufhin erklärt, dass alles in Ordnung wäre und die Zustelltätigkeit sei fortgesetzt worden.

2.3. Auf Grund der vorgelegten Akten und der Mitteilung des Bw steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Der Bw hat unbestrittenermaßen den im Spruchpunkt 1 und 2 des angefochtenen Straferkenntnisses dargestellten Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt. Das Befahren des Gehsteiges und das Missachten des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" geschah aufgrund unzutreffender Informationen Dritter.

2.4. Das Vorbringen des Bw zu der objektiven Tatbestandsmäßigkeit deckt sich mit dem Ermittlungsergebnis der Behörde erster Instanz und den Ausführungen zur Schuld kann die Glaubwürdigkeit nicht abgesprochen werden. Entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz bedarf es im gegenständlichen Fall keiner wertenden Gegenüberstellung der Zeugenaussagen mit der Verantwortung des Bw, da die objektive Tatseite auf Grund übereinstimmender Aussagen unbestritten ist.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft E, VerkR96-2148-1999; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und in den angefochtenen Spruchpunkten des Straferkenntnisses keine 3.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt, sowie ein entsprechender Antrag von den Verwaltungsparteien nicht gestellt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z3 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 8 Abs. 4 der StVO ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern verboten. Dieses Verbot gilt nicht:

1. für das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hiefür vorgesehenen Stellen,

2. für das Befahren von Mehrzweckstreifen mit Fahrzeugen für welche der links an den Mehrzweckstreifen angrenzenden Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist, wenn dadurch Radfahrer weder gefährdet noch behindert werden, sowie

3. für Arbeitsfahrten mit Fahrzeugen oder Arbeitsmaschinen, die nicht mehr als 1.500 kg Gesamtgewicht haben und für die Schneeräumung, die Streuung, die Reinigung oder Pflege verwendet werden.

Gemäß § 24 Abs. 1 lit. a StVO ist das Halten und Parken verboten

a) im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z.13b.

Der Bw hat am 22.11.1999 um 11.05 Uhr in L, Rrstraße, als Lenker den LKW der Marke VW, Type LT 35, mit dem amtlichen Kennzeichen den Gehsteig mit 2 Rädern befahren, in der Folge den bezeichneten Lkw im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" unberechtigterweise abgestellt und dadurch objektiv tatbestandsmäßig gehandelt.

4.2. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht aus (VwGH 24.5.1989, 89/02/0017, 24.2.1993, 92/03/0011, siehe auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 759).

Das "Glaubhaftmachen" - ohne Verschulden die Verwaltungsvorschrift verletzt zu haben - bedeutet, dass der Bw Umstände anzuführen vermag, die beim unabhängigen Verwaltungssenat Zweifel wecken, ob ihm tatsächlich Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Die vorgebrachten Gründe des Bw weisen darauf hin, dass dieser die angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht vorsätzlich begangen hat. Sie zeigen auch, dass sich der Bw grundsätzlich der Verbotsnormen bewusst war. Ob sich der Verbotscharakter der in Frage stehenden Bestimmungen und die Reichweite der Verbote durch Erlassung des angeführten Bescheides - der zwar nicht an den Bw ergangen ist, dessen Wirkungen aber ihn betreffen können - soweit geändert hat, dass man von einer Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift (der Bescheid war dem Bw dem Inhalt nach nur vom Hörensagen bekannt) im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG sprechen kann, ist fraglich. Selbst wenn man dies annehmen würde, läge ein vorwerfbarer Rechtsirrtum vor. Der Bw war als "Zulieferer" nach seinen Verhältnissen verpflichtet, sich mit den einschlägigen "Vorschriften" vertraut zu machen. Die sich aufgrund der Tatsächlichkeiten als absolut darstellenden Verbotsnormen wurden durch Bescheid, nicht für jedermann sichtbar, für einen bestimmten Personenkreis bei Beachtung der vorgeschriebenen Auflagen in ihrer Verbindlichkeit eingeschränkt. Der an einen Dritten gerichtete Bescheid kann zwar nicht als "einschlägige Vorschrift" betrachtet werden, muss aber in diesem Zusammenhang durch den Hinweis des Bw bei Schuldbeurteilung beachtet werden. Da der Bw nur bei Kenntnis des tatsächlichen Umfanges der Einschränkung der Verbotsnormen von einer Rechtmäßigkeit seines Verhaltens ausgehen hätte können, wäre er verpflichtet gewesen, selbst in den Bescheid Einsicht zu nehmen. Bei entsprechender Sorgfalt wäre dem Bw wie jedem anderen Durchschnittsmenschen das Unrecht der Tat leicht erkennbar gewesen. Der (hypothetische) Rechtsirrtum ist somit vorwerfbar.

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass der Bw leicht fahrlässig gehandelt hat, da er Zumutbarerweise nicht selbst in den bezeichneten Bescheid Einsicht genommen, sondern die Hinweise Dritter für ausreichend erachtet hat, obwohl er nach den Umständen dazu verpflichtet gewesen wäre. Von leichter Fahrlässigkeit war auszugehen, da der Bw glaubhaft Erkundigungen eingeholt hat.

Der Bw hat somit tatbestandsmäßig, rechtswidrig und leicht fahrlässig gehandelt.

4.3. Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Geringfügiges Verschulden liegt schon auf Grund der dargelegten leichten Fahrlässigkeit vor. Weiter ist laut der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Schuld nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Im Gegensatz zum grundsätzlich typisierten Unrechtsgehalt und Schuldgehalt der übertretenen Normen bleibt die Schuld hier erheblich zurück. Bei Beachtung der Bescheidauflagen ist die Benützung des Gehsteiges für Lkw mit einem über 7,5 t höchstzulässigem Gesamtgewicht im Halteverbot vor dem Haus Rstraße gestattet. Da sich durch die Bewilligung zwangsläufig eine Beeinträchtigung sowohl des Fußgänger- als auch des Fahrzeugverkehrs ergeben kann, eine solche im gegenständlichen Fall nicht eingetreten ist und der Bw sämtliche Auflagen mit Ausnahme der Unterschreitung der Gewichtsbeschränkung erfüllt hatte, ist davon auszugehen, dass hier im Gegensatz zu "unbeschränkten Verboten" der Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben ist. Es bestand daher ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG und der unabhängige Verwaltungssenat hatte von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

5. Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten

Mag. Stierschneider

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum