Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-107173/7/Le/La

Linz, 21.11.2000

VwSen-107173/7/Le/La Linz, am 21. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des O F, F 19, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 13.7.2000, Zl. VerkR96-360-2000-OJ/KB, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.11.2000 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 13.7.2000 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 21 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden kurz: StVO) eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe am 27.12.1999 um 8.15 Uhr in L den Kombi mit dem Kennzeichen L-L in L auf der A, Fahrtrichtung N, nach der Autobahnauffahrt P-E-S bis D gelenkt und dabei, ohne dass es die Verkehrssicherheit erfordert hätte, sein Fahrzeug jäh und für den Lenker des nachkommenden Fahrzeuges überraschend abgebremst, sodass andere Straßenbenützer dadurch gefährdet/behindert worden seien.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 21.8.2000, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes hat der Unabhängige Verwaltungssenat am 20.11.2000 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Berufungswerber teilnahm und die Meldungslegerin A Z als Zeugin befragt wurde; die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung blieb ohne Angabe von Gründen der Verhandlung fern.

Daraus ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

3.1. Die Zeugin Augustine Z schilderte den Vorfall wie folgt:

Der nunmehrige Berufungswerber sei damals im Bereich der Ausfahrt P-E-Straße auf der A, Richtungsfahrbahn N, auf dem linken Fahrstreifen, mit einer Geschwindigkeit von weniger als der erlaubten 80 km/h gefahren. Da keine anderen Fahrzeuge da waren, wäre sie rechts an ihm vorbeigefahren. Plötzlich hätte der überholte Lenker beschleunigt und ganz knapp vor ihr rechts auf den rechten Fahrstreifen übergewechselt. Daraufhin hätte er sein Fahrzeug stark abgebremst, und zwar fast oder gänzlich zum Stillstand. Sie hätte eine Vollbremsung machen müssen, um ihm nicht aufzufahren. Daraufhin sei der Lenker des anderen Fahrzeuges wieder weitergefahren und auch sie habe wiederum beschleunigt. Dabei hätte sie den Fahrstreifen gewechselt, worauf sich das Spiel wiederholt hätte. Bis zur Autobahnausfahrt D hätte sich dieses Spiel mehrmals wiederholt.

Zu dieser Zeit wäre sie nicht alleine im Auto gewesen, sondern hätte ihre kleine Tochter mitgehabt.

Die Autobahnabfahrt D hätte sie deshalb genommen, weil sie dort gewusst hätte, dass eine Polizeistation ist; dort wollte sie Anzeige erstatten.

3.2. Der Berufungswerber bestritt diese Darstellung des Sachverhaltes und wies darauf hin, dass am Tattag (es war der Montag nach den Weihnachtsfeiertagen) lockerer Kolonnenverkehr geherrscht hätte. Wenn er bei dieser Verkehrssituation sein Fahrzeug auf der A bis zum Stillstand abgebremst hätte, wäre es sicherlich zu einem Verkehrsunfall gekommen.

Er verwies darauf, dass er im Jahr ca. 50.000 km fahre und noch keine einzige Vorstrafe wegen eines Verkehrsdeliktes hat.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die Unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Im vorliegenden Fall war zu beweisen, ob der Berufungswerber tatsächlich, ohne dass es die Verkehrssicherheit erfordert hätte, sein Fahrzeug jäh und für die Lenkerin des nachkommenden Fahrzeuges überraschend abgebremst hat, sodass diese gefährdet oder behindert wurde.

Für die Darstellung des Sachverhaltes des durch die Zeugin und Anzeigerin, die bei ihrer Zeugenaussage vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, spricht, dass sich erfahrungsgemäß Fahrzeuglenker nur dann den Mühen einer Anzeigeerstattung und der zu erwartenden Aussagen vor der Strafbehörde unterziehen, wenn sich der Sachverhalt wirklich so zugetragen hat, wie er angezeigt wurde. Autolenker müssen sich nach diesen Erfahrungen in hohem Maße gefährdet gefühlt oder sehr geärgert haben, dass sie diese Mühewaltung auf sich nehmen.

Für die Darstellung des Berufungswerbers spricht, dass er bei seiner Vernehmung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ebenfalls einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, keinesfalls den eines Autorowdys, wie man bei der von der Anzeigerin geschilderten Darstellung vermuten würde. Er gab glaubhaft an, selbst zwei kleine Kinder im Alter von 4 und 7 Jahren zu haben und jährlich 50.000 km fahren zu müssen, weshalb er daher besonders vorsichtig wäre. Tatsächlich hat, wie die Ermittlungen der Erstbehörde ergaben, der Berufungswerber keine einzige Vorstrafe wegen einer Übertretung verkehrsrechtlicher Vorschriften.

Gegen die Anzeige (und somit die Annahme der Erstbehörde) spricht in objektiver Hinsicht, dass am 27.12.1999 um 8.15 Uhr (=Tatzeit) auf der A Richtungsfahrbahn Nord (=Tatort bzw. Tatstrecke) erfahrungsgemäß und üblicherweise kein so geringes Verkehrsaufkommen herrscht, dass ein oder gar mehrere Vollbremsungen bis fast oder gänzlich zum Stillstand der beiden Kraftfahrzeuge (Berufungswerber und Zeugin) ohne Unfallfolgen geblieben wären.

Zu bedenken ist weiter, dass bei einer Fahrtstrecke von der Ausfahrt P-E-Straße bis zur Ausfahrt D, sohin auf einer Strecke von ca. 4,5 Kilometern, durch die mehreren Bremsmanöver die von beiden beteiligten Fahrzeugen eingehaltene Durchschnittsgeschwindigkeit so gering geworden sein müsste, dass nachfolgende Fahrzeuge zwangsweise aufgeschlossen hätten. Diese hätten durch ein Verhalten des Berufungswerbers, wie dies angezeigt wurde, ebenfalls gefährdet sein müssen. Davon war in der Anzeige aber keine Rede. Es gab auch aktenkundig keine weitere Anzeige.

Schließlich ist festzustellen, dass zwischen der Ausfahrt P-E-Straße und der von der Anzeigerin gewählten Ausfahrt D zwei weitere Ausfahrten liegen, nämlich (vor der D) die Ausfahrt zur H und (unmittelbar nach der D) die Ausfahrt nach U:

Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Frau, die allein mit ihrem Kind eine derart bedrohliche Situation (wie von der Zeugin geschildert) erlebt, nicht gleich aus Gründen der Schutzsuche bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die Gefahrenstelle verlässt und somit dem "Widersacher" die Möglichkeit nimmt, Bedrohung auf sie auszuüben. Es ist somit nicht nachvollziehbar, warum sie in dieser Situation nicht gleich bei der Ausfahrt "H" oder doch spätestens bei der Ausfahrt "U" die Autobahn verlassen hat, sondern erst bei der Ausfahrt "D".

Die Vermutung des Berufungswerbers, er hätte vielleicht bremsen müssen und sei der Grund dafür wegen der Größenausmaße des von ihm gelenkten Kombis (Marke VW S) für die nachfolgende Fahrzeuglenkerin nicht ersichtlich gewesen, ist daher letztlich nicht von der Hand zu weisen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Sachverhalt nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, weshalb zumindest im Zweifel spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung (zumindest teilweise) Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum