Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-107166/6/Le/La

Linz, 14.11.2000

VwSen-107166/6/Le/La Linz, am 14. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des H-J E, F 2 K, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. C B, P 11 - Dr. Th. S 18, R I, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 22.5.2000, Zl. VerkR96-6029-1999, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 14.11.2000, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straf-erkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 200 S (entspricht 14,53 Euro) zu entrichten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 64 Abs.1 und Abs.2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 22.5.2000 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des

1. § 4 Abs.2 zweiter Satz iVm § 99 Abs.2 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) und

2. § 15 Abs.4 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO

Geldstrafen in Höhe von je 500 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 10 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 2.8.1999 um 18.30 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen MIL in L auf der L bei km 8,3

es unterlassen,

1. nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienst-stelle sofort zu verständigen,

2. als Lenker eines Fahrzeuges beim Überholen nicht einen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom überholten Fahrzeug eingehalten, weil er die von ihm überholte Radfahrerin durch den rechten Außenspiegel gestreift habe.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 8.6.2000, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Zeugin E S ausdrücklich die Verständigung der Behörde abgelehnt hätte. Außerdem hätte er bereits in seiner Stellungnahme vom 9.11.1999 deponiert, dass er sehr wohl einen gehörigen und dem Gesetz entsprechenden Sicherheitsabstand beim Überholvorgang eingehalten habe. Zur Berührung wäre es nur dadurch gekommen, dass die Radfahrerin gerade zum Zeitpunkt des Überholens eine Bewegung nach links durchgeführt und erst durch dieses Verhalten eine Berührung mit dem Außenspiegel des Fahrzeuges des Berufungswerbers ermöglicht worden sei.

Mit Eingabe vom 10.1.2000 hätte er den Antrag gestellt, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt werde, anlässlich einer persönlichen Einvernahme vor der erkennenden Behörde die Situation darzustellen. Trotz ausdrücklichem Antrag sei die persönliche Einvernahme nicht durchgeführt worden.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes hat der Unabhängige Verwaltungssenat für 14. November 2000 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, an der der Rechtsvertreter des Berufungswerbers teilnahm. Der Berufungswerber war nicht erschienen, weshalb seine persönliche Einvernahme nicht durchgeführt werden konnte; die Erstbehörde hatte sich telefonisch entschuldigt.

Im Rahmen der Verhandlung wurde der Verwaltungsstrafakt der Erstbehörde verlesen, insbesondere die Verkehrsunfallanzeige vom 24.8.1999 mit der darin enthaltenen Verantwortung des Berufungswerbers, und auch die Zeugenaussage der Frau E S vom 10.12.1999.

Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers gab an, dass er diesen trotz mehrmaliger Versuche nicht erreicht hätte.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Wenn in dem mit Berufung angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern durch Einzelmitglied. Ansonsten entscheiden sie, abgesehen von den gesetzlich besonders geregelten Fällen, durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit Geldstrafen in Höhe von je nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Zum zweiten Tatvorwurf:

Nach § 15 Abs.4 StVO ist beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten.

Die Beantwortung der Frage, welcher seitliche Abstand als "entsprechend" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, hängt von der jeweiligen Verkehrssituation im Einzelfall ab und ist unter anderem unter Bedachtnahme auf die Fahrgeschwindigkeit und die Art des überholenden und überholten Fahrzeuges zu beurteilen. Beim Überholen eines einspurigen Fahrzeuges muss jedenfalls ein größerer Seitenabstand als beim Überholen eines mehrspurigen Fahrzeuges eingehalten werden.

Der Berufungswerber hat sich damit verantwortet, dass die Radfahrerin gerade zum Zeitpunkt des Überholens eine Bewegung nach links durchgeführt und erst durch dieses Verhalten eine Berührung des Außenspiegels seines Fahrzeuges ermöglicht wurde.

Die Radfahrerin hat dagegen in ihrer Zeugenaussage vom 10.12.1999 unter Wahrheitspflicht ausgesagt, am rechten Fahrbahnrand gefahren zu sein und das Fahrrad nicht zur Fahrbahnmitte gelenkt zu haben.

