Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-107098/9/SR/Ri

Linz, 18.09.2000

VwSen-107098/9/SR/Ri Linz, am 18. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer, Vorsitzende: Dr. Klempt, Berichter: Mag. Stierschneider, Beisitzer: Dr. Langeder, über die Berufung des L M, Wstr. , L, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt L vom 13. Juni 2000, Zl: S-19.383/00-1, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung gegen die Schuld wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch zu lauten hat: "Sie haben am 30. Mai 2000, um 20.35 Uhr in L, A-, Fahrtrichtung N, Abfahrt V, weiter über Fstraße bis Wstraße Nr., den Pkw mit dem Kennzeichen L in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, da das eingeholte amtsärztliche Gutachten eine Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,22 %o ergeben hat". Die verletzte Rechtsvorschrift hat zu lauten: "§ 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1a StVO". Der Berufung gegen die Strafhöhe wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe mit 12.000 S (entspricht  872,07 Euro), im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit 10 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, festgesetzt wird.

II. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der ersten Instanz wird auf 1.200 S (entspricht  87,21 Euro) reduziert. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war nicht vorzuschreiben.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 29/2000 - AVG iVm § 24, § 19, § 51c und § 51e Abs.4 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 26/2000 - VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 30.05.2000, um 20.35 Uhr in L, A, Fahrtrichtung N, Abfahrt V, weiter über Fstraße bis Wlstraße Nr., den PKW mit dem Kennzeichen L in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, da eine Messung mittels Atemalkoholmeßgerätes einen Meßwert von 0,90 mg/l ergeben hat.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 5/1 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Falls diese unein- Arreststrafe gem.§

Schilling bringlich ist, Ersatz- von

arrest von

1.600,-- 10 Tage EA ---- 99/1, lit.a StVO

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gem. § 64 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) zu zahlen:

16.000,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich 200 S angerechnet);

Schilling als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 17.600,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d Abs.1 VStG).

2. Gegen dieses dem Bw am 13. Juni 2000 verkündete Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 26. Juni 2000 - und damit rechtzeitig - bei der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung.

2.1. Im angeführten Straferkenntnis führt die Behörde erster Instanz in der Begründung im Wesentlichen aus, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung durch die Anzeige und das Geständnis erwiesen sei. Bei der Bemessung der Strafe sei auf § 19 VStG hinreichend Bedacht genommen und mildernd sei Einsichtigkeit und völlige Unbescholtenheit gewertet worden.

2.2. Dagegen bringt der Bw ua. vor, dass die durch Alkotest festgestellte Alkoholisierung nicht mit einem Verkehrsunfall in Zusammenhang gestanden wäre und er demnach keinen "verbotenen Nachtrunk" getätigt habe. Den Nachtrunk habe er bereits gegenüber den einschreitenden Beamten angegeben und Zeugen namhaft gemacht. Diese Aussage sei auch in der Anzeige vermerkt worden. Trotzdem sei keine Rückrechnung des Alkoholgehaltes auf den Zeitpunkt des Lenkens vorgenommen worden.

3. Die Bundespolizeidirektion L hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

3.1. Auf Grund der Berufungsangaben wurde bei der Landessanitätsdirektion des Amtes der Oö. Landesregierung ein Aktengutachten eingeholt. Gegenständliches Gutachten wurde dem Bw im Zuge der Akteneinsicht zur Kenntnis gebracht und telefonisch wurde mitgeteilt, dass die Abgabe einer Stellungnahme nicht beabsichtigt ist.

Die Behörde erster Instanz und der Berufungswerber haben ausdrücklich auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.

3.2. Auf Grund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

Der Bw hat am 30. Mai 2000, um 20.35 Uhr in L, A, Fahrtrichtung N, Abfahrt V, weiter über Fstraße bis Wlstraße Nr., den Pkw mit dem Kennzeichen L in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Nach Beendigung der Fahrt hat der Bw bis zum Eintreffen der einschreitenden Beamten zwei Halbe Bier konsumiert. Die um 21.05 Uhr im Wachzimmer Polizeidirektion durchgeführte Atemalkoholuntersuchung hat einen relevanten Messwert vom 0,90 mg/l ergeben. Von der Behörde erster Instanz wurde der Nachtrunkbehauptung keine Bedeutung beigemessen. Das vom unabhängigen Verwaltungssenat eingeholte amtsärztliche Gutachten hat eine Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,22 %o ergeben.

3.3. Das Vorbringen des Bw betreffend des Nachtrunkes deckt sich im Wesentlichen mit den Aussagen, die er bei der Amtshandlung getätigt hat. Die Angaben in der Anzeige werden unabhängig davon vom am Ort der Amtshandlung anwesenden Schwager des Bw bestätigt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kommen Angaben, die in einem sehr engen zeitlichen Verhältnis zu einem Vorfall gemacht werden, der Wahrheit am nächsten bzw sind sie glaubwürdiger als spätere, nach einiger Überlegenszeit bzw allfälliger Beratung, getätigte Aussagen. In diesem Lichte kann auch die im späteren Verfahren erfolgte Erhöhung der genossenen Alkoholmenge gesehen werden. Der in der Berufungsschrift dargelegte höhere Alkoholkonsum wird mangels Glaubwürdigkeit als reine Schutzbehauptung gewertet. Die Alkoholisierung beim Lenken des bezeichneten Pkws wurde bei der Vorsprache vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr in Frage gestellt. Das Sachverständigengutachten ist schlüssig, Fehler gegen die Denkgesetze sind nicht hervorgekommen und die Meinung der Sachverständigen entspricht dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Forschung und Erkenntnis.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Da im vorliegenden Verfahren der Bw mit einer Geldstrafe in der Höhe von 16.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens die 6. Kammer des Oö. Verwaltungssenates zuständig.

4.2. Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 12.000 S bis 60.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

4.3. Abgesehen von der Höhe des festgestellten Alkoholgehaltes der Atemluft blieb der alkoholbeeinträchtigte Zustand zum Zeitpunkt des Lenkens unbestritten. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw, der sich auf einen sogenannten "Nachtrunk" beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols dezidiert zu behaupten und zu beweisen (vergl. VwGH vom 25.4.1985, 85/02/0019; 26.4.1991, 91/18/0005). Der Bw hat sowohl die Menge des genossenen Alkohols (2 Halbe Bier) dargelegt und den Beweis über den Zeitpunkt des Konsums (Aussage des Schwagers) erbracht.

Somit war das Ergebnis der Atemalkoholuntersuchung (0,90 mg/l) mittels Sachverständigengutachtens neu zu beurteilen. Zu einer vergleichbaren Situation hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Erstellung eines Sachverständigengutachtens über den Blutalkoholgehalt lediglich aufgrund von Zeugenaussagen über die Art und Menge des genossenen Alkohols zulässig ist (E vom 11.5.1984, 83/02/0515, ZVR 1985/93).

Gemäß § 46 AVG iVm § 24 VStG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Auch wenn der Schwager nicht förmlich als Zeuge einvernommen worden ist, kommt seinen Angaben betreffend dem Alkoholkonsum (gegenüber den einschreitenden Beamten) und den Aussagen des Bw eine solche Beweiskraft zu, dass diese die Grundlage für das Sachverständigengutachten bilden konnten. Da die Voraussetzungen entsprechend der zitierten Rechtsprechung vorliegen, konnten diese analog für die Berechnung der Nachtrunkmenge und der Erstellung des "Tatzeit-Blutalkoholgehaltes" herangezogen werden. Die Amtssachverständige kommt ausgehend vom Messergebnis und unter Berücksichtigung der abzuziehenden Nachtrunkmenge zum Lenkzeitpunkt auf einen Alkoholgehalt des Berufungswerbers von 1,22 Promille. Nachdem der Bw zum angelasteten Zeitpunkt den bezeichneten Pkw am Tatort mit einem Blutalkoholgehalt von 1,22 Promille gelenkt hat, ist von der objektiven Tatbestandsmäßigkeit auszugehen.

Unabhängig davon, dass der Bw im Zuge des Berufungsverfahrens die Alkoholisierung beim Lenken nicht mehr bestritten hat, hätten ihm aufgrund der konsumierten Alkoholmenge vor dem Lenken die Folgen des Restalkohols für den Blutalkoholgehalt bekannt sein müssen.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

4.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht aus (VwGH vom 24.5.1989, 89/02/0017, 24.2.1993, 92/03/0011, siehe auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 759).

Mangels entsprechender Behauptungen ist davon auszugehen, dass der Bw zumindest fahrlässig gehandelt hat.

4.5. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Die Strafbestimmung des § 99 Abs. (1a) StVO sieht eine Geldstrafe von 12.000S bis 60.000. S und im Falle der Uneinbringlichkeit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen vor. Im Gegensatz zum Ermittlungsergebnis der Behörde erster Instanz hatte der unabhängige Verwaltungssenat nach der Berücksichtigung der abzuziehenden Nachtrunkmenge und des festgestellten Blutalkoholgehaltes von 1,22 Promille die Strafbestimmung des § 99 Abs. (1a) StVO heranzuziehen. Da der Bw den gesetzlich vorgegebenen Rahmenwert von 1,2 Promille nur geringfügig überschritten hat und das Ausmaß der Tatschuld die der gesetzlichen Strafbestimmung immanenten Schutzinteressen nicht überstieg, war unter Bedachtnahme auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse die Mindeststrafe zu verhängen. Straferschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen. An Milderungsgründen war lediglich die strafrechtliche Unbescholtenheit zu werten.

Die spruchgemäß festgesetzte Strafe trägt dem Gedanken der Spezialprävention Rechnung und wird als ausreichend erachtet, um den Bw zur Einsicht und zur Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu bringen. Eine Unterschreitung der Mindeststrafe im Zuge der außerordentlichen Strafmilderung konnte mangels beträchtlich überwiegender Milderungsgründe nicht vorgenommen werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem einschlägigen Erkenntnis ausgesprochen hat, müssen dafür mehrere Voraussetzungen vorliegen (VwGH vom 20.1.1993, 92/02/0280). Darüber hinaus bot der zu beurteilende Sachverhalt keine Anhaltspunkte für geringfügiges Verschulden und unbedeutende Folgen. Da das Tatverhalten des Beschuldigten keinesfalls hinter dem typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung zurückbleibt, war auch die Rechtswohltat des § 21 VStG nicht in Erwägung zu ziehen.

5. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der ersten Instanz war auf 1.200 S (entspricht 87,21 Euro) zu reduzieren. Ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren war gemäß § 65 VStG nicht vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. Klempt