Es ist in der Anzeige vermerkt, dass die Polizeiinspektion G im R am 3.8.1999 ersucht worden war, den nunmehrigen Berufungswerber auszuforschen und zum Sachverhalt zu befragen. Dort habe dieser im Vorgespräch zur Vernehmung gegenüber PHK R angegeben, von der Sonne geblendet worden zu sein und die Radfahrerin nicht gesehen zu haben. Dadurch habe er diese mit dem Außenspiegel gestreift.

Aus dieser Zeugenaussage und der ersten Verantwortung des Berufungswerbers wird deutlich, dass der Berufungswerber den Seitenabstand zur Radfahrerin gar nicht einhalten konnte, weil er diese eben nicht gesehen hatte. Wenn er die Radfahrerin aber nicht gesehen hatte, dann konnte er nicht bewusst einen erforderlichen Abstand einhalten.

Damit aber ist der Tatbestand des § 15 Abs.4 StVO in objektiver Hinsicht verwirklicht.

4.3. Zum ersten Tatvorwurf:

Gemäß § 4 Abs.2 StVO haben die in Abs.1 genannten Personen Hilfe zu leisten, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.

Die in Abs.1 genannten Personen sind jene, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht.

Dadurch, dass der Berufungswerber die Radfahrerin Elfriede Schwarz mit dem Außenspiegel seines PKW´s gestreift und dadurch an der Hand verletzt hat, stand sein Verhalten am Unfallort mit der Verletzung der Radfahrerin in ursächlichem Zusammenhang. Die Verletzung bewirkte eine Gesundheitsschädigung in der Dauer von einer Woche.

Der Berufungswerber hat nicht bestritten, keine Meldung an die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle gemacht zu haben. Er verantwortete sich damit, dass dies von Frau S ausdrücklich abgelehnt worden wäre.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht die Pflicht zur Verständigung der nächsten Polizeidienststelle auch bei "nicht nennenswerten" Verletzungen (VwGH vom 8.2.1980, ZfVB 6/1943). Diese Verständigungspflicht dient auch dem Zweck, dass sich die Sicherheitsbehörde vom körperlichen Zustand der unfallsbeteiligten Lenker, etwa im Hinblick auf eine allfällige Alkoholisierung, überzeugen kann (siehe VwGH vom 22.3.1991, ZfVB 1992/3/335 u.a.).

Von dieser Pflicht zur Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle kann auch eine Verletzte und Unfallsbeteiligte den Lenker nicht entbinden.

Der Berufungswerber hätte daher ungeachtet eines allfälligen ausdrücklichen Wunsches von Frau S die nächste Gendarmeriedienststelle verständigen müssen.

4.4. Hinsichtlich des Verschuldens bestimmt § 5 Abs.1 VStG, dass dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Diese gesetzliche Schuldvermutung trifft sohin bei den sogenannten "Ungehorsamsdelikten" zu. Bei den Ungehorsamsdelikten - die die meisten Verwaltungsdelikte darstellen - besteht das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges. Bereits die Nichtbefolgung eines gesetzlichen Gebotes oder Verbotes genügt zur Strafbarkeit; ein (schädlicher) Erfolg muss dabei nicht eingetreten sein.

Im vorliegenden Fall ist es dem Berufungswerber nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der angelasteten Vorschriften (die beide solche Ungehorsamsdelikte darstellen) kein Verschulden trifft, weshalb Verschulden in der Form der Fahrlässigkeit anzunehmen ist. Es handelt sich bei diesen Vorschriften um elementare Verpflichtungen nach einem Verkehrsunfall, deren Kenntnis von jedem Autofahrer verlangt werden muss bzw. deren Unkenntnis verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden ist.

4.5. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, dass diese entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde.

Die Voraussetzungen des § 21 VStG (Absehen von der Strafe bzw. Ausspruch einer Ermahnung) sind nicht erfüllt, weil weder das Verschulden des Berufungswerbers geringfügig ist noch die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ist in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten hat, der mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen ist. Da Geldstrafen in Höhe von insgesamt 1.000 S verhängt wurde, beträgt der Verfahrenskostenbeitrag für das Berufungsverfahren 200 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Leitgeb

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum